21. - 24.02.2016: Antarktis Kreuzfahrt - Tag 9, 10, 11 und 12: Godthul Bucht - Ocean Harbour - Drygalski Fjord (Südgeorgien) - Seetage auf dem Weg zu den South Sandwich Inseln

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21.02.2016: Tag 9 - Godthul (Good Cove), St. Andrews Bay, Ocean Harbour (Südgeorgien)

Trotz der langen Nacht gestern, bin ich heute schon weit vor dem Wake-Up Call wach. Die nächtliche Fahrt war sehr ruhig, aber jetzt spürt man schon den ein oder anderen heftigen Wellengang. Irgendwie habe ich heute Morgen mit Nebel gerechnet. Wir hatten den letzte Nacht schon und man konnte auch kein Maschinengeräusch hören. Aber mein kurzer Blick aus dem Bullauge zeigt völlig überraschend blauen Himmel und gute Sicht auf die Berge.

Ich ziehe mich an und schnappe mir die Kamera. Von der Lounge auf Deck 5 kann man sehen, dass die Fenster nass von der Gicht sind. Ich bekomme kaum die Außentür auf. Die Stahltüren wiegen Tonnen und man muss höllisch aufpassen, dass sie nicht bei starken Wellengang in die entgegengesetzte Richtung schwingen und einen zerquetschen.

Der Wind an Bord ist eisig, aber der Blick auf die Berge und die schönen Wolken ist das etwas frühere Aufstehen wert. Mindestens die Hälfte aller Passagiere sind ebenfalls schon in der Lounge. Ali und Jim fangen zwei Vögel (ich glaube, es waren Antarktische Seeschwalben) an Deck ein und werfen sie in die Luft. Sie wurden nachts von unseren Scheinwerfern angelockt und hatten es sich an Deck gemütlich gemacht. Manche Vögel kotzen als Abwehrmechanismus und Ali soll was davon abbekommen haben.

Die Plancius steuert auf Land zu und biegt in die Godthul Bucht ein. Hier ist das Wasser schön ruhig und ich mache noch in aller Ruhe ein paar Panoramabilder. Nach dem Frühstück geht es leicht verspätet an Land. Helen und ich werden von einer hohen Welle erwischt, da Ab das Boot nicht direkt an der Landestelle halten kann. Wir bekommen beide eine ordentliche Ladung Wasser in die Gummistiefel. Scheiße! Denn es ist eine 6km lange Wanderung zu einem etwa 300m hohen Aussichtspunkt angesagt.

Da am Strand zu viele mausernde Vögel und See-Elefanten liegen, müssen wir direkt vom Zodiac aus einen steilen Pfad durch das Tussock Gras folgen. Die Crew hat rote Fahnen in den Boden gesteckt. Der Untergrund ist matschig und die Grasstufen sind zum Teil recht hoch. Ich halte mich viel am Tussock Gras fest.

Weiter oben sehen wir die ersten Eselspinguine. Überall fliegen ihre weißen Federn herum. Heute Vormittag sind die Pinguine aber fast Nebensache. Die Plancius liegt in einer wunderschönen Bucht und der Blick auf die Graslandschaft, die Berge und die schönen Wolken ist einfach fantastisch.

Blick auf die Bucht in Godthul - 360° Panorama
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Hier und da liegt ein Rentiergeweih herum. Die ursprünglich von Norwegern eingeführten Rentiere wurden vor ein paar Jahren alle abgeschossen und so langsam aber allmählich wächst das Tussock Gras nach. Der Wind wird immer heftiger. Wir hatten beim Frühstück bereits 40 Knoten und später sollte das dann auf 55 Knoten steigen - das entspricht fast 100 km/h. Die Taucher an Bord können deswegen nicht ins Wasser, machen aber ersatzweise eine Zodiacfahrt rund um die Bucht herum.

Wir genießen die Aussicht, aber auch endlich mal die Bewegung. Es geht stetig bergan und ich habe viel zu viele Klamotten an. Nach und nach ziehe ich was aus. Wir haben nicht mal was zu trinken dabei. Endpunkt der Wanderung ist der Gipfel eines kleinen Hügels. Die lockeren Steinplatten sind nicht einfach zu navigieren, aber etwa 20 hartgesottene Passagiere schaffen es ohne Stolpern bis nach oben und auch heil wieder runter. Der 360 Grad Blick ist super, aber der Wind so heftig, dass man kaum mit ruhiger Hand noch ein Foto machen kann.

