22.03. - 01.04.2016: Torres del Paine National Park

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Ich stehe früh auf, um mir den Sonnenaufgang über dem Torres del Paine Nationalpark anzuschauen. Draußen windet es sehr. Windböen von bis zu 70km/h kommen frontal auf mich zu und so bin ich gezwungen mir den Sonnenaufgang aus der Fahrerkabine anzuschauen. Am Himmel bilden sich eigenartige Wolken - eine sieht sogar wie ein UFO aus.

Nach dem Frühstück fahren wir die restlichen Kilometer bis zum südlichen Parkeingang. 18.000 Chilenische Pesos (etwa 28US$) pro Person sind kein Pappenstiel, aber der Torres del Paine Nationalpark ist einer der schönsten Nationalparks in ganz Südamerika und wir planen gut 10-14 Tage hier zu bleiben. Da lohnt sich der Eintritt dann schon.

Unser erster Abstecher ist die Fahrt zum Lago Grey raus. Wir waren 2002 schon auf unserer Kumuka-Reise hier und haben damals die tolle Bootstour zum Grey Gletscher gemacht. Heute geht kein einziges Boot. Der Wind pfeift mit inzwischen 80km/h über den See. Das Wasser an der Oberfläche wird vom Wind aufgewirbelt und peitscht auf uns zu. Wir sind auf dem Weg zu einer kleinen Insel, die durch einen Kieswall mit dem Strand verbunden ist. Der Kieswall ist vielleicht 15m breit, 500m lang und rechts und links befindet sich Wasser. Wir haben extremen Seitenwind und können uns kaum auf den Beinen halten. Uns flattert buchstäblich die Hose, denn das ein oder andere Mal können wir gerade noch unsere Hacken in den Boden rammen, bevor wir im Wasser landen. In wenigen Minuten sind wir klitschnass und der Kieselsand brennt wie Nadelstiche auf unseren nackten Hautstellen. Helen eiert wenige Schritte vor mir und kämpft sich unermüdlich weiter. Manchmal ist der Wind schlagartig weg und man fällt fast um, dann kommt er urplötzlich wieder auf und wir "überleben" nur indem wir uns in den Wind setzen - Rücken zum Wind, Arsch runter, Knie beugen, Hacken in den Boden ... aussitzen! In der Gicht bilden sich sogar farbige Regenbogen direkt über dem Wasser. Wir schaffen es nicht einmal bis zur Hälfte des Kieswalls und drehen um.

Stattdessen versuchen wir es mit einer anderen Wanderung. 700 Höhenmeter führen zu einem Aussichtspunkt hoch. Wir schaffen ganze 260m davon. Der Pfad ist schmal, super steil und es ist erneut extrem windig. Einfach zu anstrengend. Na, das fängt ja gut an hier! Zwei abgebrochene Wanderungen und morgen soll schlechtes Wetter sein. Aber so ist das hier im Torres Nationalpark - vier Jahreszeiten innerhalb weniger Stunden, auch im Hochsommer. Das hatten wir 2002 auch schon erlebt.

Wir verbringen eine kostenlose und ruhige Nacht bei der Lago Grey Ranger Station. Am nächsten Tag regnet es tatsächlich. Wir fahren zum Lago Grey Hotel rüber und nutzen dort das offene Wifi, um den Wetterbericht für die kommende Woche zu checken. Gegen Mittag fahren wir dann über die ruppige und nicht asphaltierte Parkstraße gen Osten, machen einen kurzen Stopp im Visitor Center und dann anschließend einen kurzen Spaziergang auf dem Holzsteg zum Salto Chico Wasserfall. Die 2000-3000m hohen Granitfelsen des Torres-Massivs verstecken sich unter Dunkelgrauen Wolken, der Wind peitscht erneut mit Sturmstärke - sehr ungemütlich!

Rio Paine und Salto Chico - 360° Panorama
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Beim Salto Grande müssen wir erneut wegen der unglaublich heftigen Windböen eine Wanderung abbrechen. Wir kommen bei dem Gegenwind nicht voran, können kaum atmen und die Anstrengung lässt unsere Knie wackeln. Unglaublich! Erst wollten wir dort auf dem Parkplatz übernachten, aber Winnietwo wird so durchgeschüttelt, dass wir runter zum kleinen Hafen fahren, von dem die Boote über den Lago Pehoe abfahren. Aber auch dort windet es mit 100km/h die ganze Nacht lang. Wir stehen mit dem Rücken zum Wind und ich bekomme es bei mancher Böe sogar mit der Angst zu tun und halte vorsichtshalber unser hinteren Türen fest. Die Windgeräusche sind extrem laut, wir kommen uns vor, wie in einem Tornado. Es pfeift, heult und dann wird Winnietwo mit einem lauten Whoosh überrannt. Gut, dass wir die Handbremse angezogen haben! Wir bekommen logischerweise kein Auge zu und ich schaue um 7.30 Uhr aus dem Fenster und sehe blutrote Wolken über uns. Helen, aufstehen!!! Toller Sonnenaufgang!! Tasse Tee kannste später trinken! Lass uns los! Zack, zack, bevor der Sonnenaufgang weg ist.

