25.2. - 28.02.2017: Santa Laura - El Gigante de Tarapacá - Presencias Tutelares - Cuevas de Anzota - Arica

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Die ehemaligen Salpeter Minen von Humberstone und Santa Laura liegen direkt an der Panamericana. Humberstone kostet 4000 Pesos pro Person Eintritt für Ausländer, Santa Laura ist kostenlos. Ein Grund für uns Humberstone auszulassen. Gegen 16 Uhr stellen wir Winnietwo auf dem Parkplatz von Santa Laura ab. Außer uns sind ganze drei Besucher da, die aber nur wenige Minuten später weiter fahren. Wir haben die alte Geisterstadt ganz alleine für uns. Wunderbar!

Salpeter wurde mal das "Weiße Gold" der Atacama genannt. Es diente als Dünger und wurde von 1870 bis etwa 1960 abgebaut und verarbeitet. Seit den 30iger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde es mehr und mehr von künstlich erzeugten Düngemitteln abgelöst. Die Atacama gehörte ursprünglich mal zu Bolivien und Peru. Von 1879-84 bekriegten sich Chile, Peru und Bolivien im sogenannte Pazifik Krieg. Der Auslöser war das Verbot Boliviens an Chilenische Unternehmen in der Atacama nach Nitratablagerungen zu schürfen. Chile eroberte daraufhin den Hafen von Antofagasta (damals Bolivianisch) und nahm auch gleich noch die Peruanischen Provinzen Tacna und Arica mit ein, um den Bolivianern den Weg zum Pazifik zu versperren. Noch heute ist das den Bolivianern und Peruanern ein Dorn im Auge, denn Chile profitierte enorm vom Landgewinn (Chiles Landmassen wurden um Eindrittel vergrößert). Mit Hilfe von Kapitalinvestitionen aus Großbritannien, Nordamerika und Deutschland wurde der Salpeter Boom in Gang gebracht. Bahnstrecken wurden gebaut, Antofagasta und Iquique wurden zu bedeutenden Häfen, aus dem nichts in der Wüste entstanden große Städte, die Reichtum und eine ausgedehnte Infrastruktur in diese Wüstenlandschaft brachten. Der Boom dauerte nicht allzu lange und Chile endete fast im Bankrott in den 30iger Jahren. Die Atacama ist jedoch auch heute noch reich an Bodenschätzen und der Kupferabbau brachte erneut - und bringt auch heute noch - Chile viel Reichtum.

In der Atacama Wüste findet man heute 170 dieser alten Salpeter Minen - Geisterstädte, die langsam aber allmählich verfallen. Nur noch eine - María Elena - ist für die Nitratproduktion geöffnet. Humberstone und Santa Laura wurden 1872 gegründet und 1960 geschlossen. 3000 Arbeiter verloren alleine in Humberstone ihren Job. 1971 wurde Santa Laura zum Monumento National (Nationaldenkmal) erklärt, 2005 dann zum Weltkulturerbe.

Vom Parkplatz aus betreten wir zunächst die alte Ranch. Alte Betten und Möbel stehen noch in den Räumen, die Fußbodenleisten unter unseren Füßen knarren verdächtig, der Wind pfeift durch die offenen Fenster, in denen kein Glas mehr ist. Geisterstimmen, die es hier angeblich noch gibt, hören wir nicht, aber vielleicht ist der Wind draußen einfach zu stark. Wer weiß ...

Wir laufen ungestört über die ganze Anlage und schauen uns die Räume mit den alten Werkzeugen, Maschinen usw. an. Der Wind pfeift durch die korrodierten Metallwände, Dächer und Fenster - echt spukig und das ein oder andere Mal schauen wir besorgt nach oben ... nicht, dass uns da was auf den Kopf fällt! Das hat schon was und mir macht das Fotografieren hier Spaß. Wir sind dennoch beide froh, dass wir hier nie leben mussten. In der Affenhitze, umgeben nur von Sand, Salz und giftige Dämpfen ... hier möchte man nicht tot überm Zaun hängen, wie Agnes immer so schön sagt. Es muss ein harsches Leben gewesen sein! Trinkwasser war bestimmt so wertvoll wie Gold. Humberstone ist noch einen ganzen Tacken größer als Santa Laura. Hier gab es sogar ein großes Theater, in denen die internationalen Stars von damals auftraten. Wir gucken uns Humberstone nur von draußen an. Santa Laura hat uns sehr gut gefallen, es hat wirklich Atmosphäre.


