18.01. - 15.02.2017: Antofagasta - Paranal Observatory - Taltal - Caleta Cifuncho - Antofagasta

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Wir fahren erneut nach Taltal zum Einkaufen. Außerdem müssen wir das Besucher-Formular für das Paranal Observatory ausdrucken. Unsere Tour ist am 21. Januar.

Da ich nirgendwo in der Stadt ein freies WiFi Signal finde, gehe ich in ein Internet-Café. Ich checke dort auch unsere Emails. Leider haben wir sehr schlechte Nachrichten: Helens Vater ist letzten Freitag im Krankenhaus im Schlaf verstorben. Wir sind schockiert. Helen muss unbedingt ihren Bruder in England per Skype anrufen. Ich frage in einem Café, dessen WiFi-Verbindung sehr gut ist, nach dem Passwort und bekomme es, ohne dass wir dort was essen müssen. Wir hätten im Moment auch keinen Bissen herunter bekommen.

Mit dem WiFi Booster ist das Signal super und Helen kann mit Mark, ihrem Bruder, telefonieren. Anschließend setzen wir uns hin und buchen Helen einen Flug nach England. Das Ganze dauert ein paar Stunden und wir sind gerade fertig mit allen Buchungen (Flüge, Hotels, Busse), da bricht die Internetverbindung ab. Ich speichere die Buchungsbestätigungen auf den USB-Stick und laufe zum Internet-Café, um sie dort auszudrucken. Geht nicht ... totaler Stromausfall in der Stadt. Wir erledigen zwischendrin das Tanken, entleeren die Toilette usw. und kommen nach einer Stunde wieder, aber es ist immer noch kein Strom da. Wir können leider Mark nicht benachrichtigen, um ihm Helens Ankunftszeit mitzuteilen.

Wir beschließen stattdessen in Richtung Antofagasta zu fahren, denn Helens Flug nach Santiago geht von dort aus in zwei Tagen. Es ist bereits nach 17 Uhr, als wir in Taltal aufbrechen und so schaffen wir es gerade noch vor der totalen Dunkelheit bis zur Copec Tankstelle in La Negra. Das fürchterliche Industriegebiet liegt etwa 30km vor Antofagasta. An der Tanke gibt es kein Internet, dafür nutzen wir am nächsten Morgen die heißen Duschen.

Dann geht es weiter nach Antofagasta. Wir fahren direkt zu einer Bibliothek, denn freies WiFi scheint hier in der großen Stadt ein Problem zu sein. Ich muss den Computer der Bibliothek nutzen, da die Registrierung für das WiFi zur Nutzung meines eigenen Laptops nicht klappt. Ich schicke Helens Mail an Mark raus und mache noch eine Western Union Überweisung an mich. Da ich die nächsten drei Wochen alleine in Chile bin, muss auch noch ein Großeinkauf her. Es ist bereits nach 14 Uhr und ich hole im Jumbo Supermarkt erst einmal was zum Frühstücken. Wir haben heute noch nichts gegessen! In der Stadt sind über 30°C. Sie ist groß und macht auf uns einen eher unfreundlichen Eindruck. Es ist halt eine Industriestadt mit einem großen Hafen. Winnietwo wollen wir deshalb lieber nicht alleine lassen.

Nachdem der Hunger weg ist, gehe ich den richtigen Einkauf machen. Helen sortiert inzwischen all die Sachen, die sie mit nach England nehmen muss. Anschließend holen wir noch Geld beim ChileExpress und fahren dann raus zum Parkplatz bei der La Portada - einem bekannten Felsbogen im Meer nördlich von Antofagasta. Von hier aus sind es keine 10km bis zum Flughafen und so verbringen wir die Nacht hier. Bis kurz nach Mitternacht ist die Jugend aber draußen am Party machen und so bekommen wir nur wenig Schlaf.

Um 7.30 Uhr klingelt schon wieder der Wecker. Helens Flug ist um 11.10 Uhr. Ich setze sie am Flughafen um 9.15 Uhr ab und fahre dann gleich wieder weiter. Morgen ist die Tour im ESO Observatory in Paranal, an der Helen nun leider nicht teilnehmen kann, aber die Familie geht vor. Ich will auf keinen Fall in Antofagasta ganz alleine bleiben.

Da ich lange nicht selbst gefahren bin - Helen liebt es Winnietwo zu fahren, und ich schaue gerne aus dem Fenster - muss ich mich erst wieder an das Fahrzeug gewöhnen, vor allem an die Gangschaltung. Die Route nach Paranal ist im GPS eingegeben und ich verlasse den Flughafen (bei der Ausfahrt zahlt man 700 Pesos an der Mountstation). Über den Highway 1 fahre ich zur Küstenstraße, die durch Antofagasta führt. Ich fahre gerade um den Kreisel herum und biege auf die Küstenstraße ab, da blinkt hinter mir Polizeilicht. Da die hier immer mit Licht fahren, ob nun im Einsatz oder nicht, bleibe ich zunächst gelassen. Ich habe nichts verkehrt gemacht, die fahren wohl nur zufällig hinter mir. Oh ohhh ... sie setzen sich neben mich und piepen das Horn. Ich möchte bitte anhalten. Hier? Auf der voll befahrenen Straße? Shit! Ich bremse und halte auf der rechten Spur an, einen Gehweg oder Seitenstreifen gibt es nicht. Zwei Beamten kommen zum Beifahrerfenster und wollen meinen Führerschein sehen. Ich muss erst nach hinten krabbeln und ihn holen. Mein Führerschein und Pass werden in einem kleinen Buch notiert. Der zweite Beamte stellt mir Fragen, auf Spanisch und scheinbar freundlich. Ob ich alleine unterwegs bin. Ich antworte: Ja, im Moment gerade schon. Meine Freundin ist auf dem Weg nach England. Wann ich das letzte Mal über die Grenze nach Chile gekommen bin? Ähhhh ...??? Zum Glück habe ich den PDI Zettel von der Grenze noch in der Hand, da ist ein Stempel drauf. Ich lese das Datum ab, der Beamte nickt. Welchen Grenzübergang? Ähhhh ...??? Paso Agua Negra ... den genauen Namen des Grenzortes habe ich in meiner kleinen Panik vergessen.

Der Beamte gibt mir meine Papiere zurück und wünscht mir gute Fahrt. Das war es? Dafür haben die mich angehalten? Ich bin auf der einen Seite erleichtert, auf der anderen rast immer noch mein Herz. Keine 10 Minuten bin ich von Helen getrennt, da werde ich schon von der Polizei angehalten. Es ist auch das erste Mal für uns in Südamerika!

