02.10. - 13.11.2019: Uruguay - Paraguay (Independencia und Hasta La Pasta) - Argentinien Chaco - Paso de Jama - Arica

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02. - 15.10.2019: Zurück in Uruguay. Via Brasilien und Argentinien nach Encarnacion, Paraguay

Hallöchen! Da sind wir wieder. Pünktlich landet unser Flieger am 2. Oktober in Montevideo, aber leider ist das bestellte Taxi nicht da. Laut Timo von UY Storage sollten wir zusammen mit zwei anderen Hamburgern am Flughafen abgeholt werden, aber weit und breit ist niemand zu sehen. Sind die anderen schon vor uns angekommen und bereits auf dem Weg zu UY Storage? Wir schicken Timo eine WhatsApp und klären die Situation.

Lustigerweise saßen Regine und Wolfgang im gleichen Flieger aus Sao Paulo und landeten somit zeitgleich mit uns. Wir hatten die Info, sie würden mit Iberia kommen und ein Flieger aus Madrid war bereits vor einer Stunde hier gelandet. Wir rufen die WhatsApp Nummer an, die uns Timo von Regine gegeben hat und es klingelt keine 5 Meter hinter uns. Wir drehen uns um und gucken Regine direkt in die Augen.

Gabriel, unser Taxifahrer, kommt nur 5 Minuten später und schon sind wir auf dem Weg zu UY Storage. Allerdings machen wir noch einen Zwischenstopp in Atlantida beim Tienda Inglesa, um schnell das Nötigste einzukaufen, denn bei uns Vieren ist nach der langen Einlagerungszeit unserer Fahrzeuge natürlich nichts mehr im Kühlschrank. Dieser kleine Umweg kostet uns allerdings noch einmal 30 US$ zu den 60 US$ für die Taxifahrt. Da wir uns die Kosten aber teilen, sind es am Ende nur 45 US$ und das geht in Ordnung.

Winnietwo steht bei unserer Ankunft schon auf dem Campingplatz und sieht von außen gut aus. Auch drinnen ist alles sauber und trocken - W2 hat also die Zeit ohne uns gut überstanden. Wir räumen entspannt unser Gepäck wieder in die Schränke und bleiben zwei Nächte. Ich hatte sechs Flüge innerhalb von 2,5 Tagen in den Knochen, Helen zwei von London aus. Da musste viel Schlaf nachgeholt werden - wir werden ja nicht jünger!

Unser Plan für diese Saison ist nach Ecuador und Kolumbien zu reisen. Ursprünglich wollten wir direkt nach Bolivien hoch, aber Uwe und Claudia sind bereits in Independencia und hüten das Haus von Bruno und Renate ein - früher, als ursprünglich gedacht. Da Paraguay nicht weit von Uruguay entfernt liegt, machen wir natürlich einen Schlenker, um die beiden und unsere geliebte Mia zu besuchen.

Ganz entspannt verbringen wir eine Woche lang an den freien Stellplätzen in Uruguay, bevor es über Bella Union und Uruguayana nach Argentinien geht. In Posadas gehe ich Geld wechseln, denn ich muss unsere Autoversicherung bezahlen. Anschließend geht es direkt über die Grenze nach Encarnacion, wo wir eine Nacht an der Costanera verbringen.

16.10. - 07.11.2019: Independencia - Altos - Asunción (Paraguay)

Die nächsten 9 Tage verbringen wir dann mit Uwe und Claudi in Independencia. Lola, die Hündin von Bruno und Renate, ist auch da und drei Pferde müssen ebenfalls versorgt werden. Dann treffen wir noch Pia und Werner, die wir bereits vor einem Jahr bei Hasta La Pasta getroffen haben und lernen Olaf kennen, der hier im Ort seinen Lastwagen reparieren lässt.

Apropos Reparatur ... Winnietwo steht auch für einen Nachmittag und einen Vormittag in der Werkstatt. Egon ist ein super Mechaniker, den uns Uwe wärmstens empfohlen hat. Er hat über 20 Jahre lang in Deutschland gearbeitet, ist aber hier in Paraguay geboren uns seit gut 18 Monaten wieder in seiner Heimat. Wir lassen einen Ölwechsel machen und tauschen den Dieselfilter und Keilriemen aus. Die Achsenmanschetten müssen noch einmal neu gemacht werden, da die gerade vor ein paar Monaten eingebauten schon wieder gerissen sind. Unser Auspuff wird gelötet und zurecht gebogen, damit er nicht ständig gegen das Chassis donnert. Die Wasserleitung für die Scheibenwischerflüssigkeit wird erneuert, die alte Röhre was schon total brüchig geworden.

