18.- 30.11.2015: Sierra Grande - Puerto Madryn - Playa El Doradillo - Playa Las Canteras

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Wir machen den Fehler und tanken in Viedma noch einmal voll. 300km weiter in Sierra Grande war der Diesel um 2 Peso pro Liter niedriger. Wir wussten zwar, dass Benzin und Diesel in Patagonien subventioniert und damit günstiger sind, aber nicht genau, wo der bessere Preis anfängt. Winnietwo hat einen 80 Liter Tank und wir verbrauchen im Moment nur etwa 8.75 Liter auf 100km. Wir hätten also gut 10 US$ sparen können, wenn wir etwas gewartet hätten. Na ja, es la vida! You live and you learn.

In Sierra Grande verbringen wir die Nacht hinter einer YPF Tankstelle. Zu unserer Überraschung gibt es hier einen kleinen Park mit hohen Bäumen und Picknickplätzen. Wir stehen ganz alleine da und bekommen vom Straßenlärm nichts mit. Am nächsten Morgen können wir auch unsere Wassertanks (2 x 40 Liter) mit gutem Wasser auffüllen, unsere Toilette entleeren und kurz unsere Emails checken. Und das alles kostenlos! Was will man mehr?

Uruguay und Argentinien lassen sich wirklich gut mit einem Wohnmobil bereisen. Überall findet man tolle Stellplätze in der Natur und auch die Campingplätze waren bis dato eigentlich alle sehr gut. Häufig wird uns beim Fahren durch die Pampa aus einem Laster oder einem PKW zugewunken. Wir haben ja vorne und hinten ALEMANIA auf W2 stehen und einmal hatten wir es sogar, dass ein Beifahrer beim Überholen sein Bayern München Trikot auszog und uns wild damit aus dem Fenster zuwinkte. Erstaunlich ist auch, wie sauber beide Länder sind. Am Straßenrand liegt kein Müll und die Strände sind auch super sauber. Mit Ausnahme von Buenos Aires, wo die Flüsse extrem mit Schwermetallen verseucht sind, gibt es im Rest des Landes kaum Verschmutzung. Die Luft ist klar und sauber, die Flüsse und das Meer laden zum Baden ein.

Nach Puerto Madryn war es nicht weit. Wir gönnten uns mal wieder eine Pizza, da ich keine Lust zum Kochen hatte. Ich wurde gefragt, ob wir sie mit oder ohne Käse haben wollen. Ich dachte erst, ich hätte das Spanisch nicht richtig verstanden und fragte nochmals nach. Eine Pizza ohne Käse? Ist das überhaupt dann ein Pizza? Jedenfalls lag sie uns anschließend schwer im Magen. Sie war überladen mit Zwiebeln und Pilzen und das gärte im Magen. Trotzdem bin ich anschließend noch mal zur Panaderia Valentina gelaufen. Ich konnte die ewigen Blätterteigsachen mit Crema de Leche (eine Art Karamell) oder Pudding, die hier in Argentinien neben den Milchhörnchen üblich sind, nicht mehr sehen. Helen liebt sie! Bei dieser großen Panaderia entdeckte ich herrliche Sahneschnitten, Apfelzimt- sowie Schokokirschkuchen. Ich konnte mich gar nicht entscheiden, alles sah so lecker aus!

Nachts standen wir direkt an der Strandpromenade hinter den Dünen auf einem kleinen Schotterplatz. Wieder einmal ganz alleine, aber sicher und ruhig. Es war Ebbe und der Strand ist super breit und lang hier. Wale haben wir an diesem Abend leider keine gesehen, aber das sollte noch kommen. Bis 1.30 Uhr morgens habe ich dann an unserer Webseite gearbeitet. Alleine das Bearbeiten der Fotos und Videos dauert lange.

Am nächsten Tag waren wir kurz Einkaufen und bei der Touristen-Information. Hier bekamen wir Preise und Infos zu den Waltouren im Golfo Nuevo. Man kann das nur von Puerto Pirámides auf der Península Valdés aus machen. Um dort hinzukommen, muss man aber erst einmal eine Nationalparkgebühr von 260 Pesos pro Person (17US$ - Blue Dollar Kurs) bezahlen. Die Bootstouren kosten dann noch einmal für 90 Minuten 890 Pesos pro Person (60 US$). Viel Geld, aber sicherlich lohnenswert, wenn man nur wenig Zeit hat, um diese Hauptattraktion in Argentinien zu sehen.