Blick von oben - 360° Panorama
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Auf dem Rückweg sehen wir noch zwei Riesensturmvögelküken auf ihren Nestern und erneut die Eselspinguine. Zurück an Bord ziehen wir uns die nassen Gummistiefel aus. Catherine besorgt uns zwei neue trockene Paare für den Nachmittagsausflug. Wir waschen unsere Socken und hängen diese zusammen mit meinen klitschnassen Einlagen auf den Handtuchhalter im Badezimmer.

Das Mittagessen um 12.45 Uhr ist wie immer lecker. Linsensuppe, Reis mit Königsberger Klopse, Spaghetti und die üblichen Salate. Wir sind wieder auf offener See und die Wellen nehmen zu. Vorsichtshalber schließt die Crew alle Außentüren und im Speisesaal müssen wir doch das ein oder andere Mal unsere Teller und Suppenschüsseln festhalten.

Wir sind in Richtung St. Andrews Bay unterwegs. Hier sollen 500.000 Königspinguinpaare am Strand stehen. Leider ist die Bucht groß und liegt mehr oder weniger ungeschützt. Die Crew trifft die Entscheidung, dass eine Landung bei diesen Windstärken aus Sicherheitsgründen leider nicht möglich ist. Es herrschen immer noch 35 Knoten. Schade! Immerhin entschädigt uns ein wunderschöner Regenbogen über dem Wasser.

Aber es gibt einen Plan B. Die Plancius dreht um und wir fahren zurück in die Bucht von Ocean Harbour. Die Zodiacs werden in zwei Gruppen eingeteilt. Wir sind in der zweiten und gehen gegen 17.30 Uhr von Bord. Die Zodiacs haben Probleme überhaupt einigermaßen sicher an der Gangway zu parken. Manchmal ist der Abstand von Steg zu Zodiac über einen Meter und man muss den richtigen Zeitpunkt abpassen, um den Schritt auf das Zodiac zu machen. Einige rutschen auf der glatten Zodiackante aus uns fallen zum Glück ins Boot und nicht ins Wasser. Helen und ich haben Glück und wir schaffen es dieses Mal trocken ins Boot und am Strand auch wieder trocken an Land.

Der Wind wirbelt durch die Bucht und man sieht richtige Wasserhosen über das Wasser schießen. Am Strand wird der Sand heftig aufgewirbelt. Super für Fotos! Fellrobben und See-Elefanten werden genauso paniert wie wir. Hauptattraktion in der Bucht ist ein altes, total verrostetes Walfangboot - die Bayard - ein Dreimaster, der hier 1911 strandete.

Wir haben gut 90 Minuten für den Landgang. Leider geht die Sonne sehr schnell unter, aber wir können froh sein, dass wir überhaupt bei diesem Wind an Land gehen konnten. Die Robben bieten wie immer gute Unterhaltung.

Der Rücktransport zur Plancius dauert ein wenig. Der Wellengang hat zugenommen und das Aussteigen vom Zodiac an Bord muss gut getimed werden. Uns stört das die Bohne, denn am Strand gibt es nach wievor viel zu fotografieren. Aber einem Deutschen Paar geht das Warten auf die Nerven. Ich höre, wie er zu seiner Frau sagt, was für eine beschissene Organisation das ist. Ständig dieses Warten! Da ich meine Klappe nicht halten kann, versuche ich ihm vernünftig zu erklären, dass die Sicherheit aller Passagiere vorgeht und wenn das dann mal ein wenig länger dauert, ist das auch nicht so schlimm. Er ranzt mich an ... wir wollen hier in dieser Einöde nicht übernachten ... blablabla. Ich habe keine Lust auf solche Stänker und gehe weiter.