Ich packe alles wieder weg und fahre weiter. In 2km muss ich links abbiegen und so wechsle ich schon mal die Spur. 200m weiter steht ein langer Laster auf der rechten Spur. Ich nehme ihn wahr, habe aber keine Ahnung, warum er da steht. Urplötzlich fährt er links rüber und ich bin zu einer Vollbremsung gezwungen. Unsere Schüssel voller Abwaschgeschirr rutscht vom Podest und scheppert auf den Boden. Ein Taxi mit Reifenschaden hatte rechts halb auf dem Fußweg, halb auf der Straße geparkt. Das konnte ich aber nicht sehen, da der Laster zu lang war. Dieser wollte wohl am Taxi vorbei und hat vermutlich meine Geschwindigkeit unterschätzt. Zum Glück fährt mir hinten keiner rein! Mir läuft der Schweiß, das Herz rast ... ich bin total im Stress!!! Bloß raus hier aus der Stadt! Babes, ich vermisse dich schon jetzt sehr!!!

Ich überlege kurz, ob das heute vielleicht nicht mein Tag zum Fahren ist und ob ich mich einfach irgendwo hinstellen und wieder ins Bett legen soll? Ach was, da musst du jetzt durch, Kirsten! Die restliche Fahrt durch Antofagasta geht auch ohne Probleme und wenn man dann erst einmal auf dem Highway 5 ist, dann geht es nur noch gerade aus. Der Verkehr hält sich auf der Panamericana in Grenzen und ich kann mich endlich wieder entspannen.

Gegen 11.45 Uhr biege ich auf die Straße zum Paranal Observatory ab. Es geht steil den Berg hoch, aber Winnietwo nimmt das locker in zweiten Gang. Ich finde etwa einen Kilometer von der Sternwarte einen kleinen Parkplatz am Wegesrand und stelle mich da hin. Oben auf dem Besucherparkplatz darf man nachts nicht stehen.

Erst einmal eine Tasse Tee kochen. Puhh ... die Anspannung lässt langsam nach. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich alleine nicht reisen möchte. Zu Zweit ist das wesentlich entspannter! Und schöner. Ich fühle mich einsam! Schnief! Reiß dich zusammen, Kirsten, es sind doch nur drei Wochen! Zum Glück habe ich ein lustiges und spannendes Buch zu lesen. Vom Auto aus kann ich die Sternwarte sehen. Es ist wunderbar ruhig hier oben.

Am späten Nachmittag hält das Auto der Sicherheitsleute neben mir. Zwei sehr nette Männer erklären mir im langsamen Spanisch, dass ich hier leider nicht stehen darf. Ich müsste zur Hauptstraße runter. Ich antworte, dass ich morgen für die Sternwarten-Tour registriert bin und das ich ganz alleine aus Sicherheitsgründen nicht unten an der Straße stehen möchte. Ich kann ihren Gesichtern schon ablesen, dass sie sich ebenfalls Sorgen darüber machen. Aber es liegt nicht in ihrer Hand. Ich gebe den beiden meinen und Helens Namen und unser Autokennzeichen und die beiden versprechen nochmals mit ihrem Boss zu sprechen.

Ein halbe Stunde später sind sie wieder da. Ja, ich bin für die Tour registriert, aber der Boss möchte trotzdem nicht, dass ich hier stehe. Ich mache ein unglückliches Gesicht! Dann zwinkert mir einer der beiden zu und sagt, dass sie jetzt nach unten zur Straße fahren und dann wieder zurück kommen. Sollte in der Zwischenzeit jemand anderes mich ansprechen, dann soll ich einfach sagen, dass ich Motorprobleme habe. Wenn keiner kommt, gut, die beiden fahren die ganze Nacht Streife und behalten mich und meine Sicherheit im Auge. Nett, oder? Ich bedanke mich ganz herzlich bei den beiden. Mal ehrlich, was soll ich hier oben schon anstellen? Aber die Straße zur Sternwarte ist Teil des Geländes und damit nachts nicht für Besucher zugänglich.

Kurz nach Sonnenuntergang, ich beobachte gerade, wie sich die vier großen Teleskope öffnen, kommt ein PKW und parkt etwa 50 Meter von mir entfernt. Vater und Sohn steigen aus und bauen ein Zelt neben dem Auto auf. Wir grüßen uns freundlich und verbringen gemeinsam eine sehr gute Nacht hier oben. Die Sterne funkeln wunderbar klar am Himmel - Venus total grell am Horizont und direkt über mir die Milchstraße. Wenn man senkrecht hoch guckt, liegt Paranal direkt im Zentrum der Milchstraße. Kein Wunder, dass man hier eine Sternwarte gebaut hat. Ich freue mich schon jetzt auf die Tour! In Chile befinden sich 50% der weltweit größten Sternwarten der Welt. Warum? 300 Tage im Jahr herrscht hier klarer Sternenhimmel. Die Luft ist sehr trocken, es gibt so gut wie nie Regen, der Wind ist beständig und gut berechenbar. Außerdem gibt es keine Zivilisation, die durch künstliches Licht den Himmel aufhellt.

Nächtlicher Stellplatz bei der Paranal Sternwarte - 360° Panorama
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Da die Tour am nächsten Tag erst um 14 Uhr anfängt, lasse ich mir morgens Zeit zum Frühstücken, mache anschließend den Abwasch und lese noch ein bisschen. Um 12.30 Uhr rollen die ersten Fahrzeuge für die Nachmittagstour an mir vorbei, darunter ein grüner Mercedes aus Deutschland. Die meisten halten kurz für ein Foto und fahren dann zur Sternwarte hoch.

Es kommen immer mehr Autos und ich frage mich, ob meine Uhrzeit unter Umständen falsch ist. Hat es eine Stunde Zeitverschiebung gegeben von der wir nichts wissen? Computer und GPS sagen nein, aber wer weiß. Ich will die Tour nicht verpassen und fahre vorsichtshalber auch nach oben. Auf dem Parkplatz vor der Sternwarte stehen schon gut 15 Fahrzeuge.

Ich schnappe mir das ausgefüllte Besucherformular, auf dem man bestätigt, dass man sich der möglichen Gesundheitsschädigung in der Höhe bewusst ist, fit genug für die Tour ist und sich an die Sicherheitsanweisungen des Tourguides hält. Das Gelände ist mit einem Zaun umzingelt, die Durchfahrtsstraße mit einem Schiebetor versperrt. Links davon ist das Büro der Sicherheitsleute. Ich gebe dort das Formular ab, muss vorher aber noch einmal zu W2 zurück, da ich die Zahlen- und Nummern-Kombination auf unser Nummernschild vergessen habe ... die Höhe, ich schwöre es!!!

Doris gibt zur gleichen Zeit ihr Formular ab und da sie kein Spanisch spricht, übersetze ich kurz für sie. Wir kommen ins Gespräch. Sie und ihr Mann Siegmund kommen aus Bomlitz. Von dem Ort habe ich vorher noch nie was gehört, obwohl der nur südlich von Hamburg in der Heide liegt. Oooops! Die beiden haben das Fahrzeug von einem Freund übernommen - die Grüne Minna, ein Mercedes Sprinter. Mir sagt der Name Grüne Minna was, ich glaube, ich war mal auf der Webseite vom Vorbesitzer.

