25.02.2016: Antarktis Kreuzfahrt - Tag 13: Saunders Island (South Sandwich Islands)

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25.02.2016: Tag 13 - Saunders Island (South Sandwich Islands)

Wake-Up Call ist wie angesagt um 4.45 Uhr. Wir stehen sofort energiegeladen auf. Das Adrenalin pumpt schon durch unsere Adern. Helen wacht schweißgebadet auf, gibt mir einen Geburtstagskuss und geht dann direkt unter die Dusche. Draußen ist es bewölkt, die Sicht ist aber okay. Die Temperatur liegt bei 1°C und wir haben nur 2 Knoten Windstärke. Das sieht gut aus für eine Landung auf den South Sandwich Islands. Jim und ein paar ausgewählte Crew Mitglieder fahren rüber zur Saunders Insel und gucken sich den besten Strandabschnitt aus. Es dauert nicht lange und Thijs gibt über die Bordsprechanlage die Info durch, das Gruppe Alpha um 5.30 Uhr in die Zodiacs springen soll.

Ich schmeiße mich in meine Klamotten und renne dann in die Lounge, um uns zwei Säfte und etwas Gebäck zu holen. Dieses Abenteuer auf leeren Magen zu starten ist vielleicht nicht so eine gute Idee. Pünktlich um 5.30 Uhr stehen wir bereit. Unseren wasserdichten Sack befestigen wir hinten auf meinen Rücken an den Schwimmwestenschnüren, denn heute heißt es: beide Hände frei und keine Gurte quer über der Schwimmweste.

Ich habe vielleicht drei Stunden geschlafen und lag die halbe Nacht angespannt im Bett. Meine größte Sorge ist eigentlich das Ein- und Aussteigen von der Plancius in die Zodiacs und wieder zurück, aber die See ist am Boot relativ ruhig mit vielleicht 50cm auf und ab. Ich führe das zweite Zodiac an. Christian ist unser Fahrer und keiner von uns hat Probleme ins Zodiac zu kommen. Die Überfahrt dauert etwa vier Minuten und Christian drosselt schon etwa 100m vor dem Strand den Motor. Jim zeigt ihm an, wo genau er an Land gehen soll. Ab, Tobias, Nacho und Jim warten schon auf uns. Christian passt die richtige Welle ab und wir driften auf den Strand zu. Die vier laufen auf uns zu und drehen das Zodiac um 180 Grad, damit wir hinten aussteigen können. Sie sind bis zur Hüfte im Wasser, haben aber entweder einen Trocken-Tauchanzug oder lange Anglerhosen an. Wir erwischen ein einfaches Aussteigen und werden alle nicht nass. Puh!

Kurze Zeit später wird uns dann bewusst, dass wir tatsächlich auf einer der 11 South Sandwich Inseln stehen. Dieses Jahr waren es bis dato nur ganze sechs Menschen. Seit Jahren ist kein kommerzielles Kreuzfahrtschiff mehr zu den South Sandwich Islands gefahren. Also wirklich etwas ganz besonderes an meinem 50igsten Geburtstag!

Carol hat die Aufgabe uns über die aggressiven, und sehr großen Fellrobben zu warnen, während wir unsere Schwimmwesten ausziehen. Direkt hinter ihr erkennen wir neben Tausenden von Kehlstreifpinguinen auch vereinzelt Goldschopfpinguine mit ihren gelben Kopffedern. Super!!!!

Die Insel ist eindeutig eine aktive Vulkaninsel. Dunkle Lavaberge und -rinnen unter einer teilweise gefrorenen Eisschicht und oben drauf die Schwarz-Weißen Kehlstreifpinguine. Die beiden Krater kann man schwach unter der Wolkendecke erkennen. Was für eine fantastische Umgebung und Natur! Das sieht man wirklich nur hier auf den South Sandwich Islands und da ist es nicht mal schade, dass die Sonne nicht scheint. Im Gegenteil, die tiefen Wolken gemischt mit Vulkandampf machen das Ganze mystisch und irgendwie bedrohlich. Auch von der Lautstärke her - die Fellrobben röhren, die Pinguine schnattern. Und überall sieht man riesige Sturmvögel mit blutroten Köpfen, die sich über die vielen toten Pinguine hermachen.