Santa Laura - ehemalige Salpeter Mine

Nach zwei Stunden Besichtigung machen wir noch schnell eine Cappuccino-Pause im Winnietwo - schließlich habe ich heute ja Geburtstag. Was für ein Kontrast zum letzten Jahr, wo wir meinen 50igsten auf den South Sandwich Islands in der Eiseskälte verbracht haben! Kuchen haben wir leider nicht, aber Helen spendiert ihre Schokokekse aus England.

Wir haben noch Zeit zum Fahren. El Gigante de Atacama liegt nur 45km von Santa Laura entfernt. Auf der Westseite des Cerro Unita sieht man das größte archäologische Abbild eines Menschen in der Welt. Das 86m große Scharrbild soll vermutlich einen Priester darstellen. Experten schätzen, das es aus dem 900 Jahrhundert datiert. Wir finden einen ruhigen Stellplatz für die Nacht direkt unterhalb des Giganten.

Am nächsten Tag machen wir in Huara einen kurzen Internetstopp - im Zentrum des kleinen Dorfes bekommen wir ein erstaunlich starkes und kostenloses WiFi Signal. Es ist schweineheiß und wir erledigen unsere Emails so schnell wie es geht. Auf der Panamericana geht es weiter gen Norden. Eigentlich wollten wir uns die Scharrbilder von Tiliviche angucken, aber wir finden die Zufahrtsstraße nicht. Das GPS weist uns auf eine Schotterstraße hin, die allerdings sehr sandig aussieht. Und so fahren wir weiter.

Kurz nach 15 Uhr müssen wir an einer Straßenblockade anhalten. Die Panamericana wird auf einem 12km langen Stück durch eine Schlucht neu ausgebaut und verbreitert. Zum Glück ist es wolkig und windig, denn wir müssen 40 Minuten lang warten. Ich steige aus und laufe an der Warteschlange entlang. Ein Lasterfahrer aus Argentinien winkt mir freundlich zu und wir kommen ins Gespräch. Wie lange er schon wartet, frage ich ihn. Er macht eine abweisende Handbewegung und ich denke schon, dass es nur wenige Minuten waren, aber er grinst mich an und sagt "Menos de una hora!" - weniger, als eine Stunde, was scheinbar für ihn wenig ist. Er und sein Kollege, der direkt hinter ihm steht, fahren Tanklaster mit einer hoch explosiven Flüssigkeit von São Paulo (Brasilien) bis Lima (Peru). 24 Tage dauert der Trip hin und wieder zurück. Dann hat er fünf Tage frei. Er ist 67 und fährt seit 35 Jahren Laster. Seine Kinder und Enkelkinder sieht er selten, aber so ist das Leben. Immerhin hat man als Lasterfahrer in Südamerika immer einen Job. Im Moment fährt er mit 17 Kollegen für ein Deutsch-Schweizerisches Fuhrwerkunternehmen. Die Chefin kommt ursprünglich aus der Schweiz und leidet gerade unter einem Gehirntumor, der Chef ist Deutschstämmig.