Carol organisiert den Zodiaceinstieg. Rechts und links sollen sich jeweils fünf Passagiere in einer Reihe aufstellen. Sobald das nächste Zodiac kommt, soll es Marsch-Marsch bestiegen werden. Sie zählt unsere Gruppe durch und stutzt. Ich sehe, wie neben mir die Frau von dem Deutschen Stinker nicht in einer der beiden Reihen, sondern mitten zwischen den Reihen steht. Ich weise sie auf Deutsch freundlich darauf hin und frage, in welcher Reihe sie anstehen will. Da brüllt mich der Stinker mit folgenden Worten an: "Jetzt reichts! Dann übernachten wir eben hier auf dem Strand, wenn Sie das so wollen!"

Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, dass das vielleicht das Beste wäre. Laut sage ich dann zu Helen, dass der Typ ein Idiot ist und das solche Leute besser nicht auf eine Kreuzfahrt in die Antarktis gehen sollten. Die Amis in der Warteschlange verstehen zwar den Deutschen Wortwechsel nicht, können aber erahnen, was da gerade abgeht. Warum sind es eigentlich immer Deutsche, die sich beschweren müssen? Kein Wunder, dass wir so einen schlechten Ruf haben!

Der Witz ist, dass ich nicht mit aufs Zodiac komme, da sich seine Frau auch noch vorgedrängt hat. Nicht, das mich das sonderlich stört ... dann nehme ich eben das nächste Zodiac. Das Abendessen an Bord gibt es eh erst, wenn alle Passagiere anwesend sind. Wo ist da die Eile? Ist doch viel schöner an Land!


Tag 9: Landausflug zur Godthul Bay und Ocean Harbour (Südgeorgien)

Zum Abendessen gibt es geräucherten Lachs, gefolgt von Rinderbraten mit Blumenkohl und gerösteten Kartoffeln. Zum Glück ergattern wir heute Abend beide eine extra Portion vom super leckeren Schokoladen-Käsekuchen. Das Wandern im vielen Wind macht echt hungrig!

Jims Recap ist heute erst um 21.30 Uhr. Und wir erfahren, dass für morgen frühes Aufstehen geplant ist. Der Wake-Up Call soll schon um Viertel nach Fünf sein. Das gibt uns nicht viel Zeit zum Schlafen! Plan A ist eine Landung bei der Cooper Bay. Dort gibt es große Kolonien von Kehlstreif- und Goldschopfpinguinen. Sollte diese Landung wettertechnisch nicht klappen, dann geht es gemäß Plan B in den Larsen Harbour. Anschließend folgt die Fahrt in den Drygalski Fjord. Und ab Mittag soll es dann auf offener See in Richtung South Sandwich Islands gehen. Hört sich gut an!

Bis wir geduscht haben, ist es schon 22.35 Uhr - nicht einmal sieben Stunden Schlaf für uns. Gääähn!

22.02.2016: Tag 10 - Drygalski Fjord (Südgeorgien) und Seetag auf dem Weg zu den South Sandwich Inseln

Der Wake-Up Call kommt "erst" um 6.25 Uhr. Ein Blick aus dem Bullauge sagt uns sofort warum. Das Wetter ist scheiße! Wir sind an der Südspitze von Südgeorgien und es regnet in Strömen. Jim berichtet uns von über 30 Knoten Windgeschwindigkeit. Ein Sturmtief zieht gerade durch diese Region und die Landungen in Cooper Bay und im Larsen Hafen müssen abgesagt werden. Einfach zu gefährlich.

Stattdessen biegt das Schiff bereits in den Drygalski Fjord ein. Trotz Nebel und Nieselregen stehen wir noch vor dem Frühstück alle oben auf der Brücke. Rechts und links kann man hängende Gletscher erahnen und die Plancius ist von Sturmvögeln umzingelt. Schade, das die Sonne nicht scheint. Aber das Wetter kann man leider nicht ändern. Die Fahrt in den Fjord dauert eine Stunde, dann dreht der Kapitän die Plancius wieder um. Wir gehen frühstücken und um 8.30 Uhr erreichen wir wieder das offene Meer.

Der Wellengang ist zu spüren, draußen herrscht eisiger Wind bei 5°C. Wir sehen auf der Wetterkarte, dass über Ushuaia bereits das nächste Tief angerollt kommt. Der Kapitän gibt Vollgas. Wir wollen bis morgen Nachmittag die South Sandwich Inseln erreichen, und das möglichst bei moderatem Wellengang.