Wir haben drei Stunden Zeit, um in aller Ruhe alles auszukundschaften. Ali hat überall Fahnenstangen aufgestellt, die am Strand entlang mitten durch die aggressiven Fellrobben und dann auf einen Hügel hoch führen. Carolin hat Muffen vor den Fellrobben, aber wir bilden mit mehreren Leuten eine große Gruppe und laufen gemeinsam los. Diese Taktik klappt hervorragend. Hier und da kommt zwar mal so ein Vieh auf uns mit offenem Maul zu, aber meistens drehen sie drei Meter von uns entfernt wieder ab. Wir können sogar in aller Ruhe Fotos machen.

Der Hang ist ganz schön matschig und Helen und ich sehen von unten, wie Jana und Caro einer Holländerin helfen, die gerade gefährlich am Abrutschen ist. Wir haben aber keine Probleme und beobachten in aller Ruhe die Pinguine rechts und links. Es gibt sogar ein paar wenige Eselspinguine hier. Wow! Drei verschiedene Pinguinarten an einem Fleck! Spitze!

Blick von oben auf Saunders Island - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Von oben hat man einen tollen Blick auf die Lavaspalten. Die sehen aus wie die Sandstein-Canyons im Süden der USA und sind voll besetzt mit Pinguinen. Es gibt richtige Pinguin-Highways hier, die teilweise noch mit Eis und Schnee gefüllt sind. Ich beobachte, wie ein Pinguin Schnee frisst. Viele sind mitten in der Mauser und versuchen damit Energie zu sparen, denn der Watschelgang zum Wasser runter und wieder hoch kann anstrengend werden. Kurze Zeit später fängt es ein wenig an zu schneien und manche Pinguine schnappen sich sogar die Schneeflocken aus der Luft. Cool! Hier und da wird auch noch gefüttert.


Tag 13: Landausflug Saunders Island (South Sandwich Inseln) - Teil 1

Wie beim Skifahren gleiten wir elegant auf unseren Gummistiefeln den matschigen Hang seitwärts wieder runter. Erneut geht es durch die Fellrobben, aber sie haben sich inzwischen an uns gewöhnt und man hat fast das Gefühl, dass ihnen der etwas andere Tagesablauf mit den vielen Menschen gefällt. Die Pinguine lassen sich überhaupt nicht von uns stören und wir fotografieren sie teilweise aus 30cm Entfernung.

Inzwischen hat die Brandung etwas zugenommen und wir beobachten mehrere Zodiacs während des Wiedereinsteigens. Einer der Passagiere fällt schon vor dem Boot über seine eigenen Füße, als justamente eine hohe Welle angerollt kommt. Sie schwappt über ihn rüber und Ali eilt zur Hilfe, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Er steht sichtlich unter Schock. Das Wasser liegt ja auch nur knapp über dem Gefrierpunkt und in dem Alter kann auch mal das Herz kurz aussetzen. Mit vereinten Kräften hievt die Crew ihn aber ins Zodiac. Auf der anderen Seite versucht gerade unsere Englische Brauereitante Christine mit dem Kopf voran sich ins Zodiac zu stürzen. Ihre Beine sind scheinbar zu kurz für das richtige Einsteigen - Füße zum Meer hin ausrichten, Hinsetzen auf die Zodiacwand, Füße nacheinander ins Boot schwingen, zum Platz auf dem Hosenboden entlang der Zodiacwand gleiten und Festhalten. Sie braucht drei Versuche, schafft es aber.

Oh, oh ... das sieht abenteuerlich aus. Die Crew kämpft mehrfach mit den hohen Wellen. Tobias gerät sogar einmal unters Zodiac und wird ein zweites Mal von Kopf bis Fuß nass. Abs Hände (er trägt keine Handschuhe) sind von der Kälte total rot und geschwollen. Jim und die anderen sind auch nirgendwo mehr trocken. Das Ganze Prozedere muss für sie unglaublich anstrengend sein - körperlich und mental. Tobi zieht sich zwischendrin auch schnell mal einen Energieriegel rein. Die Verantwortung für Jim und die anderen ist schon groß. Wir hören, dass zwei Passagiere beim Landen aus dem Zodiac gefallen sind, ein anderer ist mit einem Bein unter dem Zodiac hängen geblieben und alle drei waren Klitschnass. Wenn einem von uns hier ernsthaft was passiert, dann muss das Schiff unter Umständen nach Ushuaia umkehren. Einige waren zum Glück einsichtig und sind gleich an Bord geblieben, aber wir sehen den dicken Australier und auch das blöde Deutsche Paar, mit denen ich mich schon am Ocean Harbour angelegt habe.