Dann hat Egon geprüft, woher das Knacken von unserem rechten Vorderreifen kommt. UY Storage sagte, wir brauchen ein neues Kreuzgelenk, dass aber nicht gerade billig ist. Laut Egon sitzt es aber noch fest, allerdings ist einer der Puffer am Gelenk verformt und muss erneuert werden. Da man dieses Ersatzteil hier nicht bekommt, lässt Egon in Independencia einen Puffer aus Fieberglas nachbauen. Unser größtes Problem seit Uruguay war aber, dass unsere Blinkanlage nicht funktionierte. Wir mussten immer Handsignale aus dem Fenster geben. Zum Glück ist das in keinem der vier Länder, die wir seitdem durchfahren haben, irgendeinem Polizisten aufgefallen. Das hätte eine hohe Strafe geben können!

Es ist ein Wackelkontakt, den Egon mit neuen Lötstellen beseitigt - nebenbei baut er auch noch neue Birnen ein und neue Scheibenwischer. Für die komplette Reparatur zahlen wir ganze 170 US$. Spitze!

Regula kommt für eine Nacht zu Besuch. Wir hatten eigentlich gehofft, sie würde etwas länger bleiben, aber ihr Büsli steht zum Verkauf und die neuen Besitzer wollen es in Hasta La Pasta entgegen nehmen. Insofern hat sie keine Ruhe, denn sie muss ihre Sachen noch aus dem Fahrzeug räumen. Wir bleiben noch ein paar Tage in Independencia und fahren dann anschließend auch zu Hasta La Pasta.

Eigentlich wollten wir nur René und Marion Hallo sagen und das Wochenende bleiben, aber die Temperaturen steigen auf über 40 Grad im Schatten und bei dem Wetter wollen wir nun wirklich nicht nach Asunción fahren. Aus geplanten zwei Nächten werden dann entspannte 11 - es ist einfach immer wieder total nett und schön bei Hasta La Pasta.

Sylvia und Erich sind auch da. Wir haben die beiden 2015 mit ihren Hunden Rocky und Camela mehrfach auf dem Weg nach Ushuaia getroffen. Toll, dass man sich nach so langer Zeit wiedersieht. Neben uns stehen Florian und Sabine aus Hamburg. Die beiden sind eingefleischte St. Pauli Fans und haben einen riesigen Sticker hinten auf ihrem Expeditionsmobil. Ganz viel Spaß haben wir auch mit Simeon und Jenny, die den VW Bus von Regula kaufen. Er ist Schweizer, sie ist Holländerin. Die beiden haben sich vor 7 Jahren in Mosambik auf einer Tour kennen gelernt und sind seit vier Wochen verheiratet. Sie machen eine lange Hochzeitsreise und wir geben ihnen reichlich Tipps für die Gestaltung und Einrichtung ihres Fahrzeugs.

Regula wohnt jetzt für eine Weile im Bungalow, der Abschied von ihrem Fahrzeug fällt natürlich schwer, was wir total gut nachvollziehen können. Marion und René sind sehr gut drauf und im Elternhaus wohnen jetzt Ute und Klaus, die vom Bodensee nach Paraguay gezogen sind. Ute ist ausgebildete Krankenschwester und Heilpraktikerin und gibt tolle Massagen für nur 80.000 Guaranis, etwa 12 EURO, was Helen natürlich gleich ausnutzen muss.

Nebenbei machen wir unseren Sport und ich werde beim allerersten Joggen auf der Straße doch tatsächlich das erste Mal in meinem Leben von einem Hund gebissen. So ein kleines Wuschelteil kommt aus dem Grundstück durch das offene Tor gestürmt und hat es gleich auf meine rechte Wade abgesehen. Ehe ich das Beim aus der Gefahrenzone ziehen kann, erwischen mich seine kleinen, aber sehr scharfen Zähne. Zum Glück habe ich nur einen Bluterguss und Abschürfungen. Der Biss geht nicht durch die Haut und so muss ich auch nicht zum Arzt, um mir eine Tollwutspritze oder ähnliches geben zu lassen. Der kleine Wadenbeißer wollte eigentlich noch mal zubeißen und ich hatte schon mein Bein für einen fiesen Tritt in die Hundefresse nach hinten geschwungen, da stürzte sich der Besitzer auf den Hund und hielt ihn fest. Die nächsten Tage war dann immer das Tor vom Grundstück zu und der Hund war angeleint. Gut so, denn bei einem kleinen Kind hätte auch ein größerer Schaden entstehen können!