Wie immer an Seetagen werden Vorträge gehalten. Ali ist wieder dran und erklärt die vielen Merkmale der verschiedenen Pinguinarten. Ich lasse diesen Vortrag aus, da ich vieles davon schon kenne. Roxana, von der Darwin Expedition Tour in Puerto Deseado, hatte mir vor ein paar Wochen ja das tolle Smithsonian Buch über Pinguine gegeben. Stattdessen arbeite ich an den Bildern und Videos, die wir bereits auf dieser Kreuzfahrt gemacht haben. Alleine nur das Löschen und Beschriften dauert ewig lange. Einfach zu viele Bilder! Aber vermutlich werden wir diesen Teil der Welt nur einmal im Leben bereisen. Besser mehr, als zu wenig davon festhalten.

Helen geht zum Pinguin-Vortrag und fasst das Wichtigste wie folgt zusammen:

Es gibt 17 verschiedene Arten von Pinguinen auf der Welt. Alle auf der Südlichen Hemisphäre. Wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sieben davon auf dieser Kreuzfahrt sehen. Den mit 1.1m größten Pinguin der Welt, den Kaiserpinguin, werden wir wohl eher nicht zu Auge bekommen. Sie verbringen den Winter auf dem Packeis in der Antarktis (bei -60°C!) und können zu dieser Jahreszeit nur mit sehr viel Glück auf einer Eisscholle gesichtet werden.

Der kleinste Pinguin der Welt mit nur 45cm Höhe ist der Blaue Zwergpinguin. Diesen habe ich 1997 schon mal im Süden von Australien gesehen. Sie sind auch in Neuseeland weit verbreitet. Den zweitgrößten Pinguin der Welt, den Königspinguin, haben wir ja schon einige Male auf dieser Reise gesehen. Königspinguine haben einen 15-monatigen Brutzirkel, deswegen sieht man in einer Kolonie die Erwachsenen und Küken immer in den verschiedensten Phasen - von frisch geschlüpft bis hin zur fast fertigen Mauser.

Goldschopfpinguine (Macaroni) haben ihr Englischen Namen von den Federhüten Italienischer Herren bekommen. Sie sind Anzahl-mäßig die meisten Pinguine der Welt, haben eine sehr kurze Brutzeit und nisten in relativ unzugänglichen Gebieten wie z.B. Südgeorgien.

Eselspinguine (Gentoo) sind die drittgrößten Pinguine und brüten auf den Falkland Inseln und weiter südlich. Sie können ihre Eier nicht im Schnee legen, müssen also warten, bis dieser geschmolzen ist. Ihre Nester werden aus kleinen Kieselsteinen gebaut, die MANN sich auch gerne mal gegenseitig klaut.

Die größte Kolonie von Kehlstreifpinguinen (Chinstrap) befindet sich auf Zavodovsky Island (eine der 11 South Sandwich Islands). Hier nisten 1.5 Millionen Paare! Adeliepinguine haben Federn auf ihren Schnabel, um sie vor der eisigen Kälte zu schützen. Es ist die am südlichsten brütende Pinguinart der Welt.

Pinguine leben bis zu 15 Jahre, Esels-, Königs- und Kaiserpinguine häufig länger. Auf einer Fläche von 2,5cm x 2,5cm haben sie 100 Federn, was für eine exzellente Isolierung gegen die Kälte an Land und im Wasser sorgt. Sie haben eine Drüse, die das Salz aus dem Salzwasser entfernt und sie essen auch Schnee, wenn es sein muss, um zu trinken. Königspinguine können bis zu 500m tief tauchen!

Das Mittagessen besteht heute aus einer Minestrone, Hühnercurry mit Basmatireis. Auf die angekündigten Poppadums müssen wir verzichten. Der Wellengang ist zu hoch, um in der Küche Fett zum Frittieren heiß zu machen.