Vor kurzem wurde bei den beiden auf einem sehr belebten Supermarktparkplatz in Chile (ich glaube, das war in Valparaiso) eingebrochen. Sie haben sich extra einen jungen Mann genommen, der auf das Fahrzeug für ein kleines Entgelt aufpassen sollte. Nach dem Einkauf, war das Plastik-Fenster zur Wohnkabine aufgebrochen, beide Handies und ein paar Kleinigkeiten weg ... und der junge "Aufpasser" natürlich auch!

Siegmund unterhält sich mit einem jungen Mann - Hawk aus San Diego. Er ist hierher gehitchhiked und hat genau wie die beiden Deutschen keine Tour-Reservierung. Aber wir sind zusammen mit einem Paar aus Estland nur zu sechst auf der Englisch geführten Tour. Ich nehme Hawk bei mir mit, denn um Punkt 14 Uhr wird das Tor geöffnet und wir fahren mit den eigenen Fahrzeugen zu den jeweiligen Tourpunkten. Hawk ist gleich schwer verliebt ... nicht in mich, NEIN! ... in Winnietwo!

Die erste Anlaufstelle ist das Visitor Center. Hier sehen wir ein 15 Minuten langes Video, dass alle Projekte von ESO (European Southern Observatory) in Chile beschreibt. ESO wurde 1962 von fünf Nationen gegründet - Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Schweden. Heute sind es 16 Mitgliedsstaaten, 15 davon aus Europa inkl. Österreich, Tschechien, Dänemark, Finnland, Polen, Portugal, Spanien, Italien, die Schweiz und das Vereinigte Königsreich. Vor kurzem hat sich Brasilien angeschlossen. Chile fungiert als Gastgeber und bekommt hier und da ein paar Privilegien, ist aber kein Vollmitglied von ESO. ESO ist eine Non-Profit-Organisation. Der Hauptsitz von ESO ist in Garching, bei München.

Das Video erklärt kurz die vier ESO Projekte in Chile. Angefangen hat es mit der Sternwarte La Silla, 600km nördlich von Santiago de Chile. Die Sternwarte liegt auf 2.400m und ist seit den 60iger Jahren im Einsatz. Sie hat unter anderem zwei Teleskope mit jeweils fast 4m großen Spiegeln. Es waren weltweit die ersten Computer-gesteuerten optischen Teleskope. Eine Technologie, die von ESO entwickelt wurde und heute bei den meisten Sternwarten weltweit eingesetzt wird. Das 3.6m-Teleskope - ehemals das größte Teleskop der Welt - sucht heute nach Planeten außerhalb unseres Sternensystems und nennt sich HARPS (High Accuracy Radial velocity Planet Searcher).

Mit mehr als 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen pro Jahr, die durch den Einsatz der La Silla Teleskope und anderer Apparate vor Ort ermöglicht werden, ist diese Sternwarte immer noch die zweit-produktivste (hinter Paranal) weltweit. Wir sind vor kurzem an der Abzweigung zum Observatory La Silla (liegt am Highway 5 zwischen La Serena und Vallenar) vorbei gefahren. Direkt neben dem Highway gibt es große Solarfelder und ich erfahre später von unserem Tourguide, dass damit seit 2016 ein Großteil der Energie für die Sternwarte gewonnen wird.

Die Sternwarte in Paranal liegt auf 2.635m und wurde innerhalb von nur 5 Jahren gebaut. Die Idee dazu ist natürlich schon etwas älter, aber die genaue Bauplanung fand erst 1994 statt. 1999 ging das erste von vier Teleskopen mit einem Spiegel von 8.2m im Durchmesser in den Einsatz - seit 2000 operieren alle vier Teleskope. Sie können entweder alleine oder zusammengeschaltet den Himmel observieren. Zusammengeschaltet ist das VLT (Very Large Telescope) das zur Zeit größte Teleskop der Welt. Es arbeitet mit optischen und Infrarot-Licht Strahlen und kann zusammengeschaltet Objekte im Weltall erkennen, die 25 Mal kleiner sind, als wenn sie mit einem einzigen dieser Teleskope betrachtet werden. Man kann damit die Scheinwerfer eines Autos auf dem Mond getrennt erkennen! Wahnsinn!

Nahe von San Pedro de Atacama gibt es ein weiteres Teleskop-Projekt, an dem ESO zusammen mit anderen Organisationen aus Nordamerika, Asien sowie Chile beteiligt ist. Hier stehen auf dem Chajnantor Plateau in 5100 Meter Höhe 66 Radio-Teleskope, 50 davon haben einen Durchmesser von 12m! Das Projekt nennt sich ALMA - Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA bedeutet Seele auf Spanisch). Zusammen simulieren die 66 Teleskope ein Teleskop mit 16km Durchmesser! Damit können Objekte aufgenommen werden, die 100 Mal schwächer leuchten, als man bis dato entdecken konnte.

ESO betreibt hier das APEX Teleskop (Atacama Pathfinder Experiment). Es hat ebenfalls einen Durchmesser von 12m und operiert mit Wellenlängen, die zwischen dem Infrarot-Licht und Radiowellen liegen. Mit diesem Teleskop kann ESO das sogenannte kalte Universum erforschen. Dieses kann nicht mit optischen oder reinem Infrarot-Licht gesehen werden. Die Lichtquellen erzeugen Wellenlängen, deren Temperatur nur wenige Zehntelgrade über der absoluten Nulltemperatur (-272.85°C) liegt. Astronomen nutzen dieses Licht zur Erforschung der Chemischen und Physikalischen Zusammensetzungen von molekularen Gaswolken, aus denen sich neue Sterne bilden. Diese Wellenlängen sind auch ideal zur Erforschung von früheren und am weitesten entfernten Galaxien.

Das nächste bahnbrechende ESO Projekt ist schon im Bau. Nur 20km von Paranal entfernt wird auf einem Hügel (Cerro Armazones, 3.060m) gerade die Plattform für das E-ELT Teleskop gebaut. Der Name steht für European Extremely Large Telescope. Hier wird bis 2024 ein optisches und Infrarot-Licht Teleskop gebaut, dass einen Hauptspiegel-Durchmesser von 39m haben wird. Das komplette System wird aus fünf Spiegel bestehen. Der Hauptspiegel mit dem Durchmesser von 39m wird aus 1000 hexagonalen Spiegelsegmenten zusammengesetzt, die jeweils 1,45m von Kante zu Kante messen, 5cm dick sind und jeweils 165kg wiegen. Die Lichtkapazität dieses gigantischen Teleskops wird 13 Mal größer sein, als die aller heutigen optischen Teleskope zusammen! Mit Hilfe von speziellen Filtern werden die Turbulenzen in unserer Erdatmosphäre und damit die Bild-Unschärfen ausgeglichen. Die Brillianz der Bilder wird damit 15 Mal besser sein, als die des Hubble Weltraum-Teleskops, das außerhalb unserer Atmosphäre agiert.