Wir haben allerdings Zeit ohne Ende und hatten die Península Valdés 2002 auf unserer Südamerikareise ja schon einmal besucht. Damals allerdings im März. Da waren die Glattwale schon weg, dafür haben wir die Orcas beim Jagen von Seelöwen beobachten können. Man kann die Orcas auch im November sehen. Aber nur am Punta Norte und Punta Cantor und das bedeutet viele Kilometer auf einer Schotterpiste. Helen hatte beim Paraiso Suizo schon gehört, dass sich andere Wohnmobilisten auf der 210km langen Rundschleife um die Península Valdés diverse Schäden an ihrem Fahrzeug geholt haben. Offiziell darf man auf der Insel auch nur nachts auf dem Campingplatz in Puerto Pirámides stehen. Das bedeutet, dass man die Insel nur zwischen 8 und 20 Uhr befahren darf. Da muss man schon einen Zacken zulegen, um die 210km an einem Tag zu schaffen.

Bei meinen Recherchen zu Südamerika habe ich allerdings diverse Male den Hinweis gefunden, dass man kostenlos und sehr schön etwa 15km von Puerto Madryn entfernt am Playa El Doradillo und etwas weiter nördlich am Playa Las Canteras direkt am Golf stehen kann. Von hier aus haben viele schon ganz dicht die Glattwale beobachten können. Um dort hinzukommen, muss man zwar auch auf einer Sand-Schotterstraße fahren, aber wir hatten Glück, denn vor uns war gerade die Raupe zum Glätten der Straße und der Wasserwagen zum Beseitigen des Sandstaubes unterwegs und wir kamen mit 30 - 40 km/h innerhalb von einer halben Stunde am Playa El Doradillo an.

Hier standen wir zwei Nächte lang wunderbar am Sandstrand. Kaum waren wir am Nachmittag angekommen, holten wir das Fernglas raus und hielten Ausschau nach den Walen. Winnietwo hat ein großes Fenster in der Schiebetür und ich konnte sogar vom Klo aus nach Walen gucken. Man weiß ja nie, wann die auftauchen ... ;-)

Um 17.20 Uhr zog dann auch tatsächlich eine Walmama mit Baby vorbei, leider etwas weiter draußen, aber wir konnten sie gut durch das Fernglas beobachten. Schön, die Wale sind also noch da. Normalerweise sind sie von Mitte Juni bis Mitte Dezember in dieser Bucht, aber dieses Jahr ist ein El Niño Jahr und Bärbel und Jens hatten uns schon per Email vor 12 Tagen informiert, dass sie nur wenige Wale gesehen haben.

Die Walmama zog mit dem Kleinen dann raus und ich machte mich ans Kochen. Kaum waren die Kartoffeln auf dem Herd, hörte ich das laute Platschen. Am Ende der Bucht sah ich durch das Fernglas das Walbaby, wie es mit der Seitenflosse immer hart aufs Wasser schlug. Es war ganz dicht dran am Strand, direkt unter dem Aussichtspunkt. Was mache ich? Am Strand entlang konnte ich zu dem Punkt nicht laufen, da immer noch Flut war. Wie komme ich zum Aussichtspunkt? Und die Kartoffeln waren auch fast fertig. Scheiße! Panik! Da es bereits ziemlich dunkel wurde, bin ich dann nicht zum Aussichtspunkt gelaufen und habe das prompt am nächsten Tag bereut, denn wir sahen nicht einen einzigen Wal. Sollte das unsere einzige und letzte Chance gewesen sein? Mein Fotografenherz blutete und ich machte mir Vorwürfe. Man muss die Chancen nutzen, wenn man sie sieht!

Winnietwo am Strand von El Doradillo - 360° Panorama
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Unsere Toilette war voll und so sind wir einen Tag später weiter zum Playa Las Canteras (5km weiter nördlich) gefahren, denn hier stehen drei Dixie-Klos und wir konnten dort unsere Kassette entleeren. Der Strand hier ist mit Kieselsteinen überseht und etwas steiler. Wir standen auf einer kleinen Anhöhe mit einem sehr schönen 180 Grad Blick aufs Wasser. Wale? Totale Fehlanzeige! Scheiße! Dafür gab es einen schönen Sonnenuntergang und ein Belgisches Womo (Françoise und Dirk) stellten sich hinter uns für die Nacht. Ich habe noch bis spät in die Nacht an unserer Webseite gearbeitet. Zeit hatten wir ja endlich hier dafür.