Wir rutschen erneut im Speisesaal hier und da mal auf den Stühlen und müssen das Geschirr und Besteck festhalten. Ein Passagier kippt mit seinem Stuhl sogar um und landet auf dem Hosenboden. Seekrank sind wir und die meisten anderen aber nicht. Das Schiff sackt hier und da mal in ein Wellental, aber im Vergleich zu dem, was man hier normalerweise erwarten kann, ist es noch relativ harmlos. Wir sind dankbar dafür!

Der Nachmittagsvortrag wird von einem der Passagiere gehalten. Dr. Michael Lang gehört zur Gruppe der DUI-Taucher und unterrichtet an einer Amerikanischen Universität. Sein Vortrag "Bipolar Diving and Biodiversity" gibt uns Nicht-Tauchern einen guten Einblick, wie es unter Wasser in den beiden Polarregionen aussieht.

Kurz vor dem Vortrag, erwischt uns eine hohe Welle. Helen hat gerade neben mir Platz genommen und findet sich zwei Sekunden später auf dem Gang wieder. Ihr Sitzkissen ist nicht richtig befestigt gewesen und sie rutscht mit samt Kissen von der Bank. Eine kleine Arschlandung, bei der sie sich aber nicht weh tut.

Ich bin total müde während und nach Michaels Vortrag und lasse deswegen Carols Vortrag zur Geschichte von Südgeorgien aus. Ich muss mich hinlegen! Helen hört sich den Vortrag an und geht anschließend auf die Brücke. Wir haben 4 bis 6m hohe Wellen und teilweise neigt sich die Plancius um 30 Grad. Umkippen soll sie nicht können, sagt die Crew. Aber ob das stimmt? Jedenfalls sehen wir mehr und mehr Passagiere mit Pflastern hinter den Ohren gegen Seekrankheit. Bei mir kommt ab und zu zwar mal kurz ein flaues Gefühl im Magen auf, aber das geht schnell wieder weg. Tabletten oder Pflaster nehme ich erst einmal nicht.

Links von Schiff taucht am späten Nachmittag Land auf. Das kann doch gar nicht sein! Da gibt es nichts laut Karte. Wir erfahren, dass es sich um einen gewaltigen Tafel-Eisberg handelt. Er hat sogar einen Namen: B17 A, und soll 29km lang sein. Vor zwei Jahren brach er von der Antarktis ab und driftet nun im offenen Meer herum. Alles was wir im Nebel davon sehen, ist eine riesige weiße Fläche mit einem Halo in der Luft. Die Eiskristalle werden durch den Wind nach oben gewirbelt und leuchten unter den dunklen Wolken. Wir erreichen das Ende des Eisberges während des Abendessens.

Vor dem Abendessen gibt es ein langes Recap über all das, was wir in Südgeorgien gesehen haben. Einfach super, was wir alleine schon bis heute auf dieser Reise erleben durften!

Zum Abendessen gibt es Leberwurst auf Pumpernickel und süßem Zwiebelsalat als Vorspeise, Kassler mit Honig glasiert auf warmen Kartoffelsalat und Kohl (für Helen), sowie Pappardelle Pasta mit Arugula und Cherry-Tomaten (für mich), und Kokosnuss Panna Cotta zum Nachtisch. Helen hasst alles mit Kokosnuss und isst stattdessen eine Banane! Ist doch viel gesünder, Babes!

23.02.2016: Tag 11 - Seetag zu den South Sandwich Islands

Wake-Up Call ist um 7.45 Uhr. Wir wundern uns ein wenig, dass Jim die Zeit auf 8.45 Uhr ankündigt. Hat er uns endlich mal ausschlafen lassen oder haben wir eine Zeitzone überschritten? Nein, er hat sich nur geirrt. Wenn es nach uns ginge, könnten die uns an Seetagen ruhig mal eine Stunde später als sonst wecken. Aber dann verpasst man sicherlich auch wieder etwas Spannendes. Also Augen auf und hoch mit dem Hintern! Frühstück wartet schon!