Das Video ist in Englisch mit Spanischen Untertiteln und Hawk und ich sind schon total beeindruckt, was die Menschheit hier mal wieder entwickelt hat. Wir können es gar nicht erwarten auf die Tour zu gehen. Da im Visitor Center die einzigen Besucher-Toiletten sind, ist die Schlange lang, aber unsere kleine Gruppe ist schnell durch. Draußen bekommen wir alle einen weißen Bauarbeiter-Helm und dann steigen wir in unsere Fahrzeuge und fahren zu der Plattform mit den Teleskopen hoch.

Die Paranal Plattform mit den vier großen Teleskopen - 360° Panorama
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Unser Tourguide ist eine junge Chilenin, die aus Antofagasta kommt. Sie studiert hier am Observatorium und an der Uni in Antofagasta. Ihr Englisch ist fließend, aber nicht ganz leicht zu verstehen. Die Spanische Tourgruppe ist um einiges größer und damit wir überhaupt was verstehen, trennen sich die beiden Gruppen. Wir erfahren eine ganze Menge und ich versuche hier im Bericht das ein oder andere, was von den vielen Informationen bei mir hängen geblieben ist, nieder zu schreiben. Hawk und ich sind die einzigen, die Fragen an unseren Tourguide stellen. Die Estländer sagen kein Wort, die Deutschen haben Probleme das Englisch zu verstehen. Ich fasse zwischendrin das ein oder andere für Doris zusammen.

Wir lassen die Autos auf dem Parkplatz neben den vier großen Teleskopen stehen. W2 sieht ziemlich klein aus! Die vier großen Teleskope mit den jeweils 8.2m großen Spiegeln thronen über uns. Die Gehäuse sind 25m hoch. Die Kuppeln sind tagsüber geschlossen. Da es sich um optische Teleskope handelt, kann man bei diesem grellen Tageslicht eh nichts im Weltall erkennen. Cerro Paranal ist einer der dunkelsten Flecken auf unserer Erde. Es gibt keine einzige Lichtquelle in einem Umkreis von mehr als 100km. Nachts dürfen die Autos nicht mit Volllicht fahren - nur im Standlicht. Die Chilenische Regierung hat ESO zugesagt, dass es keine Ansiedlung von Menschen in dieser Region geben wird. Von hier aus kann übrigens nicht das komplette Universum betrachtet werden. Man sieht hier nur den Sternenhimmel über der südlichen Erdhemisphäre. Große Teleskope in den USA (Texas, Nevada, Arizona) betrachten den Sternenhimmel auf der nördlichen Hemisphäre. Die gewonnen Daten werden häufig zwischen den Nationen ausgetauscht. In Europa stehen zwar auch Sternwarten, aber nur mit sehr kleinen Teleskopen. Im Stadtpark von Hamburg ist z.B. eine davon. Aber Europa eignet sich nicht für Beobachtungen, die mit denen hier in Chile vergleichbar wären. Das Wetter ist zu unbeständig und wir haben eine Bevölkerungsdichte, die einfach zu viel künstliches Licht erzeugt.

Wir befinden uns auf dem Gelände des Observatoriums auf Europäischen Boden. Die Autos haben hier Blaue Kennzeichen. Es gilt Europäisches Recht. Ich scherze mit unserem Tourguide und sage, dass ich im Falle einer Flucht aus Chile hierher komme. ESO hat das Gelände gekauft oder die Chilenische Regierung hat es gespendet, so genau will das hier keiner sagen. Chile ist nicht an diesem Projekt beteiligt, bekommt aber im Gegenzug und nach Absprache 10% Zugang entweder zu den gewonnenen Daten oder zu den Teleskopen selbst. Außerdem gibt es eine Bedingung, dass mindestens 50% der hier arbeitenden Mitarbeiter aus Chile kommen müssen - Wachpersonal, Küchen- und Reinigungspersonal für die Resistenz, Fahrer, Gärtner, Mechaniker usw. Alle Mitarbeiter arbeiten 8 Tage am Stück und haben dann 6 Tage frei. In dieser Höhe und in dieser unglaublichen Trockenheit besteht ein gesundheitliches Risiko für den menschlichen Körper. Die meisten Mitarbeiter wohnen in Santiago de Chile.

Die gesamte Sternwarte wird mit Diesel-Generatoren betriebe. Ich bin erstaunt darüber, denn in La Silla haben wir die vielen Solarzellen gesehen. Aus Kostengründen werden die hier aber nicht eingesetzt. Ich habe gestern während des Tages mindestens zwei Gaslastwagen auf dem Weg zum Observatory gesehen. Boah, dass muss hier viel Energie kosten! Später lese ich auf der ESO Webseite, dass die Kosten für Solar- und Windenergie um eine Vielfaches höher sind, als der Einsatz von Generatoren, zumal man diese obendrein einsetzen müsste, denn Wind und Solarenergie sind Wetter-technisch zu unbeständig.

Die Plattform inklusive der Teleskope (es gibt neben den vier großen auch noch vier kleinere Teleskope mit jeweils einem 1.8m großen Spiegel und ein weiteres mit einem 2.6m großen Spiegel) kostete in der Herstellung etwa 500 Millionen US Dollar. Jede Sekunde, in der die Teleskope operieren, kostet 1 Euro. Auch wenn sie nicht für die Beobachtung genutzt werden, laufen natürlich die Klimaanlagen, Computer, Schaltsysteme usw. Ich musste mir gerade einmal einen Taschenrechner holen. Pro Tag kommen da also mindestens 86.400 Euro zusammen. Wahnsinn! Laut ESO Webseite steuert Deutschland 22,4% des ESO Gesamt-Budgets (156.443.000 Euro für 2016) bei, also etwa 35 Millionen EURO.

Wie dick der Beton der Plattform ist, wusste unser Tourguide nicht, aber es müssen schon einige Meter sein, denn die Berge hier in der Gegend sind nicht aus Granitgestein, sondern aus Ton und Sand, also ein recht weicher Untergrund. Wir sind hier in einer Erdbebenregion, fast täglich bebt hier die Erde. Die Teleskope sind gegen starke Erdbeben geschützt. Der 8.2m große Spiegel kann Erdbeben bis zu einer Stärke von 8.5 auf der Richterskala standhalten. Bei Erdbeben über 7 setzen automatisch Systeme ein, die den Hauptspiegel vor dem Zerbrechen oder Absturz schützen. Tagsüber ist der Spiegel waagerecht liegend in seiner Verankerung. Diese löst sich automatisch und der Spiegel schwebt auf einem Luftkissen. Nachts kann der Spiegel bis zu 89 Grad geneigt sein. Bei einem starken Erdbeben wird er automatisch an die Zelle verankert, sodass er nicht abstürzt.