Wie gut, dass Helen das von mir schon kennt und wie immer toll mitspielt. Wir schmeißen uns schnell in die Klamotten, räumen alles in die Schränke und rasen mit 60 Sachen über die ätzende Schotterstraße zum Mirador Lago Nordenskjöld. Weiße Schaumkronen überziehen die Seen, der Vollmond geht unter, am Himmel wandern rosa Wolken mit wahnsinniger Geschwindigkeit über das Torres-Massiv. Mich haut es beim Fotografieren fast aus den Hauslatschen - der Wind ist extrem und ich kann kaum die Kamera ruhig halten. Aber das Aufstehen hat sich gelohnt. Die Cuernos (Hörner des Torres del Paine Massiv) leuchten Orange-Rot.

Nach einem gemütlichen und ausgiebigen Frühstück fahren wir weiter in Richtung Hotel Las Torres. Keine 15km vom Mirador Lago Nordenskjöld hört der Wind schlagartig auf - es ist windstill!!! Wir sind aus der Windzone raus. Die Sonne lacht vom Himmel und eine Herde Guanacos stellt sich fotogen vor das Torres-Massiv. Bei der Laguna Amarga Ranger Station entleeren wir schnell unsere Toilette. Gegen 11.00 Uhr kommen wir auf dem Parkplatz beim Hotel Las Torres an und beschließen spontan die Wanderung zum Mirador Las Torres zu machen. Das Wetter ist einfach zu schön und wer weiß, wie es in den nächsten Tagen wettertechnisch aussehen wird.

2002 haben wir mit der Kumuka-Truppe diese Wanderung schon einmal gemacht. Damals war es allerdings bewölkt und wir konnten die drei Torres nur erahnen. Heute knallte die Sonne vom Himmel und wir kommen bei dem steilen Anstieg ins Schwitzen. 886 Höhenmeter sind zu überwinden. Zwischendrin geht es auch noch einmal 200m wieder runter zum Fluss, wo man auch in einer Lodge übernachten könnte. Wir kommen gut voran und erreichen nach gut 3 Stunden den Campingplatz unterhalb des Aussichtspunktes. Hier legen wir einen kurzen Toiletten- und Snackstopp ein, bevor wir uns den restlichen, super steilen Anstieg zum Mirador vornehmen. 2002 mussten wir diesen Anstieg noch im Zickzack mitten durch die Gletschermoräne hinter uns bringen - teilweise sind wir auf allen Vieren über die großen Steinbrocken geklettert. Heute führt auf der linken Seite der Moräne ein markierter Pfad hoch. Weiter oben überquert man dann die Moräne, bis man zum Aussichtspunkt kommt. Die meisten Wanderer übernachten auf dem Campingplatz oben und schauen sich dann den Sonnenaufgang bei den drei Torres an. Da wir spät unterwegs sind, kommt uns auf dem schmalen Pfad viel Verkehr entgegen und wir müssen immer wieder warten oder ausweichen. Hinzu kommt, das gerade die Osterwoche ist und viele Chilenen ebenfalls hier am Wandern sind. 2002 waren wir mit unsere Gruppe ganz alleine hier oben. Inzwischen ist der Park so bekannt, das man fast von einer Völkerwanderung sprechen kann. Dennoch ist der Ausblick oben auf die gigantisch steilen Granitfelsen auch heute noch diese anstrengende Wanderung wert. Was für ein Anblick! Allerdings ist es hier oben richtig kalt und wir ziehen schnell unsere Fleece- und Regenjacken über. Mir frieren fast beim Fotografieren die Finger ab, denn wir haben keine Handschuhe mitgenommen. Der anschließende Abstieg wärmt uns wieder auf und geht etwas schneller als der Anstieg. Wir sehen sogar noch einen Fuchs und nach insgesamt 9km und 7 Stunden 10 Minuten sind wir wieder im Winnietwo.