Christian hält heute Morgen einen Vortrag über Eis - Gletschereis, Meereis, Polarkappeneis usw. Im Eis der Antarktis sind Gase aus unserer Atmosphäre in den vielen kleinen Luftlöchern eingeschlossen. Anhand derer können heute Wissenschaftler das klimatische Geschehen auf unserem Planeten für mehrere Hunderttausende von Jahren zurückverfolgen. Forscher haben teilweise über 3000m tief gebohrt. Das Eis dort wurde auf 800.000 Jahre geschätzt. Man vermutet, dass das älteste Eis in der Antarktis etwa 1.5 Millionen Jahre alt ist. Die Durchschnittsdicke des Eises über die gesamte Antarktis verteilt, liegt bei etwas über 1800m. An einer Stelle misst es sogar 4776m. Wahnsinn!

Christians Vortrag wird durch das laute Geräusch des Schiffshorns unterbrochen. Über die Bordanlage erklärt uns Jim, dass wir gerade Leskov Island passieren - die erste der elf South Sandwich Islands. Sie wurde nach einem Russischen Landsmann bezeichnet und unser Russischer Kapitän salutiert von der Brücke der Plancius als Zeichen des Respekts. Die Insel versteckt sich aber im Nebel und wir können gerade mal die Konturen erahnen.

Vor und nach dem Mittagessen heißt es wieder Klamotten und Rucksäcke absaugen. Die South Sandwich Islands sind ebenfalls geschützt und unterstehen den IAATO Bedingungen. Zum Mittagessen gibt es heute Champignonsuppe, Spaghetti Carbonara und Obstsalat.

Um 14 Uhr ruft uns Jim zusammen, um uns über die geplanten Landausflüge auf den South Sandwich Islands zu informieren. Wir haben eine Landeerlaubnis für die Candlemas, Saunders und Thule Inseln. Die 1.5 Millionen Kehlstreifpinguine auf Zavodovsky Island sind nicht auf dem Plan. Schade! Acht der elf South Sandwich Islands sind aktive Vulkaninseln und die Landestellen sind alle nicht sehr geschützt. Wir müssen damit rechnen, dass bei starkem Wellengang keine Landung möglich ist, aber die Crew wird ihr bestes geben, um das machbar zu machen. Schließlich wurde diese Reise speziell für diese Landung und die Tauchgänge auf den South Sandwich Islands zusammengestellt.

Tobias gibt uns anschließend Infos zur Geologie der Inseln, Carol beschreibt den historischen Hintergrund und Ali bereitet uns auf die möglichen Tiersichtungen vor. Am späten Nachmittag erreichen wir dann Candlemas Island. Von weitem kann man schon erkennen, dass die Brandung zu hoch für einen Landausflug ist. Der Kapitän fährt auf die andere Seite der Insel auf der Suche nach einem besseren Landeplatz, aber hier sieht es leider genauso schlecht aus. Wir erkennen im Nebel die schroffen Lavafelsen und es werden auch die Wasserfontänen von zwei Buckelwalen von der Brücke aus gesehen. Sie sind aber zu weit weg. Dafür springen direkt neben der Plancius Kehlstreifpinguine aus den Wellen. Gar nicht einfach, die auf den Fotochip zu bannen!

Der Kapitän und Jim beschließen weiter südlich zur Saunders Island zu fahren, damit wir dort morgen unser Landeglück probieren können. Allerdings sieht der Wetterbericht für morgen noch schlechter aus. Die Fahrt dauert 4 bis 5 Stunden. Wir befinden uns in ungecharterten Gewässern. Nur sehr, sehr selten kommen Schiffe hierher und der Kapitän und seine Crew müssen sich auf den Tiefenmesser und ihr gutes Auge verlassen. Wir sind schon dreiviertel um die Candlemas Insel herum, aber der Kapitän sieht auf seinen Messgeräten, dass die Wassertiefe abnimmt. Die Plancius dreht vorsichtshalber um. Auf Grund laufen wollen wir hier nicht. Da kann uns niemand zur Hilfe kommen. Hohe Konzentration ist auf der Brücke gefragt und wir dürfen die Crew nicht stören.

Kelvin erzählt uns anschließend noch sehr anschaulich, wie groß der gestrige Eisberg B17 A ist. Seine Computeranimation Eisberg im Vergleich zu London ist schon eindrucksvoll. Der Eisberg misst ca. ein Drittel der Londoner Gesamtfläche, ist etwa 30m oberhalb der Wasseroberfläche und bis zu 330m unterhalb. Ein echter Gigant!