Die vier großen und alle andere Teleskope sind unterirdisch mit dem Kontrollzentrum verbunden. Sämtliche Daten laufen dort auf. Wir erfahren, dass jedes Teleskop pro Sekunde ein Bild macht. Die Belichtungszeiten liegen zwischen 30 Sekunden und einer Stunde, abhängig davon, wie weit das zu betrachtende Objekt von der Erde entfernt ist und wie viel Licht es ausstrahlt. Bei einer Belichtungszeit von einer Stunde können je Teleskop Objekte betrachtet werden, die 4 Milliarden mal schwächer sind, als wir sie mit unseren eigenen Augen sehen können. Die vier großen Teleskope heißen Antu, Kueyen, Melipal und Yepun (Sonne, Mond, Venus und Southern Cross) in der Sprache von einem Chilenischen Stamm (Mapuche), der in dieser Region ansässig war.

Es dauert eine halbe Stunde, bis die großen Teleskope operationsbereit sind. Nach dem Eingeben der Koordinaten für das Weltraumobjekt, öffnen sich die Kuppeln der Teleskope. Von Yepun (Unit Telescope 4), das etwas seitlich auf der Plattform steht, wird nachts ein Laserstrahl (dieser ist einen halben Meter dick) nach oben geschickt, um die Dichte und die Turbulenzen in der Erdatmosphäre zu messen. Diese variiert offensichtlich und bestimmt den Einsatz diverser Filter. Die Strahlen aus dem Weltall werden von den Turbulenzen unserer Atmosphäre abgelenkt, was zu unscharfen Aufnahmen führt. Computer-gesteuerte Filter minimieren das und sorgen für ein klareres Bild. Der Laserstrahl verbrennt Partikel in unserer Erdatmosphäre, die in Licht umgewandelt werden. Dieses Licht wird vom Teleskop aufgenommen und die Filter werden entsprechend des gewonnenen Bildes eingestellt. Der Laserstrahl wird eingesetzt, wenn die Teleskope keinen geeigneten Referenzstern im Sichtfeld der Teleskope zur Messung finden - an etwa 25% aller Nutzungstage.

Das außerhalb von der Plattform gelegene Teleskop gehört übrigens den Engländern. Hawk und ich haben ein breites Grinsen im Gesicht und auch unser Tourguide hat schon mal vom Brexit gehört. Die Engländer brauchen halt immer ihre Extrawurst, wenn es um Europäische Interessen geht! ;-) Aber in diesem Fall hat das sogar was Positives!

Aber zurück zum Einsatz der großen Teleskope. Ist die Kuppel geöffnet, sucht sich jedes Teleskop selbstständig die richtige Position. Meistens arbeiten sie eigenständig. An etwa 5-6 Tagen pro Jahr werden sie zusammengeschaltet - entweder arbeiten zwei, drei oder alle vier Teleskope zusammen. Das ist abhängig von den Projekten, die erforscht werden. Die Teleskope können sich auf einem Teller 360 Grad drehen. Der große 8.2m Spiegel kann in einem Winkel von 16 bis 89 Grad gekippt und nach oben ausgefahren werden. Ist das Objekt im Visier und die Position des Spiegels eingerastet, starten die Astronomen im Kontrollzentrum am Computer diverse Softwareprogramme. Da muss kalibriert werden, Filter getestet werden usw.

Arbeiten die Teleskope zusammengeschaltet, dann nennt man das einen Interferometer. Dieser hat einen kombinierten Durchmesser von 130m. Damit könnte man eine DVD auf der Internationalen Raumstation (ISS) von der Erde aus erkennen! Wahnsinn, oder? Die vier kleinen Teleskope mit den 1.8m großen Spiegeln arbeiten fast immer im Interferometer-Modus.

Vom Cerro Paranal aus hat man einen wunderbaren, klaren Blick auf die Umgebung. Nicht ein Strauch ist hier am wachsen! Wüste, wohin das Auge schaut. Und wir sehen die Wolken von oben an der Küste. Der kühle Humboldt-Strom im Pazifik sorgt für diese Temperaturunterschiede, aber es regnet fast nie hier in der Atacama. Die Wolken kommen und gehen - es ist einer der trockensten Flecken auf unserem Planet Erde.

Traumhafter Blick von oben - 360° Panorama
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Die Spanische Gruppe besucht das Antu-Teleskop und so müssen wir warten. Stattdessen gehen wir ins Kontrollzentrum, das an der Seite der Plattform etwas niedriger liegt. Fünf große Abteilungen und ein paar kleinere Büros sind hier zu sehen. In jeder der Abteilungen stehen etwa 18-20 Monitore auf den Tischen. Tagsüber arbeiten nur sehr wenige Mitarbeiter hier. Nachts hingegen ist das Kontrollzentrum gefüllt bis auf den letzten Platz.

Wir erfahren von unserem Tourguide, dass Astronomen und Wissenschaftler aus aller Welt sich für die Nutzung der Teleskope bei ESO bewerben können. Mindestens ein Jahr im voraus müssen sie eine detaillierte Projektbeschreibung (Weltraumobjekt, Ziel der Beobachtung, Anzahl der Nutzungsstunden oder - tage usw.) an ESO schicken - Mai und Oktober sind die beiden Einsendezeiträume. Ein Projektgremium in Deutschland, wo der Hauptsitz von ESO in Garching liegt, entscheidet, welche Projekte aufgenommen und wann die Teleskope genutzt werden können. Pro Jahr gehen über 2000 Anträge für die Nutzung aller ESO Teleskope ein. Um alle abzudecken, müsste die Anzahl der Tage im Jahr vier bis sechsmal größer sein. Da das nicht geht, werden die Anträge nach einem Schema bewertet und nur die mit der höchsten Punktzahl bekommen die Zusage zur Nutzung der Teleskope.

Ist das Projekt und die Nutzung der Teleskope bewilligt, dann kann der Astronom oder Wissenschaftler alle Institutionen auf dem Cerro Paranal kostenfrei nutzen - Unterkunft, Verpflegung, Teleskopnutzung usw. Kommt eine ganze Gruppe an Wissenschaftlern für das gleiche Projekt, dann gibt es die freie Unterkunft inklusive Verpflegung nur für einen Mitarbeiter, die anderen müssen zahlen. Kann der Astronom selbst nicht kommen, dann hat er die Möglichkeit das Projekt an einen ESO Forscher zu reichen, der die Projektdurchführung hier übernimmt. Nur etwa 30-40% der Astronomen kommen tatsächlich nach Paranal, 60-70% geben ihre Objekt-Koordinaten per Computer von ihrem Standort, wo immer der auf der Welt ist, ein. Der Vorteil vor Ort in Paranal zu sein, kann allerdings für das Projekt entscheidend sein. Es können während der Beobachtungsphase, also in Echtzeit, Entscheidungen und mögliche Veränderungen für die Einstellung der Teleskope, Filter oder Wellenlängen getroffen werden.