Wir verbringen eine sehr schöne Zeit hier mit allen anderen. Es wird viel gelacht und der Pool wird in der Hitze von Tag zu Tag wärmer. Ach, man könnte hier schon wieder Wochen bleiben, aber wir wollen ja in den hohen Norden des Kontinents.

So einfach ist das aber gar nicht, denn völlig unerwartet kommt es in vielen Ländern Südamerikas ganz plötzlich zu Unruhen. In Ecuador wird der subventionierte Benzinpreis von der Regierung aufgehoben, schlagartig verdoppeln sich die Preise und die Indigene Bevölkerung geht auf die Straße. Ausnahmezustand und Ausgangssperren werden verhängt, es kommt dennoch zur Gewalt. Der Präsident ist gezwungen die Subventionen wieder einzuführen, was auch uns zugute kommt, wenn wir das Land bereisen.

Dann finden Wahlen in Bolivien statt. Evo Morales ist seit 12 Jahren an der Macht - er ist der erste Indigene Präsident des Landes. Ein Gesetz in Bolivien besagt, dass es eigentlich nicht zu einer vierten Amtszeit kommen darf, aber Morales erstreitet sich das Recht dazu. Die Wahl ist gerade einmal zu 90% ausgezählt, da erklärt sich Morales schon als Sieger. Er hat zwar die 50% nicht erreicht, aber laut eigenen Aussagen 10% Vorsprung vor dem Oppositionsführer, was laut Wahlgesetz eine zweite Stichwahl verhindert. Die Anhänger der Opposition gehen auf die Straße, das Land kommt in weiten Teilen zum Stillstand, überall werden Straßenblockaden aufgebaut. Offizielle, internationale Wahlbeobachter sprechen ebenfalls von Ungereimtheiten. Morales ist am Ende gezwungen eine erneute Wahl anzukündigen und flüchtet ein paar Tage später nach Mexiko ins Exil. Neuwahlen sind für Januar angekündigt.

In Chile werden die Metropreise für Santiago um ganze 40% erhöht. Auch hier geht die Bevölkerung auf die Straße. Es kommt zu riesigen Demonstrationen - vor allem in Santiago und Valparaiso. Obwohl die Erhöhungen schnell wieder zurück genommen werden, geht die Bevölkerung weiterhin auf die Straße. Über eine Million Menschen fordern in Santiago die Absetzung der Regierung und mehr Geld für sozialere Bedingungen. Auch hier müssen wir schauen, wie sich das weiter entwickelt.

Und dann gibt es auch noch Wahlen in Argentinien. Ein Land, das die dritthöchste Inflation der Welt hat und in der 30% der Bevölkerung nun unter der Armutsgrenze leben. Hier verliert Präsident Macri seine Mehrheit und muss die Regierung an die Opposition abgeben - ein Bündnis aus dem zukünftigen Präsidenten Fernandez und der ehemaligen Präsidentin Christina Kirchner de Fernandez (nicht verwandt), die als Vize-Präsidentin antritt. Sie ist im Land mehr als umstritten und wurde mehrfach der Korruption bezichtigt. Unter ihrer damaligen Herrschaft sind die vielen Probleme des Landes erst richtig entstanden. Sie hat sich nebenbei viel unter den Nagel gerissen, angeblich gehören ihr und ihrer Familie riesige Flächen des Landes, aber erstaunlicherweise ist sie äußerst beliebt bei der armen Bevölkerung Argentiniens. Sie wird auch die zweite Eva Perón genannt.

Wir sind jedenfalls nur froh, dass es nach der Wahl nicht zu Unruhen kommt. Das Land scheint dem Wechsel der Regierung positiv gegenüber zu stehen. Warten wir auch hier mal ab, was als nächstes passiert.

Da wir bei Hasta La Pasta gutes WiFi haben, verfolgen wir die vielen schlechten Nachrichten täglich. Ich mache nebenbei unsere Planung für Ecuador und Kolumbien und wir beschließen lieber nicht über Bolivien nach Norden zu fahren. Andere Overlander hatten uns berichtet, dass es zu Versorgungsengpässen bei Benzin und Diesel kam und an Ausländer nichts mehr verkauft wurde. Hmmm ... wir können maximal 800km auf einem vollen Tank fahren. Steckenbleiben möchten wir dort oben auf 4000 Höhenmeter nicht wirklich. Also beschließen wir über das Argentinische Chaco in den Norden von Chile zu fahren, wo es hoffentlich keine Unruhen gibt. Laut Auswärtigem Amt sollen die touristischen Regionen in Chile nicht davon betroffen sein.