Ein Passagier hebt nach dem Recap die Hand und fragt, ob sich der Besuch auf den South Sandwich Islands wirklich lohnt oder ob man nicht lieber gleich direkt zur Antarktischen Halbinsel fahren soll. Die Frage kommt bei Jim und den DUI-Tauchern gar nicht gut an und der Vorschlag wird kurz und bündig abgelehnt. Ende der Diskussion!

Nach dem Abendessen (Sonnen-getrocknetes Tomatenrisotto, Rumpsteak mit Mais- und Bohnen Kasserolle (Helen), Forelle mit Gemüse aus der Folie und Kartoffelpurree, Tiramisu) erzählt uns Christian in seiner Storytime wie es sich im kalten und sehr dunklen Winter auf Spitzbergen aushalten lässt. Nicht jedermanns Sache!

24.02.2016: Tag 12 - Saunders Island (South Sandwich Islands)

Wake-Up Call ist um 7.45 Uhr. Wir sind nur noch wenige Kilometer von Saunders Island entfernt. Der Wind hat noch mal zugenommen - 43 Knoten im Schnitt mit Böen von bis zu 70 Knoten (fast 140km/h!). Außentemperatur ist 1°C, es ist neblig und erneut nichts zu sehen. Enttäuschend!

Wir sitzen noch am Frühstückstisch als über das Bordmikrofon die Ansage kommt, dass es direkt vor uns Buckelwale gibt. Da alle Außendecks geschlossen sind, eilen viele Passagiere erst einmal in die Lounge. Schneeregen und eisiger Wind hält die meisten davon ab, über die Brücke nach draußen zu gehen. Aber der Buckelwal springt mehrfach direkt neben dem Boot. Ich renne in unser Zimmer, schmeiße mich in die warmen Klamotten und schnappe mir die Kamera.

Das Schiff ist gewaltig am schwanken und der Kapitän lenkt per Hand die Plancius, um uns nahe beim Buckelwal zu halten. Wir sehen ihn nochmals komplett aus dem Wasser kommen, aber mir gelingen keine Videos und Fotos davon.

Um 10.30 Uhr sollte Carols Präsentation von der Shackleton Expedition sein, doch fünf Minuten vorher kommt die Ansage, dass die Brücke einen Blauwal gesichtet hat. Natürlich rennen alle los und viele Hartgesottene treffen sich draußen an den Eingängen zur Brücke. Nach wenigen Minuten frieren einem schon die Finger ein. Der Windfaktor liegt definitiv bei mehreren Grad Celsius im Minus. Wir sehen die gewaltige Wasserfontäne des Wales drei, vier Mal hintereinander, dann taucht er ab und wir warten 10 Minuten auf das Wiederauftauchen. Viel kann man mit dem bloßen Auge und auch durch die Kameralinse nicht sehen. Ein langen braunen Rücken, ab und zu mal die Atmungslöcher und die kleine Rückenflosse.

Carols Vortrag wird abgesagt. Das Mittagessen ist heute auf die South Sandwich Islands abgestimmt - es gibt den South Sandwich Sandwich. Einen Croque mit Tomaten, Salami, Käse, Schinken und Roastbeef. Die Vorspeise ist eine Tomatensuppe. Helen liebt den Nachtisch - Vanille Custard mit Beerenkompott.

Kapitän und Expeditionsleiter fahren mehrere mögliche Landestellen auf der Saunders Insel an, aber mit bloßem Auge kann man schon erkennen, dass ein Landausflug heute unmöglich ist. Wir müssen halt Geduld haben. Das ist Natur und das Wetter kann halt niemand ändern.

Stattdessen hält Amos Nachoum, unser Profifotograf von der DUI-Truppe, einen Vortrag zum Fotografieren von Natur. Seine Bilder sind einzigartig und er erklärt uns im Detail, wie und warum er diese Bilder gemacht hat. Man merkt, da ist noch einer vom alten Handwerk am reden. Nichts mit wilder Klickerei mit einer Digitalkamera. Jedes Fotoshooting ist bestens vorbereitet und geplant. Natürlich gehört auch viel Glück dazu. Wir sehen Bilder von Weißen Haien, aggressiven Seeleoparden und einem Blauwal, den er in der Sea of Cortez bei der Baja California geschossen hat.