Die gewonnenen Daten gehören für ein Jahr dem Astronom, anschließend müssen sie veröffentlicht werden. ESO hat sich zur totalen Schweigepflicht verpflichtet und gibt weder bekannt, an welchen Projekten geforscht wird, noch welche für das nächste Jahr anstehen. Forscher, Astronomen, Wissenschaftler tüfteln an ihren Projekten häufig ein ganzes Leben lang und wollen am Ende ein bedeutendes Papier zu ihren Entdeckungen veröffentlichen. Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages den Nobelpreis dafür. Die gesammelten Daten von den Teleskopen werden hier vor Ort in einem Speicherzentrum aufbewahrt - eine Kopie geht außerdem an den Hauptsitz in Deutschland. Der Astronom verlässt das Gelände mit einem USB Stick oder einer Festplatte voller Daten. Da müssen viele Gigabytes pro Nacht zusammenkommen. Auf der ESO Webseite lese ich später, dass alle Daten in Garching im sogenannten 'Science Archive Facility'-Archiv permanent gespeichert werden. Dort befinden sich bereits 1.5 Millionen Bilder aus dem All, deren gesamte Datengröße bereits 65 Terabytes beträgt. Das ist vergleichbar mit 30 Millionen Bücher mit jeweils 1000 Seiten, die eine Bücherregallänge von 1000km benötigen würden.

Für jedes der Teleskope gibt es einen ESO Operateur, der für die Steuerung der Teleskope, die Kontrolle und den Einsatz der Software-Programme, die Anweisungen zu möglichen Reparaturen usw. zuständig ist. Er unterstützt den jeweiligen Forscher bei seiner Arbeit. Hawk, mein Amerikanischer Freund aus San Diego, entdeckt auf einem der Monitore ein Programm mit dem Namen Hawk1. Wir beide haben richtig Spaß an dieser Tour und sind mehr als beeindruckt!

Der krönende Abschluss auf der Plattform ist natürlich die Besichtigung eines der vier Teleskope. Wir dürfen uns Antu anschauen, dass erste VLT Teleskop, das am 1. April 1999 hier vollständig in Betrieb genommen wurde. Durch eine 5cm dicke Stahltür betreten wir den riesigen Raum. Wow! Um uns herum summen die Maschinen - mich erinnert dieses Geräusch irgendwie an ein Spaceship von Außerirdischen - nicht, dass ich jemals eines gesehen hätte. Hollywood pur!

Drinnen herrscht eine Temperatur von geschätzten 13°C - alles ist voll akklimatisiert. Teile des Teleskops werden mit flüssigem Helium oder flüssigem Stickstoff gekühlt, damit die Systeme nicht überhitzen. Das Helium und Stickstoff wird hier direkt in Paranal produziert. Die Temperatur im geschlossenen Teleskop entspricht der äußeren Durchschnittstemperatur, damit es nachts nach dem Öffnen der Kuppel nicht zu Kondensation und hoher Luftfeuchtigkeit über dem Spiegel kommt. Das würde die gewonnenen Bilder unscharf machen. Im Prinzip der gleiche Effekt wie bei einer beschlagenen Brille!

Wir Menschen kommen uns wie kleine Zwerge neben dem riesigen Teleskop vor. Hawk macht netterweise ein Foto von mir. Ich muss im Panorama-Mode die Bilder machen, sonst bekommt man nicht alles auf die Kameralinse. Wir dürfen auch auf den Balkon und sehen den 8.2m großen Spiegel direkt vor uns. Ich hatte mir den viel gewölbter vorgestellt.

Der Spiegel ist 17,5cm dick und besteht aus einer Glas und Keramik Mischung (Zerodur), die in einem Stück gefertigt wurde - in Deutschland bei der Firma Schott, die inzwischen Pleite gegangen ist. Diese Mischung verhindert eine mögliche Wärmeausdehnung. Drei Jahre hat Schott für die Produktion der Spiegelbasis benötigt. Anschließend wurde jeder Spiegel ein Jahr lang in Frankreich mit speziellen Maschinen poliert. Zum Schluss wurde die eigentliche Spiegelbeschichtung aufgetragen. Sie besteht aus Aluminium und ist ganze 80 Nanometer dick. Pro Spiegel wurden gerade einmal knapp 12 Gramm Aluminium verwendet, das ist weniger als auf jeder Coca Cola Dose. Überträgt man das auf den Erddurchmesser, dann wären es gerade einmal 12cm! Jeder der 8.2m großen Spiegel ist 23 Tonnen schwer und hat 2 Millionen EURO in der Produktion gekostet. Einer der vier ist beim Transport von Deutschland nach Chile zerbrochen und musste neu gemacht werden.

Die Politur ist absolut perfekt. Würde man diese Perfektion auf den Durchmesser der Erde übertragen, dann wäre die größte Unvollkommenheit nicht größer als ein Kieselstein! Als ehemalige Optikerin bin ich schwer beeindruckt!

Wenn nachts die Kuppeln auf sind, dann bildet sich Staub auf dem Spiegel, der natürlich die Bildqualität der gewonnenen Bilder beeinträchtigt. Die Spiegel müssen also regelmäßig gereinigt werden. Dass kann man natürlich nicht so einfach mit einem Wischlappen machen, das würde die Aluminium-Schicht zerkratzen. Deswegen wird einmal im Monat der Spiegel tagsüber in die senkrechte Position bewegt und dann mit einem CO2-Schaum eingesprüht. Dieser läuft den Spiegel runter und nimmt alles Schmutzpartikel mit sich ohne den Spiegel zu beschädigen. Alle 18 Monate werden die Spiegel komplett ausgebaut. Über ein Schienensystem wird der Spiegel aus dem Gebäude geschoben und dann mit einem speziell dafür hergestellten Kran auf einen Transporter gesetzt und von diesem den Hügel runter bis zu einer Halle transportiert. Hier wird die alte Aluminium-Schicht abgetragen und der Spiegel mit einer neuen beschichtet. Das ganze dauert eine Woche.

Reparaturarbeiten am oder über dem Spiegel werden mit äußerster Sorgfalt ausgeführt. Mensch und Werkzeuge werden mit Karabinerhaken an einem Seil oberhalb des Spiegels befestigt (teilweise wird auch ein Sicherheitsnetz gespannt), damit ja nichts aus Versehen auf den Spiegel fällt. Nachts ist der Zutritt zu den Gebäuden der Teleskope verboten, es sein denn, es tritt ein technisches Problem auf.

Wie genau funktionieren diese großen Teleskope? Das Teleskop ist auf einer Scheibe befestigt, die sich innerhalb des Gebäudes um 360 Grad drehen lässt. Diese Scheibe wiegt inklusive Teleskop 430 Tonnen, ungefähr so viel, wie ein vollbesetzter Jumbo-Flieger. Die Scheibe dreht sich auf hydrostatischen Kugellagern, die mit einem Ölfilm beschichtet sind. Das ganze ist so perfekt, dass man die Scheibe mit den 430 Tonnen mit der Hand drehen könnte! Der obere Teil des Gebäudes mit der Kuppel lässt sich ebenfalls um 360 Grad drehen.