Wir verlassen Hasta La Pasta am 5. November und fahren nach Asunción. Hier lassen wir bei einer Clinica de Parabrisas unseren Sprung in der Windschutzscheibe reparieren, den wir uns bereits in Uruguay geholt haben. Wir haben Angst, dass sich der Sprung in der Höhe ausbreiten könnte. Ein Temperaturunterschied von 20 Grad kann da schon der Auslöser sein. 200.000 Guaranis kostet uns der Spaß - ganz schön viel für Paraguayische Verhältnisse! Vermutlich hat uns der gute Mann da über die Ohren gezogen, aber es gibt nicht sehr viele Möglichkeiten zur Reparatur der Scheibe hier in Paraguay, die meisten Parabrisas tauschen nur die ganze Scheibe, aber soweit sind wir mit unserer ja noch nicht!

Wie immer stehen wir beim Hotel Westfalia, neben uns parkt eine sehr nette französische Familie in ihrem umgebauten, knallroten Deutschen Feuerwehrauto. Die beiden Kinder präsentieren uns stolz den gerade mal 40 Tage alten Disco - ein total süßer Boxer, der schon jetzt einen sehr eigenwilligen Kopf hat. Ich bin gleich total verliebt!

Am ersten Abend treffen wir uns zum Abendessen im Restaurant mit Chantell und Cesar. Die beiden haben wir vor zwei Jahren beim Weihnachtsessen bei Hasta La Pasta kennen gelernt. Sie ist Engländerin, er Paraguayer.

Auf dem Weg zur Grenze machen wir noch einmal einen kurzen Zwischenstopp beim Casa Rica - schließlich können wir Paraguay nicht verlassen, ohne uns vorher noch einmal dick mit den köstlichen Apfelstrudeln einzudecken. Leider gibt es noch keine frisch importieren Edeka Weihnachtsstollen ... seufz, da muss ich dieses Jahr wohl drauf verzichten!

An der Grenze sind die Beamten super nett. Während ich den Papierkram erledige, kontrollieren gleich zwei Beamten unser Fahrzeug. Klopf, klopf, klopf ... hier und da wird mal eine Tür geöffnet, man tut aber nur so, als wenn man was tut. Wir sind eh schon Profis und haben unsere Sachen alle gut versteckt!

07. - 10.11.2019: Argentinischer Chaco - Purmamarca - Paso de Jama - Salinas Grandes

Nun liegen über 900km Asphaltstrecke durch den monsterheißen Argentinischen Chaco vor uns. Auf dem Weg nach Formosa kommen wir aber erst einmal in einen heftigen Regenschauer. Boah, die Straßen stehen schlagartig total unter Wasser - es herrscht erhöhte Aquaplaning Gefahr. Die entgegenkommenden Laster schmeißen uns das Wasser nur so auf die Frontscheibe - 2 Sekunden lang können wir nichts sehen bis unsere neuen Scheibenwischer wieder für klarere Sicht sorgen. Anstrengend!

Zum Übernachten gibt es im Chaco nicht allzu viele Möglichkeiten. Wir finden eine YPF Tankstelle mit WiFi und stellen uns unter ein Dach, um der Hitze ein wenig zu entkommen. Noch bis spät in die Nacht haben wir über 33 Grad im Fahrzeug. Schwitz! Am nächsten Tag stellt Helen dann einen neuen Streckenrekord für uns auf. 560km an einem Tag! Es war so heiß, dass man es eigentlich nur beim Fahren mit offenen Fenstern aushalten konnte. Bis auf zwei kürzere Teilstücke war die Straße super gut zu befahren - teilweise mit brandneuem Teerbelag.

Im Chaco möchten wir ehrlich gesagt nicht tot überm Zaun hängen. In den wenigen Ortschaften, die wir passierten leben arme Indigene, die Nebenstraßen sind total staubig und hier und da stehen sie auch noch unter Wasser. Ansonsten geht es durch plattes Agrarland. Hier und da müssen wir vom Gas runter, um Schweine, Ziegen und Kühe über die Straße passieren zu lassen. Ansonsten echt tote Hose!