Aber auch sein Vortrag wird durch eine Bordansage unterbrochen und muss beendet werden. Blauwale direkt neben der Plancius! Dieses Mal stürmen wir alle mit der Kamera an Deck. Tatsächlich, gleich drei dieser Giganten schwimmen keine 100m von der Plancius entfernt. Zwei davon haben eine bräunliche Haut, einer ist tatsächlich bläulich. Ihre Wasserfontänen schießen bis zu 10m in die Höhe. Dennoch sieht man nicht allzu viel. Luftlöcher und ein sehr langer Rücken mit einer kleinen Rückenflosse. Die Heckflosse sieht man beim Eintauchen nicht. Trotzdem sind wir begeistert, denn gleich drei dieser sehr seltenen Wale auf einmal zu sehen, ist schon was besonderes. Mit fast 30 Meter Körperlänge ist es das größte Lebewesen, das es jemals auf diesem Planeten gegeben hat. Ali erzählt mir, dass sie auf einer der vorherigen Touren einen Blauwal direkt an der Schiffswand hatten und von oben drauf gucken konnten. Dieses Glück haben wir heute leider nicht.

Um 17.15 Uhr wird uns die BBC Dokumentation "Frozen Planet" gezeigt. Ich lasse die mal wieder aus und arbeite wieder an den Bilder und Videos. Sie ist Teil der Blue Planet Serie und die haben wir, wenn ich mich richtig erinnere, auf DVD im Winnie. Hoffentlich stimmt das auch!

Die Buckel- und Blauwale haben uns heute ein wenig dafür entschädigt, dass wir leider nicht an Land gehen konnten. Langsam wird aber die Zeit knapp und Jim deutet im Recap an, dass wir unter Umständen eine oder zwei Landausflüge auf der Antarktischen Halbinsel streichen müssen. Aber der Wetterbericht für morgen sieht sehr vielversprechend aus. Der Wake-Up Call ist für 4.45 Uhr geplant. Stöhn ... und das an meinem 50igsten Geburtstag! Egal, Hauptsache wir landen!

Catriona und Jeff laden uns zum Abendessen an ihren Tisch ein. Uns ist da noch nicht bewusst, dass Catriona heute ihren Geburtstag feiert. Wir kommen etwas später in den Speisesaal und es ist nur noch ein Stuhl am Tisch frei. Ein netter Herr aus Deutschland hat sich unwissend mit an den Geburtstagstisch gesetzt. Jetzt noch einen Stuhl dazuzustellen, würde es sehr eng am Tisch machen und so beschließe ich mich an den Nebentisch mit Caro und Jana zu setzen. Ist wie immer lustig mit den beiden!

Heute Abend gibt es Palmherzen Salat als Vorspeise, Lamm- und Linsen-Korma mit Reis und Poppadums (ich), Gemüse-Korma mit Reis und Poppadums (Helen), Schokoladen-Mousse und als Sondernachtisch noch die Geburtstagstorte von Catriona. Helen erzählt mir später, dass ein Weinglas am Tisch bei einer hohen Welle umgekippt ist und damit die Torte getränkt hat. Hat trotzdem gut geschmeckt.


Tag 10 - 12: Drygalski Fjord und Seetage auf dem Weg zu den South Sandwich Inseln.

Nach dem Essen haben wir schnell geduscht und noch die Tagebücher geschrieben. Wir wollten früher ins Bett, um genügend Schlaf zu bekommen, aber unsere Köpfe wollten partout nicht abschalten. Irgendwie sind wir nervös bei dem Gedanken, dass wir morgen früh unter Umständen eine sehr schwierige Landung haben werden. Jim hat während des Recaps auch noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass Passagiere, die nicht fit auf den Beinen sind, lieber an Bord bleiben sollten. Hier draußen darf niemanden etwas passieren. Der Weg zum nächsten Krankenhaus ist extrem weit! Uns schwebt das alles in den Köpfen herum und vor 1 Uhr nachts schlafen wir nicht ein. Keine vier Stunden später wurden wir schon wieder geweckt. Aber dazu mehr im nächsten Bericht.