Die Strahlen aus dem All fallen zunächst auf den 8.2m großen Spiegel. Von dort werden sie zu einem 1.24m großen zweiten Spiegel reflektiert. Der hat also nur etwa ein Achtel der Größe und ist ganz oben am Teleskop angebracht. Die Strahlen werden anschließend zu einem dritten Spiegel (0,94m) in der Mitte des Teleskops (etwas oberhalb des großen Spiegels) reflektiert und von dort aus werden die Informationen über die Datenwege zum Kontrollzentrum geleitet. Sind alle vier großen Teleskope oder die anderen vier kleineren zusammengeschaltet, dann werden die Strahlen über ein komplexes Spiegelsystem unterirdisch an das Interferometer weitergeleitet und dort verarbeitet. Unglaublich, mit welcher technischen Präzision hier gearbeitet wird! Ich kann immer nur staunen, was wir Menschen alles so erfinden. Mit dem neuen E-ELT wird man Dinge im All entdecken können, die vermutlich unser ganzes Verständnis vom Universum verändern wird.

Ich frage unseren Tourguide, ob die Forscher hier an Leben außerhalb unseres Planeten glauben. Ja und Nein, sagt sie. Sie glauben nicht, dass es Zivilisationen wie unsere gibt. Allerdings vermutet man, dass es Leben in Form von Bakterien, Einzellern usw. auch woanders in unserem gigantisch großen Universum gibt. Für mich ist die gesamte Materie und die Vorstellungskraft, wie das da oben alles um unseren kleinen Blauen Planeten herum abläuft und funktioniert, immer eine Nummer zu hoch. Nicht auszudenken, dass wir der einzige Planet in diesem ganzen System sind, der Leben in der Form, wie wir es hier kennen, hat. Und wir tun unser bestes, um das alles zu zerstören. Hoffentlich kommt es nicht dazu!

Unser Tourguide gibt uns draußen noch etwas Zeit zum Fotografieren und dann fahren wir mit den Fahrzeugen wieder runter. Letzte Besucherstation ist die Residencia, das Paranal Hotel. Das Design dieses Gebäudes hat Preise gewonnen und 2008 wurde es auch im James Bond Film "Quantum of Solace" als Hintergrundkulisse verwendet. Wir haben den Film noch nicht gesehen, aber das wird in Kanada nachgeholt.

Das Atrium des Hotels liegt unter einer flachen Glaskuppel, die total galaktisch aussieht. Drinnen befindet sich eine Gartenoase, ein Schwimmbecken und die Kantine. Die 108 Gästezimmer erstrecken sich von dort aus in einem Seitenflügel. Sie werden von den ESO Mitarbeitern und Forschern genutzt. Otto-Normal-Verbraucher können hier nicht übernachten. Nachts wird die Kuppel des Atriums und die Fenster der Zimmer abgedunkelt, damit kein künstliches Licht die Arbeit der Teleskope beeinträchtigt.

Im Atrium-Gang hängen sehr schöne Fotos aus aller Welt, darunter die Wave in Arizona und die Capilla de Mármol auf der Carretera Austral. Ich gebe Hawk den Tipp da unbedingt hinzufahren. Eine seiner nächsten Reisestationen ist eh Coyhaique. Hawk hat in den USA einen Campervan, mit dem er normalerweise unterwegs ist. Hier in Südamerika ist er aber per Anhalter und mit Rucksack am reisen. Ich glaube, er möchte mir Winnietwo am liebsten abkaufen, aber den geben wir nicht her! Das Paar aus Estland ist so nett und nimmt ihn wieder mit nach Antofagasta zurück.


Beeindruckende Tour auf der Sternwarte in Paranal.

Es gibt sicherlich noch eine Menge mehr Informationen zu dieser wahnsinnig spannenden Sternwarte und den anderen Projekten von ESO. Ich kann da nur die ESO Webseite empfehlen. Sie ist super gemacht und sehr informativ.

Nach zwei Stunden, oder so ... ich habe gar nicht auf die Uhr geguckt ... ist die Tour zu ende. Wir geben unsere Helme ab und ich unterhalte mich noch eine Weile mit Doris und Siegmund. Sie wollten die Nacht dort stehen, wo ich gestern stand, aber als ich den beiden sagte, dass mich die Sicherheitsleute da eigentlich wegschicken wollten, beschlossen sie dann doch noch in Richtung Antofagasta zu fahren.

Mein Weg führt aber weiter in den Süden nach Taltal. Ich verbringe zwei Nächte am Strand nördlich der kleinen Stadt. Ich muss noch ein wenig Einkaufen, die Toilette entleeren und das WiFi nutzen, um Helens Bruder und einen Tag später Helen zu kontaktieren. An der Tankstelle treffe ich ein Argentinisch-Italienisches Pärchen, das mit einem kleinen Campervan unterwegs ist. Sie haben weder GPS noch eine vernünftige Straßenkarte von Chile und so gebe ich ihnen Informationen zum Playa Cifuncho. Juan ist Surfer, aber die Wellen sind am Playa Cifuncho nicht sehr hoch. Wir treffen uns am späten Nachmittag in Cifuncho.

Helen ist gut in England angekommen und schon im Vollstress mit der Organisation der Beerdigung usw. Wir verabreden uns zu einem weiteren Telefongespräch am nächsten Sonntag. Einmal die Woche muss ich eh nach Taltal zum Einkaufen und Entleeren der Toilette. In Cifuncho geht das beides nicht.

Juan und Sylvia parken in Cifuncho direkt neben mir und laden mich abends zum Grillen ein. Über uns breitet sich ein wahnsinniger Sternenhimmel aus, eine leichte Brise weht vom Meer her - für mich pure Entspannung. Von den beiden lerne ich das Spanische Wort für Milchstraße - la Vía Láctea. Hört sich das nicht schöner an?

Die Kartoffeln kochen auf dem Grill ganz schnell, aber die Hähnchenkeulen dauern ewig. Trotzdem sehr lecker! Ich steuer eine Tafel Schokolade zum Nachtisch und eine BBQ-Soße für die Hähnchenkeulen bei und wir unterhalten uns angeregt. Alles auf Spanisch, denn die beiden sprechen nur ganz wenig Englisch. Das ist für mich zwar etwas anstrengend, aber die beiden haben wunderbar Geduld mit mir und freuen sich über die vielen Tipps, die ich ihnen geben kann. Sie sind auf dem Weg nach Süden und suchen Arbeit. Im Februar/März beginnt die Weintraubenernte rund um das Elqui Valley und ich schlage vor, sie versuchen es da einmal. Sylvia ist 27, Juan 33 (oder so?). Die beiden haben sich vor Jahren in Mexiko kennengelernt und arbeiten genau wie wir, wenn sie mal wieder Geld brauchen. Sie waren Tellerwäscher in Australien, Juan arbeitet auch auf Baustellen usw. Ein wirklich sehr nettes und sympathisches Paar. Ich krame aus unsere Papier-Kiste noch Informationen zu Torres Del Paine, El Chaltén und der Carretera Austral raus und gebe sie den beiden.