Wir haben schon überlegt, ob wir morgen früh nicht noch einmal um 4 Uhr aufstehen, um "schnell" zum Sonnenaufgang hochzulaufen, aber an Winnietwos Fenster klebt eine Nachricht von Astrid und Moritz. Wir haben sie tatsächlich auf der Strecke zum Mirador verpasst. Sie waren über Nacht oben, haben den tollen Sonnenaufgang gesehen und saßen um 13 Uhr in der Lodge auf halber Strecke, an der wir aber vorbeigelaufen sind, da dort zu viele Menschen waren. Für diese Nacht waren sie auf dem Campingplatz in der Nähe des Las Torres Hotels und sie wollen abends auf einen Schnack rumkommen, was sie dann auch tun. Sie berichten uns über ihre ersten Wandertage auf dem "O" (so nennt sich die Wanderung rund um das Torres Massiv) und wir vier kommen vor 23 Uhr nichts in Bett. No way, dass wir jetzt um 4 Uhr morgens aufstehen!!!

Stattdessen stelle ich den Wecker auf 7 Uhr und wir fahren ein paar Kilometer zurück in Richtung Laguna Amarga. Von der Straße aus können wir einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten. Es ist unglaublich kalt, aber der Himmel ist mit rosaroten Wolken bedeckt und später glühen die drei Torres Orange im Sonnenlicht. Direkt hinter den Torres geht der Vollmond unter. Wow!

Unser Beine sind schlapp von der gestrigen Wanderung. Wir gönnen uns einen Ruhetag auf dem Parkplatz vom Hotel Las Torres. Ich lege mich nach dem Frühstück auch noch mal wieder ins Bett und ratze genüsslich eine Runde. Herrlich!!!

Bei trockenem Wetter mit bewölktem Himmel laufen wir am nächsten Tag insgesamt 21km zu den Cuernos und wieder zurück. Eine abwechslungsreiche Wanderung mit sehr schönen Blicken auf den Türkisgrünen Lago Nordenskjöld und die Hörner.

Lago Nordenskjöld - 360° Panorama
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Wir teilen uns den Pfad mit vielen anderen Hikers und einer Pferdekaravane, die Proviant zu den Refugios (Berghütten) bringt. Einige der Wanderer sind ebenfalls schwer beladen. Wir treffen den Profi-Fotografen wieder, den wir schon auf dem Mirador Las Torres Hike gesehen haben. Alleine seine Kameraausrüstung wiegt 15 Kilo!!! Ein junger Chilene steht kotzend am Wegesrand. Es ist sein erster Wandertag - er macht die 4-5 Tage Wanderung, das sogenannte "W" im Torres del Paine Nationalpark. Sein Rucksack ist monsterschwer und er ist nach nur 10km total erschöpft. Und dieser Teil der gesamten Wanderstrecke ist im Vergleich zu den anderen Teilen noch einfach und relativ eben. Wir stellen sicher, dass er etwas trinkt und auch was zu essen dabei hat, aber er läuft in die entgegengesetzte Richtung und so können wir ihm nicht weiter helfen. Hoffentlich nimmt sich jemand anderes dem jungen Mann an und bringt ihn zumindest bis zur nächsten Lodge.

Helen würde ja auch gerne das "W" oder "O" laufen, aber wir haben keine Zeltausrüstung dabei (die könnten wir uns noch leihen, aber man muss auch viel Essen und Klamotten mitnehmen und das ist uns zu schwer). Alternativ kann man in den Refugios übernachten und auch essen, aber das ist schweineteuer und obendrein sehr rustikal. Inklusive der Bootsfahrt über den Lago Pehoe kommen fast 1000 US$ pro Person für die 4-5 Tage auf dem "W" zusammen. Nein, danke ... da bleiben wir lieber bei unseren Tageswanderungen.

Blick auf die Cuernos - 360° Panorama
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Mir platzt auf dem Rückweg auch noch meine Lieblingshose. Wie immer knie ich mich zum Fotografieren hin ... ratsch ... ein riesen Riss über dem Hintern! Scheiße, jetzt habe ich nur noch eine lange Hose dabei! Wir legen die Wanderung in unter sieben Stunden zurück - eine Stunde später fängt es an zu regnen ... perfektes Timing!