Apropos Tod ... auf einem Stück sehen wir rechts und links am Straßenrand alle 5 Meter ein totes Kalb - mindestens 30 sehen wir davon. Nicht einmal die Geier fressen noch die Überreste. Die Zungen ragen gestreckt aus den ausgetrockneten Mäulern raus. Was ist hier passiert, fragen wir uns? Uns stehen die Nackenhaare zu Berge, denn es sieht hier aus, wie in einem Gruselfilm! Handelt es sich hier um eine Phänomen der globalen Erwärmung? Sind die Tiere einfach verdurstet? Angefahren wurden die Kälber jedenfalls nicht. Vielleicht sind die auch ertrunken in den Gräben neben der Straße. Eigenartig und sehr spukig!

Eigentlich hatten wir vor bei einer der beiden Tankstellen in Pichanal für die Nacht zu stoppen, aber der Ort sieht nicht gerade einladend aus. Bei der YPF Tankstelle steige ich aus und will Helen schon in eine Parkbucht einweisen, da trifft mich ein bestialischer Geruch. Ich bekomme gleich das Würgen. Es riecht nach verfaultem Fleisch - entweder aus einer Fabrik oder von einem toten Tier in der Nähe. No way, dass wir hier die Nacht bleiben! Wir haben immer noch locker 35 Grad im Schatten und müssen alle Türen aufreißen, nur um Luft zu bekommen. In diesem Gestank ... nein, danke!

Also fahren wir noch einmal weitere 45 Kilometer zu einer anderen YPF, die zum Glück etwas abseits vom nächsten Dorf liegt. Ich gehe in den Shop und kaufe erst einmal ein Eis, wir müssen uns abkühlen! Die nette Dame an der Kasse gibt mir auch noch das WiFi Passwort und bestätigt, dass wir hier ohne Probleme die Nacht über stehen können.

Leider ist das Internet nicht schnell genug, um am nächsten Tag den HSV live gegen Kiel zu gucken, wir lesen nur auf Kicker.de den Live-Ticker mit, bevor wir uns in Richtung Purmamarca aufmachen. Auf dem Weg liegt ein Chango Mas Supermarkt, die Kette gehört zu Walmart. Ich hohle uns schnell etwas Obst und frisches Brot. Bis nach Purmamarca ist es nicht weit und so lassen wir uns Zeit mit dem Mittagessen.

Purmamarca liegt auf etwa 2700 Höhenmeter und endlich herrschen angenehme Temperaturen. Wir finden einen Stellplatz neben ein paar großen Bäumen im Schatten und reißen alles auf. Der frische Wind lässt die Temperaturen in Winnietwo von 36 Grad ganz schnell auf 24 Grad fallen. Ach, tut das gut! Helen geht eine Runde spazieren. Der Blick auf den Cerro de Siete Colores, den Berg mit den Sieben Farben, ist wirklich toll auch wenn so langsam dunkle Wolken aufziehen. Ich gehe später im leichten Nieselregen noch eine kleine Runde Joggen bevor wir uns eine leckere heiße Suppe zum Abendessen machen. Die letzten Tage haben wir wegen der Hitze nicht gekocht und uns nur von Obst, Müsli und Brot ernährt.

Nachts gehen die Temperaturen auf 11 Grad runter und wir müssen unsere Bettdecke plus Fleecedecke rausholen. Dennoch können wir nicht richtig schlafen. Eigentlich ist es hier gar nicht mal so hoch, aber wir waren seit über 2 Jahren nicht mehr in der Höhe und ich kann das Blut in meinen Ohren hören - mein Pulsschlag ist leicht erhöht. Na, hoffentlich bekomme ich morgen bei der Fahrt über den Paso de Jama keine Probleme - es geht bis 4800m hoch!

Wir hätten uns mal einen Wecker stellen sollen. Um 9.30 Uhr schreckt Helen hoch, die Sonne scheint und wir liegen immer noch im Bett! Nichts wie raus ... schließlich liegen heute fast 380km vor uns. Schnell eine Tasse Tee, Obst und Müsli mit Joghurt und gegen 10.45 Uhr sind wir abfahrbereit.

Wir sind den Paso de Jama bereits im März 2017 aus der anderen Richtung gefahren. Damals hatten wir zunächst einen wunderschönen, sonnigen Tag und konnten die vielen Lagunen und die Gesteinsformationen im Salar de Tara Moais bewundern. Später zog sich aber der Himmel zu und wir fuhren im dichten Neben die tolle Serpentinenstrecke kurz vor Purmamarca runter. Heute ist es genau anders herum. Wir können die Serpentinen bei strahlendem Sonnenschein bewundern und erreichen den großen Salzsee Salinas Grandes auf 3400 Höhenmetern gegen Mittag.