Er freut sich sichtlich über das Gespräch mit mir - eine willkommene Unterbrechung des Wartens. Ich bin immer wieder erstaunt, wie energiegeladen und optimistisch die älteren Arbeitnehmer hier sind und erzähle Helen dann anschließend alles bei einem Becher Cappuccino und ein paar Keksen. Kaum haben wir ausgetrunken, wird die Straße geöffnet. Manche Abschnitte sind schon voll geteert und an den breiteren Stellen werden wir von rasenden Fernbussen und PKWs überholt. Sie haben es eilig! Wir nicht, wir legen einen niedrigen Gang ein und rollen gemütlich den Hang runter. Am anderen Ende der Baustelle warten 93 Fahrzeuge (Laster und PKWs - Helen hat sie alle beim Vorbeifahren gezählt!), die auf dem Weg nach Süden sind. Wir gucken uns das schon einmal genauer an, denn in einer Woche oder so kommen wir an diese Stelle zurück, wenn wir in Richtung San Pedro de Atacama fahren.

Bei Cuya müssen wir durch einen Checkpoint. Der Beamte will lediglich Helens Führerschein sehen - eine Fahrzeugkontrolle gibt es nicht. Anschließend geht es steil den Berg hoch und dann über ein Plateau und durch mehrere Schluchten zu den Presencias Tutelares - Betonfiguren, die 1998 als Kunstskulpturen in die Atacama-Wüste gebaut wurden. Hier finden wir in einer Senke hinter den ersten beiden Skulpturen einen ruhigen und sicheren Stellplatz für die Nacht. Der Himmel ist bewölkt und so ergibt sich leider kein schöner Sonnenuntergang, wie von mir erhofft.

Am nächsten Morgen kommt nach und nach die Sonne durch und wir machen noch ein paar Fotos von Winnietwo vor den Skulpturen, bevor wir die restlichen Kilometer nach Arica fahren. Arica ist eine recht große Hafenstadt im hohen Norden von Chile, die Grenze nach Peru ist nicht weit. Wie immer, wenn wir uns in Grenznähe aufhalten, ist äußerste Vorsicht geboten und wir lassen Winnietwo nicht eine Sekunde aus den Augen.

Ich mache einen Einkauf bei Lider (das ist der Chilenische Walmart), während Helen im kochend heißen Auto wartet. Neben wenigen gesunden Sachen, landet viel Schokolade und Cappuccino-Waffeln in meinem Einkaufskorb. Die Orly-Schokolade ist im Angebot und es gibt auch Marzipan-RitterSport-Schokolade zu einem akzeptablen Preis. Da kann ich einfach nicht NEIN sagen!

Nach dem Einkauf fahren wir zum El Morro hoch. Der große Felsen mit einer alten Festung thront 110m über der Stadt und dem Hafen. Es ist angenehm windig und kühler hier oben und wir machen erst einmal eine Mittagspause. Ich gehe anschließend fotografieren und entleere auch noch schnell unsere Bordtoilette im Toilettengebäude.

Dann rollen wir den Hügel wieder runter und halten direkt neben der Kathedrale von San Marcos. Sie ist insofern interessant, als das sie von Alexandre Gustave Eiffel, dem Erbauer des Pariser Eiffelturms, entwickelt und gebaut wurde. 1870 wurden sämtliche Kirchenteile in seiner Pariser Werkstatt konstruiert und im Auftrage des damaligen Peruanischen Präsidenten nach Arica verschifft, wo die Kathedrale zusammengebaut wurde. Sie besteht zu 100% aus gestampftem und gegossenem Gusseisen, das mit Farbe bedeckt ist.

Am späten Nachmittag fahren wir zu den Cuevas de Anzota raus. Die Höhlen liegen etwa 12km südlich von Arica direkt am Meer. 1.2km vor dem Parkplatz ist die Straße gesperrt. Eigentlich wollten wir bei den Höhlen übernachten, aber der Playa Corazones ist im Moment eine große Baustelle. Scheinbar wird hier ein moderner Strandbereich mit Boardwalk gebaut. Der Parkplatz bei den Höhlen wird scheinbar vergrößert, aber im Moment ist er mehr oder weniger Parkplatz für die Baumaschinen. Insofern ist gerade einmal Platz für 10 Autos und 2 Busse. Bei der Straßensperre werden nur Autos durchgelassen, wenn Autos den Parkplatz bei den Höhlen verlassen.