Jana, Caro, Helen und ich beschließen gemeinsam das nächste Boot zu nehmen. Wir haben erneut Glück und kommen alle trocken ins Boot. Helen hatte sich vorab die meisten Sorgen über das Wiedereinsteigen in das Zodiac gemacht. Sie hatte schon bei anderen Landungen Probleme ihren Hintern auf die Zodiacwand zu bekommen, aber heute läuft alles super. Catherine fährt das Boot. Es ist ihre erste Zodiacfahrt heute, denn sie war schon mit den Tauchern im Wasser. Der Motor ist ausgegangen und wir sehen, wie sie versucht ihn wieder anzuwerfen. Ali und Co. halten immer noch unser Zodiac fest. Beim ersten Mal klappt es mit dem Anlassen nicht, Catherine versucht es ein zweites Mal und fällt dabei rückwärts über ihre Tauchflaschen. Noch im Sitzen fragt sie Ali, ob der Motor an ist. Ja! Catherine gibt im Sitzen Vollgas und rappelt sich dann anschließend erst auf. Eine hohe Welle schwappt ins Boot aber bis auf unsere wasserfesten Klamotten bleiben wir alle trocken. Wir applaudieren Catherine verbal, denn unsere Hände halten sich an den Spannseilen fest. Die See ist etwas rauh, aber ich fummle die Unterwasserkamera aus der Brusttasche und wage sogar ein Video.

Jetzt mussten wir nur noch sicher auf die Plancius kommen. Erneut haben wir Glück, Zodiac und Gangway verschieben sich maximal um 30cm und alle schaffen es locker an Bord. Was für ein Morgen! Und es ist gerade einmal 9 Uhr. Toll! Ein echtes Erlebnis! Ich merke sofort, wie bei mir das Adrenalin abfällt. Schlagartig habe ich Hunger!

Victor ist noch in unserer Kabine und Helen checkt mal kurz, was er noch so macht. Meine Geburtstagsdeko muss noch fertig werden. Luftballons und eine HAPPY BIRTHDAY Girlande schmücken unser Bullauge. Und was soll ich sagen ... es ist wirklich ein HAPPY BIRTHDAY für mich. So feiert man nicht alle Tage seinen 50igsten Geburtstag.


Tag 13: Landausflug Saunders Island (South Sandwich Inseln) - Teil 2

Wir gehen frühstücken und sehen, das auch die Crew heil zur Plancius zurückkehrt. Jim kommt später in den Speisesaal und setzt sich zu uns. Es gibt keine ernsthaften Verletzungen. Ihm ist es auch gelungen die drei 32 Gigabyte SD-Karten von der stationären Forscherkamera auf Saunders Island zu tauschen - ein Job, den er von der South Georgia Conservation Organisation bekommen hat. Einmal am Tag wird ein Foto von der Kamera gemacht. Später werden diese Fotos dann wissenschaftlich ausgewertet, die Pinguine gezählt und nach Veränderungen von Saison zu Saison geguckt. Unsere Landung heute war also aus mehreren Gründen ganz wichtig.

Die Taucher waren auch im Wasser. DUI stellt die erste kommerzielle Tauchgruppe, die jemals auf den South Sandwich Islands unter Wasser waren. Ein historisches Ereignis! Wir hören später, dass sie aber so gut wie gar nichts gesehen haben, da das Meer zu aufgewühlt ist. Viele von den Tauchern gehen zusätzlich an Land, denn hier tobt der Bär.

Nach dem Frühstück stechen wir wieder in See und es geht in etwa vier Stunden gen Norden zur Candlemas Island. Ein zweiter Tauch- und Landgang ist geplant. Aber daraus wird dann leider nichts. Man kann die Insel im Nebel kaum erkennen. Christian und Jim fahren mit dem Zodiac zum ersten Strand, aber die Brandung ist über 2 Meter hoch. Keine Chance. Der Kapitän bringt uns zu einem weiteren Landeplatz, aber schon durch das Fernglas kann man erkennen, dass die Wellen hier genauso hoch sind. Ganz ehrlich ... ich bin fast froh darüber. Der Morgen hat viel mentale und physische Kraft gekostet, vor allem bei den Crew Mitgliedern, die sich um die An- und Ablandung gekümmert haben.