Salina Grandes - 360° Panorama
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Salinas Grandes ist mit über 500km2 der drittgrößte Salzsee der Welt und der größte in Argentinien. Der ehemalige See trocknete am Ende der letzten Eiszeit - vor etwa 12.000 Jahren - aus und die Salzkruste ist heute etwa einen halben Meter dick.

Rund um den Salzsee leben 33 indigene Gruppen, die seit Generationen das Salz (95% pures Natriumchlorid) abbauen. Mit Schaufeln, Spitzhacken und Äxten heben sie rechteckige Becken mit einer Tiefe von bis zu 50cm aus, um das Salz daraus zu gewinnen. Jedes Becken produziert etwa 2,5 Tonnen Salz pro Jahr.

Das gewonnene Salz wird in der Sonne getrocknet und dann in 50kg schweren Säcken verpackt. Der Preis von einer Tonne Salz beträgt etwa 18 US$. Ein Arbeiter benötigt dafür 1 1/2 Tage. Die meisten schuften 10 bis 12 Stunden pro Tag in dieser Höhe! Zwischenhändler verkaufen dann dieses Salz in den südlichen Provinzen von Argentinien, wo der Preis pro Kilogramm bei etwa 1,50 US$ liegt.

Die Arbeitsbedingungen in der Salinas Grandes sind also mehr als hart. Bei Temperaturen von über 40°C in der Sonne und starken Winden verbrennt häufig die Haut und der Salzstaub setzt sich in den Lungen ab. Mit einfachen Wollmützen versuchen sich die Arbeiter hier vor den Gefahren zu schützen.

Von Dezember bis März steht der Salzsee während der Regensaison im Sommer unter Wasser. Den Rest des Jahres versuchen ein paar Dutzend Indigene Quechuas hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit der Salzgewinnung alleine ist es nicht zu schaffen und so produzieren sie Figuren aus Salz, die dann an die Touristen vor Ort verkauft werden.

Aber in der nahen Zukunft wird sich hier einiges für die Menschen und die Natur ändern. Denn die großen Salzseen in Südamerika gehören zu den größten Lithium-Reserven der Welt. Argentinien steht an dritter Stelle der Welt hinter Chile und China. Große Bergbaufirmen aus den reichen Industrieländern bewerben sich hier gerade für Schürfrechte. Das "Weiße Gold" ist einer der Hauptbestandteile für Hightech-Batterien, die unsere Smartphones, elektrischen Autos und andere Produkte mit Strom versorgen.

Aufgrund des dramatischen Klimawandels sollen in den nächsten Jahren vor allem die Elektro-Fahrzeuge weite Verbreitung auf dem Weltmarkt finden. Die starke Nachfrage nach den Lithium-Batterien wird weltweit von großer Bedeutung sein. Ganze Industriezweige und Millionen von Arbeitsplätzen sind daran gebunden. Ganz zu schweigen von den Millionen oder gar Milliarden von zukünftigen E-Auto-Besitzern.

Der Abbau von Lithium ist aber äußerst problematisch und total umweltschädigend. Mit Maschinen müssen Löcher in die Salzkruste gebohrt werden, um an das salzige Wasser unter der Kruste zu gelangen. Um das Lithium auszuwaschen, benötigt man Unmengen an Frischwasser, was hier oben eh schon eine Rarität ist. Mit anderen Worten: Mensch und Tier wird hier die wichtigste Lebensgrundlage entrissen, nur damit wir irgendwo anders in der Welt uns wohlfühlen beim Fahren eines Elektro-Fahrzeuges oder der Benutzung unserer Handies. Erschreckend!

Und was gewinnen die Indigenen hier an diesem Lithium-Boom? Vermutlich gar nichts. Es werden ihnen viele Versprechungen gemacht - auch von der eigenen Regierung. Probebohrungen in anderen Regionen in Bolivien und Chile haben ihnen bereits die großen Nachtteile - sprich karge Landschaften und kein Geld - aufgezeigt. 2012 haben sich deswegen die 33 Indigenen Gruppen rund um die Salinas Grandes gegen die Bergbaufirmen gewehrt und 2015 wurde das sogenannte Kachi Yupi Abkommen geschlossen, das Bergbaufirmen verbietet hier ohne Absprache mit der Indigenen Bevölkerung Bohrungen vorzunehmen.