Entsprechend lange haben wir ausgeschlafen. Ein Fehler, denn um 7 Uhr morgens zogen Wale direkt an uns vorbei und wir haben sie verpasst. Dirk hat angeblich kurz auf seine Hupe gedrückt, um uns zu wecken, aber wir hören solche Geräusche nach 12 Jahren Wohnmobilleben nicht mehr und schlafen seelenruhig weiter. Ich habe mir später seine Bilder angeschaut. Und mich anschließend wieder geärgert. Das erinnerte an die Grizzlybären in Kanada. Jeder hat sie gesehen, nur wir nicht!

Um 11 Uhr sehen wir gaaaaanz weit draußen zwei Wale schwimmen. Ich mache vorsichtshalber ein Foto, nur als Beweis, dass wir sie wenigstens mal gesehen haben.

Nachmittags fangen wir an unser Fliegennetz für die Schiebetür zu bauen. Wir kleben das Klettband rund um den Türrahmen und waren gerade dabei den Stoff auszumessen. Dirk kommt aus seinem Wohnmobil raus und schaut uns zu. Auf einmal ruft er laut "Whales!". Wir schauen hoch und tatsächlich, ein Walbaby hat die Rückflosse ganz weit aus dem Wasser und schlägt mit voller Kraft auf die Wasseroberfläche. Wir schmeißen unseren Stoff ins Auto. Wo ist die Kamera? Da! Ich bekomme gerade noch die letzten Schläge aufs Video gebannt, dann ist meine Speicherkarte voll. Scheiße! Ich renne wie wild zum Auto zurück. Alte Karte raus, neue rein. Schnell wieder Wale gucken.

Wow! Jetzt fängt das Kleine an zu springen. Ich verpasse die ersten beiden Bauchklatscher, da meine Kamera voll auf dem Zoom steht und der Wal schon weiter rechts ist. Helen rennt zum Auto, um unsere kleine Kamera zu holen. Wir beiden halten dann noch die weiteren Sprünge fest. Zwischendrin geht mir auch noch die Batterie aus und ich muss mir schnell eine neue holen. Voller Kamerachip und leere Batterie und totale Wal-Action ... der Alptraum jedes Fotografen!

Aber wir haben Glück, die Wale kommen wieder zurück und wir können sie drei Stunden lang beobachten. Sie sind keine 15m vom Ufer entfernt. So dicht! Toll! Rauf und runter schwimmen sie den Strand entlang ... wir immer hinterher. Auf den Kieselsteinen am Strand ist es nicht leicht, da immer mitzuhalten. Wir laufen einige Kilometer an diesem Tag und liegen abends total happy in unserem Bett.


Springende Glattwale im Golfo Nuevo

Ach ja, Astrid haben wir an diesem Abend auch kennengelernt. Sie kommt aus Wien und ist seit 3.5 Jahren mit dem Fahrrad unterwegs. Eigentlich wollte sie nach dem Studium nur bis nach Istanbul radeln, aber dann führte ihre Reise über Georgien, die vielen Stans nach China und anschließend ganz runter bis nach Indonesien. Zwischendrin verdient sie Geld als Tauchlehrerin. Sie erzählt uns das alles beim Abendessen. Wir laden sie auf eine schnelle Pasta mit Tomatensoße ein. Mehr haben wir nach der stundenlangen Walbeobachtung nicht zu bieten. Wir sind am verhungern und es muss schnell gehen. Aber wir hauen alle drei ordentlich rein, Astrid verschlingt fast zwei Portionen. Sie verbraucht eben viele Kalorien auf dem Rad und das bei teilweise starkem Gegenwind. Bewundernswert! Wir könnten das nicht, aber Astrid hat mit ihren 28 Jahren ja auch noch einen ganzen Tacken mehr Energie als wir.