Nach zwei Nächten in Cifuncho verabschieden sich die beiden. Gute Reise! Sie versprechen mir eine Email zu schicken, wenn es mit dem Weintraubenpflücken klappt. Wer weiß, vielleicht versuche ich es irgendwann hier unten einmal mit der Feldarbeit.

Cifuncho ist wirklich ein traumhafter Ort. Ruhig, sicher und es gibt immer was zu entdecken. Etwa jeweils 100m entfernt von mir haben zwei Familien ihre Zelte aufgeschlagen. Wir grüßen uns freundlich und wechseln ein paar Worte. Ansonsten ist keiner hier am nördlichen Ende des Strands. Ich lese viel, arbeite am Computer, wenn ich genügend Solarstrom habe, und schlafe lange. Meine Süße fehlt mir sehr! Ich kann zwar auch gut mit mir alleine zurechtkommen, aber es ist keiner da, der mich zum Lachen bringt. Dennoch geht die erste Woche ohne Helen schnell vorbei.

Sonntags fahre ich dann wie verabredet immer nach Taltal, um Helen und auch meine Eltern (Muttern macht sich natürlich etwas Sorgen, da ich hier alleine unterwegs bin) anzurufen. Dann noch schnell was einkaufen gehen, Toilette entleeren, Wassertanks auffüllen ... na ja, halt der übliche Kram, damit ich überleben kann. Dann geht es wieder zurück nach Cifuncho, wo ich mich schon zuhause fühle.

Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so wenig geredet, wie in Cifuncho. Wer mich kennt, weiß, dass das sehr ungewöhnlich ist! ;-) Manchmal mache ich extra laut Musik an, damit ich meine eigene Stimme beim Singen hören kann. Nicht, das die verloren geht! Gut, dass Helen das nicht hören muss. Sie beschwert sich immer darüber ... weiß gar nicht warum, ich kann doch singen! Von Steffen haben wir auch eine gute Stereo-Anlage geerbt, aber die haben wir noch nie ausprobiert. Helen liebt es eher ruhig beim Fahren und ich kann mir ja meinen mp3-Spieler ins Ohr stöpseln. Jetzt, wo Helen nicht da ist, krame ich den Aufsatz für die Anlage raus und lese mir mal die Gebrauchsanweisung dafür durch. Dann wird mein mp3 eingestöpselt und der Sound aufgedreht! Boah, klingt hinten richtig gut. Der rechte Lautsprecher vorne scheppert aber ein wenig. Bin gespannt, ob Helen mit den Augen rollt, wenn ich die Anlage in ihrer Anwesenheit aufdrehe. Vielleicht sollte ich noch schnell ein paar ihrer Lieblingslieder auf den mp3 laden ... Ich fürchte allerdings, das Madame es dann doch lieber wieder ruhig haben will. Seufz!!!

Na ja, die Ruhe hier am Strand tut mir aber auch gut. Ich kann mich voll auf meine Computer-Arbeit konzentrieren und schaffe es endlich für unsere Südamerika-Webseite mal alle GPS-Koordinaten mit Englischen Erklärungen zu den jeweiligen Berichten zusammenzustellen. Wen es also interessiert, wo genau wir was gemacht haben, wo wir nachts standen und was wir sehenswert fanden, der kann sich die Garmin-Datei (einfach auf den blauen Button oben klicken) oder GPX-Daten (reche Maustaste -> Speichern unter) zu den Berichten herunterladen. Nebenbei schreibe ich auch noch die aktuellen Webberichte, inklusive der Englischen, damit Helen bei ihrer Rückkehr nicht gleich in Stress geraten muss.

Für Winnietwo gibt es ja auch immer ein paar Verbesserungsprojekte und so mache ich mich erneut an die Versiegelung des Dieseltank-Lecks. Das nächste Volltanken wird zeigen, ob ich es dieses Mal vernünftig hinbekommen habe. Von Steffen haben wir einen alten Gummischlauch geerbt (was wir nicht alles bekommen haben!) und einen Teil davon verwende ich, um den Heizungsauslass am Unterboden abzudecken. Wenn die Heizung läuft, muss von unten frische Luft zugänglich sein. Leider ist das ganze aber auch ein Einlass für den feinen Staub auf den Schotterstraßen. Mit anderen Worten, wir bekommen ordentlich Dreck ins Innere und Helen hasst das so. Wir hatten in der Heizung schon versucht mit Hilfe einer Schaumstoffmatte und einem nassen Tuch den Staub aufzufangen, bevor er ins Innere kommt, aber das ist nie 100% dicht gewesen. Wir lassen die Heizung ja recht selten laufen, eigentlich immer nur, wenn die Temperaturen draußen so unter 10°C sind. Meine Unterboden-Abdeckung musste also abnehmbar sein und so habe ich mir überlegt, dass ich die Gummiabdichtung mit einem Klettverschluss anbringe. Das ist aber gar nicht so einfach, denn der Auslass ist dicht an die Fahrgestellverstrebungen gebaut und ich habe vielleicht eine Fingerbreite zum Anbringen der Gummidichtung auf jeder der vier Seiten. Mit viel Geduld und Spucke ist es mir dann aber doch gelungen (siehe Foto oben) und das ganze hält - auch bei voller Fahrt! Ob es 100%ig abdichtet, werden wir auf der nächsten Schotterstraße feststellen. Wir werden berichten! Hier und da mache ich dann auch noch ein paar Rostausbesserungen. Jetzt muss ich mir nur noch was gescheites für die Hintertüren überlegen, denn da kommt auch immer viel Staub durch. Ich habe da auch schon so eine Idee, aber kein Klettband mehr und im Moment finde ich hier in Chile auch keines, das doppelseitig klebt. Muss ich mir aus Kanada mitbringen.

Die Wartetage gehen für mich eigentlich recht schnell vorbei. Kochen, Putzen, Computerarbeit, täglicher Strandspaziergang und Fotografieren, zwischendrin mal Musik hören oder Lesen ... ehe ich mich versehe, sind die 3.5 Wochen vorbei! Und ich wollte doch noch eine Tourenplanung bis Mai machen ... na ja ... Helen wird sich bestimmt fragen, warum ich dafür keine Zeit hatte ... Babes, wenn man alles alleine machen muss, dauert es eben ein wenig länger. Aber ich bin froh, wenn du wieder da bist!!!

Ich habe uns in der Zwischenzeit übrigens noch einmal für eine Tour bei der Paranal Sternwarte angemeldet. Das MUSS Helen einfach auch sehen, und so weit ist es ja nicht weg von Antofagasta. Wir haben eine Bestätigung für den 18. Februar. Hoffentlich spielt das Wetter mit. Alles weitere dann im nächsten Bericht.