Zum Mittagessen gibt es Gemüse-Nudel-Suppe, gefolgt von Nasi Goreng und zum Nachtisch Schokoladen- und Pistazieneis.

Das Alternativprogramm für den Nachmittag ist ein Vortrag von Tobias über Vulkane - tolle Fotos und Videos und wie immer ein interessanter Einblick in die wunderbaren Dinge, die auf unserem Planeten passieren. Ich lege mich anschließend für eine Stunde ins Bett, da ich kaum noch meine Augen aufhalten kann. Helen erzählt mir später, dass sich in dieser Zeit draußen Finn- und Buckelwale rund um das Boot bewegt haben. Jims Ansage über das Bordsystem war aber in den Zimmern nicht zu hören. Vermutlich wollte man Passagieren und Crew die Möglichkeit geben, ein Nickerchen zu machen.

Um 18.30 Uhr treffen sich alle in der Lounge zu einem Glas Sekt. Unsere Landung auf den South Sandwich Islands schreibt Geschichte. Jim erzählt uns, dass er heute Nachmittag ein Email vom Gouverneur Südgeorgiens bekommen hat. Seit 2000 haben ganze 362 Menschen die South Sandwich Islands gesehen, davon haben 139 Land betreten. Nicht unbedingt zwangsläufig auf Saunders Island, diese Zahl dürfte also deutlich geringer sein. Wir haben heute die Gesamtzahl mal eben verdoppelt, denn neben den 110 Passagieren, waren viele Crew Mitglieder, darunter auch Offiziere von der Brücke, sowie Thijs und Sava ebenfalls an Land. Vermutlich die größte Anzahl an Menschen, die gleichzeitig diese weit abgelegenen Inseln betreten haben. Keiner an Bord, ob Crew oder Passagiere, war jemals zuvor hier gewesen. Schade, dass der Kapitän auf der Brücke bleiben musste, denn das Wasser war zu tief, um den Anker zu werfen. Da wir uns in ungecharterten Gewässern befinden, ist die Wachsamkeit auf der Brücke groß. Sollten wir hier auf Grund laufen, kann uns so schnell niemand helfen.

Wir gehen anschließend direkt zum Abendessen. Die Vorspeise ist heute geräucherte Makrele auf Gurken. Mein Geburtstagsessen ist sehr lecker: Schweinefilet mit kremiger Polenta, Paprikasoße, Broccoli und Blumenkohl. Der Nachtisch ist eine Überraschung.

Die Lichter im Speisesaal gehen aus und Thijs ergreift das Mikrofon. Er bittet Sonia, Marian und mich nach vorne zu kommen. Unglaublich, aber wahr ... an diesem Tag haben doch tatsächlich gleich drei Passagiere ihren Geburtstag. Und ich hatte ja die Hoffnung, dass ich der erste Mensch auf Erden bin, der jemals den Geburtstag auf den South Sandwich Islands gefeiert hat. Zusammen kommen wir auf 165 Jahre, Marian wird heute 49 und Sonia 66.

Sava überreicht uns Dreien mit einem Geburtstagskuchen mit Kerzen und unseren Namen drauf. Und Pepito, unser Bäcker an Bord, hat noch drei andere große Geburtstagstorten gebacken, denn heute bekommen alle Passagiere Torte zum Nachtisch. Sava und Pepito schneiden sie in Stücke und wir drei Geburtstagskinder verteilen sie an die Tische.


Tag 13: Recap und Geburtstagstorten nach dem Abendessen.

Der nette Abend rundet diesen fantastischen Tag ab. Meinen 50igsten werde ich nicht so schnell vergessen! Um 21.30 Uhr geht mir aber die Luft aus, ich bin todmüde. Schnell unter die Dusche und ab ins Bett. Aber vor 23 Uhr geht das Licht nicht aus, denn Helen schreibt noch stundenlang das Tagebuch. Ein wirklich sehr ereignisreicher Tag!