Apropos Wind ... an diesem Abend weht er heftig und Astrids Zelt fliegt im hohen Bogen den Strand runter. In letzter Sekunde erwischt sie es bevor es vom Wind weit über das Wasser getrieben wird. Zelt und Isomatte sind klitschnass, aber im Wind trocknet alles sehr schnell. Sie baut das Zelt an einer anderen Stelle wieder auf, dieses Mal wird es fest an einigen Holzpfeilern verzurrt. Eine Stange ist gebrochen und die Zeltwand ist leicht eingerissen, aber Harry hilft ihr am nächsten Tag bei der Reparatur. Harry und Doris sind mit ihrem roten Wohnmobil inzwischen auch hier. Wir haben sie schon beim Paraiso Suizo, in Areco und bei den Felsensittichen getroffen. Wir machen halt alle an den selben Stellen einen Stopp und man sieht sich häufiger wieder.

Am nächsten Tag winken wir alle zum Abschied Astrid zu. Sie fährt weiter nach Puerto Madryn. Es ist ein wunderschöner sonniger Tag, aber wir sehen nicht einen einzigen Wal. Am nächsten Morgen klopft Doris laut um 7 Uhr an unser Womo. Die Wale sind da! Direkt vor unseren Womos und wieder keine 15m vom Strand entfernt. Dieses Mal waren es drei Walmamas mit ihren Babys.

3 1/2 Stunden konnten wir sie beobachten. Das Fotografieren war sehr schwierig, denn wir wurden stark von der tiefstehenden Morgensonne geblendet. Uns wurde aber erneut eine echte Wal-Show geboten. Wir beobachteten eine Wal-surfende Seemöwe, die auf dem Rücken der Wale die Rankenfüße fraß und die Wale damit zum Wahnsinn trieb. Wild hoben sie ihre Köpfe und tauchten schnell unter, aber die Seemöwe war penetrant und landete immer wieder auf dem Rücken der Wale.

An diesem Morgen war die Lektion für die Babywale sich auf den Rücken zu drehen. Mama machte das mehrfach vor und wir sahen, wie sich das Walbaby auf ihrem Bauch ausruhte, bevor es sich dann selbst mehrfach auf den Rücken rollte. Immer wieder waren die Seiten- und Rückflossen zu sehen. Bei einem ausgewachsenen Glattwal ist die hintere Flosse etwa 5m breit. Sie sieht gewaltig aus, wenn sie aus dem Wasser kommt.

Das Wasser ist an diesem Morgen spiegelglatt und ich halte unsere kleine, wasserfeste Kamera unter Wasser, aber man sieht nichts. Das Wasser hat direkt am Strand zu viel Bewegung und die Wale sind nicht zu erkennen. Mir kommt der Gedanke zu ihnen einfach rauszuschwimmen, aber erstens ist das Wasser noch sehr kalt (wir haben hier ja gerade erst Frühling) und zweitens weiß man ja nie, ob das die Walmutter nicht als Bedrohung für ihr Baby sehen könnte. Weibliche Glattwale werden bis zu 18m lang und wiegen 35 bis 50 Tonnen. Selbst wenn sie einen nur mit der Flosse streichelt, könnte das bei diesen Gewichten den Tod bedeuten. Lieber nicht! Aber die Versuchung ist groß, denn die Wale scheinen mit uns zu kommunizieren und sind genauso neugierig auf uns, wie wir auf sie. Sanfte Riesen, die leider vom Aussterben bedroht sind.

Ein fantastischer Morgen! Ich muss zwischendrin mal schnell zum Womo. Meine Blase drückt! Wir sind ja aus dem Tiefschlaf hochgeschreckt und haben uns nur schnell in die Klamotten geschmissen. Der Tag ist heiß und wir holen uns einen Sonnenbrand. Helen hält es irgendwann nicht mehr aus und sie kocht uns eine Tasse Tee, die sie dann wieder mit zu den Walen bringt. Ach, super! Danke, Babes! Mein Mund war von dem vielen Hin- und Hergerenne schon ganz trocken. Außerdem taten uns die Arme weh vom vielen Fotografieren und Video schießen. Nicht, dass wir uns hier beschweren!