Aber wir alle wissen, dass am Ende leider die Profitgier und der Druck auf dem Weltmarkt siegen wird. Was sind schon ein paar Tiere und ein paar Hundert Menschen gegen den Rest der Weltbevölkerung? Und Argentinien steht so hoch in den Schulden ... keine Frage, das Land könnte sich mit dieser Resource wieder ordentlich Geld in die leeren Kassen schaufeln!

Diese wunderschönen Hochebenen in Argentinien, Peru, Chile und Bolivien mit ihrer einzigartigen Flora und Fauna sowie Kultur und Natur werden vermutlich in den nächsten Jahrzehnten völlig zerstört werden. Deprimierend!

Wir steigen aus und machen ein paar Fotos. Keine 20 Minuten später fahren wir weiter, dennoch habe ich mir in der kurzen Zeit einen Sonnenbrand im Gesicht geholt. Die Reflektionen auf der weißen Salzkruste auf gut 3400 Höhenmetern darf man nicht unterschätzen! Vor ein paar Tagen hatte ich mir schon einen schweren Sonnenbrand auf dem rechten Oberschenkel geholt - die Sonne knallte beim Fahren durch den Chaco durchs offene Fenster und ich habe das gar nicht bemerkt bis abends der Oberschenkel wie Feuer brannte.

Es ist ein Sonntag und wir haben wenig Verkehr auf der Strecke. Den Paso de Jama (4480m) und damit die Grenze zwischen Argentinien und Chile erreichen wir gegen 15.30 Uhr. Wir stellen uns bei der YPF Tankstelle hin und trinken erst einmal unseren Cappuccino. Die restlichen Argentinischen Pesos werden in den Tank gesteckt - erstaunlicherweise bekommt man hier oben das Benzin und den Diesel zu den gleichen Preisen, wie unten im Flachland. Ich entleere noch schnell unsere Toilette und wir checken unsere Mails und die Sportergebnisse. Der Grenzübergang ist problemlos - innerhalb einer halben Stunde sind wir mit dem Papierkram und der kurzen Fahrzeugkontrolle durch. Auch hier sind die Beamten alle super nett. Ich glaube, man freut sich über jeden Touristen, der nach Argentinien oder Chile kommt.

Hinter der Grenze entdecken wir ganz dicht am Straßenrand zwei große James-Flamingos - es ist immer wieder toll, diese großen Vögel in dieser Höhe und fast unbewohnbaren Gegend zu beobachten. Hinter der Salar de Tara Moais geht es rauf zum höchsten Punkt der Strecke - unser GPS zeigt 4830 Höhenmeter an. Bei der Kilometermarkierung 72 halten wir erneut und sehen in der Ferne die 66 ALMA Radioantennen auf dem 5100 Meter hohen Chajnantor Plateau. Kurze Zeit später sehen wir auf der rechten Seite die Berge im Bolivianischen Altiplano, dann geht es nur noch bergab. Unser Tagesziel ist ein kleiner Kiesplatz auf etwa 2700m, wo wir auch schon letztes Mal gestanden haben. Von hier aus sind es noch etwa 15km bis San Pedro de Atacama.

Die Uhr zeigt 20 Uhr und zum Abschluss des Tages werden wir auch noch mit einem fantastischen Sonnenuntergang belohnt. Hinter dem Licancabur Vulkan (5916m) geht zeitgleich der Vollmond auf. Es ist einsam und sehr ruhig hier oben. Ein toller Platz für eine ruhige Nacht! Es gibt den Rest der Suppe mit Brötchen zum Abendessen. Todmüde fallen wir noch vor 23 Uhr ins Bett. Ein wirklich großartiger Tag, den wir in vollen Zügen genossen haben.

Am nächsten Morgen kommen wir spät hoch. Der Himmel ist grau und wolkig. Wir beschließen spontan einen Ruhetag einzulegen. In den letzten vier Tagen sind wir fast 1500km gefahren. Heute haben wir einfach keinen Bock uns hinters Steuer zu setzen.