Wir verlassen am nächsten Morgen den Parkplatz und lassen uns bei der Laguna Amarga Ranger Station eine Verlängerung für unser Eintrittsticket geben. Wir wollen morgen zur Laguna Azul raus und die liegt außerhalb des Nationalparks. Um anschließend wieder kostenlos in den Park zu kommen, braucht man diese Verlängerung und sie wird uns ohne Probleme ausgestellt. Die Rangerin ist eine junge Amerikanerin, die uns auch gleich noch einen Tipp für eine Wanderung von der Ranger Station zu ein paar alten Felszeichnungen gibt. Wir parken Winnietwo auf dem Parkplatz unten bei der Brücke und laufen dann in Richtung Lago Sarmiento. Es geht eben über eine Graslandschaft. Über uns kreisen die Kondore, links von uns springen die vielen Guanacos über den Nationalparkzaun, ein Gürteltier guckt auch noch schnell aus seinem Loch. Eine entspannte, aber interessante Wanderung, die hin und zurück nur 13km lang ist und für die wir vier Stunden brauchen.

Ich rieche beim Schuhe ausziehen Diesel und stelle fest, das Winnietwos Dieseltank leckt. Wir sind weit weg von der nächsten Werkstatt, das muss also warten, bis wir in El Calafate sind. Da wir nicht viel Diesel beim Fahren oder Parken verlieren, kann das Leck nicht sehr groß sein. Dennoch kommen natürlich Gedanken zu einer möglichen Explosion hoch, aber wir lassen uns davon nicht wild machen und fahren am nächsten Tag zur Laguna Azul weiter. Der Tag ist bewölkt und wir legen einen kurzen Fotostopp beim Río Paine Wasserfall ein.

Der kleine Campingplatz bei der Laguna Azul ist wunderschön gelegen, kostenlos und man kann sogar heiß duschen. Ursprünglich konnte man hier so lange stehen, wie man wollte, aber die Ranger machen einen jetzt darauf aufmerksam, dass man eigentlich nur noch eine Nacht dort stehen kann, es sei denn, es gibt genügend Platz und der Platzwart stimmt einer weiteren Nacht zu. Da das Wetter schlecht ist, sitzen wir den Tag aus. Ich gehe zwischendrin mal raus und beobachte die vielen Vögel. Gleich sieben Kondore kreisen in der Entfernung, zwei Karakaras sitzen auf einem Baum keine 100m von Winnietwo entfernt und warten auf Beute und ein Schwarm Papageien kündigt sich mit lautem Geschnatter an. Idyllisch und ruhig! Außer uns steht nur noch ein Schweizer Wohnmobil auf dem Platz.

Obwohl das Wetter am nächsten Tag auch nicht viel besser ist, raffen wir uns auf und wandern an der Laguna Azul entlang zu einer anderen Lagune. Maulwürfe haben den Wanderpfad verwüstet und man muss höllisch aufpassen, dass man sich nicht den Fuß in einem der vielen Löcher verknackst. Insgesamt schaffen wir 14km, aber außer einem Fuchs gab es nicht viel zu fotografieren. Dafür genießen wir anschließend die heiße Dusche. Selbstverständlich schmeißen wir dafür ein paar Dollar in die Trinkgeldbox. Gerne unterstützen wir diesen tollen Service und es ist bestimmt auch nicht ganz so einfach den Propantank soweit weg von der Zivilisation zu füllen.

Wir fahren wieder zum Parkplatz beim Hotel Las Torres und sitzen die nächsten beiden Tage aus in der Hoffnung auf besseres Wetter. Aber es regnet und schneit hier und da. Wir nutzen die Zeit und arbeiten an unserer Webseite, den vielen Fotos und Videos. Unsere 12V-Steckdose gibt ihren Geist auf. Eine Sicherung ist geplatzt. Wir wühlen in unseren Ersatzteilkisten und hoffen, das Steffen uns was dagelassen hat, aber keine der vorhandenen Sicherungen ist die richtige. Helen geht zur Lodge rüber und kommt nach einer Stunde doch tatsächlich mit einer neuen Sicherung zurück. Sie wird von einer Ecke zur nächsten geschickt und bekommt dann in einer Werkstatt kostenlosen Ersatz. Super!

An unserem letzten Abend im Torres del Paine Nationalpark bilden sich ominöse Wolken am Himmel. Ich spekuliere auf einen fantastischen Sonnenuntergang und wir fahren noch einmal in Richtung Laguna Amarga, um den Blick über die Torres zu haben. Und tatsächlich, die Wolken färben sich Orange-Rot unter dem fast Pechschwarzen Himmel. Gigantisch!

Sonnenuntergang - 360° Panorama
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Wir haben die 10 Tage hier richtig genossen und sind nach all den Wanderungen mal wieder richtig fit! Das Wetter war extrem wechselhaft, aber wir haben das Beste draus gemacht und viel gesehen.