Gegen Mittag bewölkte sich der Himmel. Doris und Harry, sowie Françoise und Dirk packen alles zusammen. Sie wollen weiter gen Süden fahren. Wir haben die letzten fünf Nächte hier in der Bucht gestanden und hatten nichts mehr zu essen. Deshalb beschlossen wir nach Puerto Madryn zum Einkaufen zu fahren und deckten uns beim Hiper Carrefour und der Panaderia Valentina ein. Anschließend fuhren wir wieder raus zum Playa Las Canteras. Wir hatten noch nicht genug von den Walen und wollten noch bis Montag hier bleiben.

Wir machten auf dem Hin- und Rückweg nach Puerto Madryn jeweils beim Aussichtspunkt kurz stopp. Beim ersten Mal sahen wir Flamingos über den Golfo Nuevo fliegen, beim zweiten Mal zwei Wale, die aber leider etwas weiter draußen waren. Ich hatte die Hoffnung, sie von oben in ihrer ganzen Größe zu fotografieren, musste mich dann aber mit Fotos von den Fotos bei dem Aussichtspunkt begnügen.

Aber am späten Nachmittag zogen wieder vier Wale direkt am Strand entlang. Inzwischen hatten wir den Dreh raus. Sie kommen immer bei hoher Flut und da wir an diesem Abend einen Vollmond hatten, war die Flut besonderns hoch. Der Strand fällt hier mit ca. 35 Grad ab und das gibt den Walen genug Wassertiefe und Auftrieb, um so dicht an den Strand zu kommen. Wieder wird uns eine Stunde lang viel geboten und mir gelingt ein tolles Foto von der Walmama, wie sie auf den Strand zu schwimmt und direkt hinter ihr die riesige Flosse aus dem Wasser kommt. Die Rankenfüße leuchten Orange in der untergehenden Sonne. Schönere Fotos kann man kaum schießen und ich bin im Himmel.


Südliche Glattwale im Golfo Nuevo - Teil 2

Wir beschließen die teure Bootstour von Puerto Pirámides aus nicht zu machen. Eigentlich haben wir schon alles gesehen, was die Wale uns so bieten können. Das einzige wäre, wenn die Wale direkt ans Boot kämen und wir Nahaufnahmen vom Kopf und den Rankenfüßern machen können, aber das wären mit 150US$ verdammt teure Fotos und wer garantiert, dass die Wale auf dieser Tour auch wirklich bis ans Boot kommen?

Inzwischen sind wir zu Frühaufstehern geworden. Und tatsächlich, an den nächsten beiden Morgen sind die Wale pünktlich gegen 7 Uhr wieder direkt vor unserer Tür. Wir können sie direkt vom Bett aus beobachten. Wo in der Welt hat man das schon! Trotzdem stehen wir natürlich auf. Wir haben allerdings unsere Lektion gelernt und gehen erst einmal aufs Klo. ;-) Wer weiß, wie lange die Wale uns unterhalten.

Die See ist an diesen Tagen sehr aufgewühlt, es herrscht West- oder Südwind. Die Wale sind wenig zum Spielen aufgelegt und die Muttis scheinen den Kleinen Langstreckenschwimmen im Wellengang beizubringen. Sie ziehen schnell den Strand entlang und wir machen wenige Fotos und Videos, genießen es aber trotzdem wie immer. Einfach toll, dass wir das hier alles kostenlos aus dieser Nähe bewundern dürfen.

Am Sonntagmorgen schauen wir vom Bett aus nach Walen. Es sind aber keine da. Ganz weit draußen sieht man einen halbrunden, Schwarzen Fleck. Was ist das denn? Ich gucke durchs Fernglas und sehe ganz viele Vögel auf dem Flecken. Ich sage noch zu Helen "Du, bei totaler Ebbe ist da draußen eine Insel zu sehen!" Zwei Stunden später war die "Insel" aber nicht mehr an der selben Stelle, sondern viel weiter rechts, fast in der Bucht von El Doradillo. Wir waren inzwischen aufgestanden und ich bin zum Aussichtspunkt hoch gelaufen. Durchs Fernglas sehe ich dann, dass es sich bei der "Insel" um einen toten Wal handelt, der mit großer Geschwindigkeit aufs Ufer zu driftet.

Wir packen unsere Sachen und fahren in die andere Bucht. Der Wal ist inzwischen fast am Strand und muss schon einige Tage tot sein, denn die Haut ist am abperlen. Es handelt sich um ein ausgewachsenes Weibchen von etwa 12m Länge. Die Flut geht weiter raus und der Wal liegt später ganz auf dem Sand. Man kann toll die Barten, Zunge und Drüsen sehen.