Ich sehe draußen eine kleine, grüne Echse und schnappe mir die Kamera, aber leider ist sie schon verschwunden. Ich gucke unterm Auto nach und entdecke dabei auf unserem rechten Vorderreifen ganz viel Schmiere. Scheiße, unsere Achsenmanschette ist ab! Wir hatten gestern schon während der Fahrt vorne rechts immer ein komisches Geräusch gehört. Ich lege mich unters Auto und versuche die Manschette wieder zu befestigen. Der Metallring ist offensichtlich nicht richtig angezogen. Ich habe aber keine Möglichkeit ihn fester zu ziehen. So bleibt mir nur, die Manschette wieder drauf zu machen und die ganze Schmiere rund herum zu beseitigen. Wir müssen bei den nächsten Fahrten mal schauen, ob sie wieder abgeht. Wenn ja, müssen wir in die Werkstatt. Schaun wir mal.

12. - 13.11.2019: auf dem Highway 5 durch die Atacama-Wüste bis nach Arica hoch

Die nächsten beiden Tage sind reine Fahrtage auf dem Highway CH5 bis Arica hoch. An San Pedro de Atacama fahren wir dieses Mal auf der Umgehungsstraße vorbei - wir haben 2017 in dieser Gegend schon viel gesehen. In Calama sehen wir dann die ersten Anzeichen von Gewalt in Chile. Am Straßenrand liegen immer noch brennende Autoreifen - alle 50 bis 100m waren wohl bis gestern Abend oder heute morgen Straßenblockaden aufgebaut. Eine davon ist noch immer nicht beiseite geräumt und so muss Helen kurz in den Gegenverkehr fahren, damit wir zum Visitor Center für die Chuquicamata Kupfermine kommen.

Vor zwei Jahren konnten wir die größte Kupfermine der Welt schon nicht besuchen, weil damals der Tourveranstalter gerade wechselte. Heute ist es leider nicht anders, denn die kostenlosen Touren zur Mine sind bis auf weiteres abgesagt. Die politischen Lage in Chile ist einfach zu explosiv und ein Besuch der Mine im Moment für Touristen zu gefährlich, sagt die Wachfrau beim Visitor Center. Schade!

In Calama sehen wir auf dem Weg zum Jumbo Supermarkt eine große Gruppe von Frauen, die friedlich auf einer der Hauptstraßen im Ort demonstrieren. Chile gilt eigentlich als das reichste und stabilste Land Südamerikas, aber die Kluft zwischen reich und arm ist hier von allen Ländern am größten. Vor allem die jungen Leute sind unzufrieden. Es gibt viel zu hohe Studiengebühren und die Uni-Absolventen verschulden sich im Schnitt für die nächsten 10 bis 20 Jahre - viel Geld, was erst einmal wieder erarbeitet werden muss. Insbesondere Frauen leiden darunter, denn nach der Geburt von Kindern fällt es ihnen besonders scher wieder einen guten Job zu finden.

In Santiago de Chile hat es bis zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Tote gegeben und die angespannte Lage im ganzen Land scheint sich zuzuspitzen. Wir treffen am nächsten Tag auf einer YPF Tankstelle nördlich von Pozo Almonte zwei Deutsche in einem neuen FIAT Ducato. Sie wollten eigentlich gestern Abend hier übernachten, aber die Straße wurde von Demonstranten blockiert, die mit Schlagstöcken auf Autos einschlugen. Sogar Schüsse waren zu hören. Die Tankstelle war gesperrt, Benzin und Diesel wurde nicht verkauft und das Deutsche Paar ist wieder Richtung Norden gefahren und hat sich mitten in die Wüste gestellt, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten.

Wir erleben so etwas auf unserer Fahrt zum Glück nicht, können aber überall deutlich den beschädigten Straßenbelag sehen. Eigentlich finden wir es sehr ärgerlich, dass der brandneue Asphalt durch die brennenden Autoreifen schon wieder zerstört ist. Auch das wird hohe Kosten für die Reparatur der Straßen im ganzen Land bedeuten - Geld, dass man vielleicht besser in die Ausbildung der Leute stecken könnte. Vor allem an den Wochenenden, wenn die Leute nicht arbeiten, scheint es hier zu großen Demonstrationen zu kommen. Noch hält sich die Regierung, aber der Druck von den Leuten auf der Straße wird immer größer.

Wir übernachten in der ersten Nacht erneut bei der alten Bahnstation bei den Geoglifos de Pintados. Drei Hamburger Mädels stehen ebenfalls in ihrem Mietcamper dort und wir tauschen Informationen aus. Die zweite Nacht ist ebenfalls ruhig und entspannt für uns, denn wir stehen mutterseelenalleine bei den Presencias Tutelares - 20km vor der Grenzstadt Arica.


Cross Countries: unsere lange Fahrt durch gleich 5 Länder Südamerikas