Die Küstenwache wird gerufen. Am Sonntag baden hier nämlich Hunderte von Argentiniern und es könnte zu gesundheitlichen Problemen kommen. Ganz zu schweigen von dem ekelhaften Gestank des Wales. Ich spreche mit einer der Mitarbeiterinnen und sie erzählt mir, dass jedes Jahr um die 40 Wale im Golfo Nuevo sterben. Meistens an einer Erkrankung.

Vor der argentinischen Halbinsel Valdés haben Dominikanermöwen in den letzten 30 Jahren begonnen, sich auch von den Glattwalen zu ernähren. Sie wurden ursprünglich von den Abfällen der Fischindustrie in Puerto Madryn angelockt. Heute ist man umweltbewusster und kippt die Sachen nicht mehr ins Meer. Die Möwen fanden also weniger Nahrung und haben sich dann auf die Wale spezialisiert. Sie landen auf den Walen und picken Parasiten, lose Stückchen Haut, aber auch gesunde Fleischstücke von bzw. aus den Walen. Das führt zu offenen Stellen in der Haut, die sich dann infizieren. Die Möwen sind deshalb für die Wale, die in dieser Region ihren Nachwuchs großziehen, zu einer Plage geworden. Die Wale tauchen viel häufiger als gewöhnlich, um sich vor den Möwen in Sicherheit zu bringen, und benötigen dadurch viel Energie. Etwa ein Drittel der Walenergie und Zeit wird für diese Abwehrmanöver verwendet. Die Walmütter benötigen diese Zeit und Energie eigentlich viel mehr für die Aufzucht ihrer Kälber. Ruhephasen sind kaum noch drin und die Wale sind gestresst.

Im Dezember schwimmen die Wale dann zurück in die Antarktis. Hier droht das nächste Problem. Durch die globale Erwärmung geht der Krillbestand zurück. Glattwale sind Bartenwale und können sich nur von diesen kleinen Teilen ernähren. Fische jagen ist nicht drin. Trotzdem soll es ca. 7.000 Glattwale in den Argentinischen Gewässern geben.

Ich habe mich gerade noch einmal im Internet über diese Wale schlau gemacht. Südliche Glattwalmännchen haben mit jeweils 2x500kg die größten Hoden auf diesem Planeten. Bei jeder Ejakulation werden etwa 20 Liter Sperma ausgestoßen. Dachte mir, dass sollte jeder Leser unserer Webseite schon mal wissen. Nur kein Neid, liebe Männer. Auf die Größe und Menge kommt es nicht immer an!!!!

Ich schweife ab ... zurück zu dem toten Wal am Strand. Die Feuerwehr kommt vorbei und buddelt ein Loch unter der Tonnenschweren Rückflosse, ein langes Seil wird befestigt und kurze Zeit später taucht ein Boot der Küstenwache auf. Das Boot sieht eigentlich viel kleiner aus, als der Wal und wir fragen uns schon, ob es überhaupt die Power hat, den Wal vom Strand zu ziehen.

Die Flut kommt aber langsam und zwei Männer bringen das Seilende zum Boot raus. Man befestigt es vorne am Boot und versucht dann den Wal im Rückwärtsgang raus zuziehen. Totale Fehlanzeige! Männer und Technik! Das weiß doch jede Frau, dass der Rückwärtsgang wenig Power hat. Die Männer an Bord schnallen es auch endlich und befestigen das Seil hinten am Boot. Wir sind schon gespannt, ob es jetzt klappt. Die Kameras sind an, denn wir erwarten die Schleifspuren im Sand und den Wal hinter dem Boot durchs Wasser wabbern.

Das Boot dreht sich, die Maschine stoppt ... war war nun los? Das Seil ist in den Propeller geraten und nun ging gar nichts mehr. Was für eine peinliche Aktion! Drei Männer versuchen tauchend das inzwischen abgeschnittene Seilende aus dem Propeller zu ziehen, was natürlich nicht klappt. Am Ende muss ein großes Küstenwachenboot kommen, um das kleine in den Hafen von Puerto Madryn zu schleppen. Der tote Wal liegt auch zwei Tage später noch da.


Gestrandeter Wal am Playa El Doradillo