Wir haben sechs Fahrzeuge vor uns und es dauert. Ich komme irgendwann auf die Idee, dass ich die 1.2km auch locker schon mal laufen kann. Helen bleibt währenddessen in W2 und wartet auf ihren Durchlass. Es gibt mehrere Höhlen. In der Vergangenheit wurde hier Guano, also Vogelscheiße (ebenfalls ein guter Dünger), abgebaut. Steile Treppen führen nach oben. Es ist dunkel, ich habe keine Taschenlampe dabei. Da wir uns in einer Erdbebenregion befinden, habe ich eh immer ein wenig Muffe, wenn ich mich in einer Höhle befinde. Ich lasse deswegen die ein oder andere Höhle aus. Durch die wenigen, die ich begehe, renne ich im Stechmarsch durch. Ich schwöre es ... je älter ich werden, umso mehr werde ich zum Angsthasen. Na ja, Helen kann mir später berichten, ob ich was verpasst habe. Mich faszinieren eher die Krabben und Echsen auf den großen Felsbrocken. Nachdem ich meine Fotos gemacht habe, laufe ich zum Parkplatz zurück. Helen ist seit gut 20 Minuten da und trinkt gerade eine Tasse Tee. Dann geht sie in aller Ruhe auf Entdeckungstour und ich entspanne mich ein wenig.


Cuevas de Anzota

Da wir hier nicht über Nacht bleiben können, fahren wir nach Arica zurück. Auf einer Halbinsel unterhalb des El Morro Felsens gibt es viele Parkbuchten. Wir fühlen uns mehr oder weniger sicher hier, aber die Nacht ist laut. Bis in die frühen Morgenstunden röhren hier die Auto die Straße entlang. Überall schallt laute Musik aus den Autos. Wir hören Bierglasflaschen, die achtlos in die Steinmolen geschmissen werden.

Am nächsten Morgen sieht es rund im Winnietwo aus, wie in einer große Müllhalde. Ich bin geschockt auf meinem Weg zu der Halbinsel. Aber die Stadtreinigung ist schon da. Ich mache ein paar Fotos und Videos von den Surfern, die pfeilschnell in den hohen Wellen unterwegs sind und ihre Künste zeigen. Auf dem Rückweg zu W2 spreche ich eine der Müllbeseitigungs-Damen an. Ich bedanke mich bei ihr für das Aufräumen. Sie freut sich sichtlich darüber und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir, dass die Jugend von Arica hier und an den anderen Strandabschnitten jede Nacht Party macht und einfach den ganzen Müll auf die Straße schmeißt. 10 Lastwagen Müll kommen in Arica auf diese Weise jeden Tag zustande! Wahnsinn!

Sie ist 66 Jahre alt und genau wie ich erschrocken darüber, wie achtlos die jungen Chilenen mit der Natur umgehen. Wenn sie die Jungend freundlich auffordert, den Müll doch lieber in die bereitgestellten Mülltonnen zu schmeißen, dann hört sie immer wieder den Satz: Was willst du eigentlich? So hast du wenigstens einen Job! Es wird in die Blumengefäße und in die Steinmolen gepinkelt und überall riecht es nach Latrine. Was für ein respektloses Verhalten der Natur und ihr gegenüber! Keiner kann ernsthaft glauben, dass dieser Job Spaß macht, oder?

Sie ist bei der Stadt angestellt und räumt jeden Tag 6 Stunden lang den Müll weg. Sie bekommt weder Trinkwasser noch Handschuhe von der Stadt für diese schweißtreibende und auch gefährliche Arbeit. Überall müssen die zerbrochenen Glasflaschen eingesammelt werden. Ich habe heute Vormittag beobachten können, wie sie durch die Steinmolen krachseln musste. Ihre beiden Kollegen sind auch nicht jünger! Dankbar sind nur die Touristen, erzählt sie mir. Leute, wie ich, die gebildet aus Europa kommen und sich der Umweltverschmutzung bewusst sind.


Wellenreiter in Arica

Wir erledigen noch ein paar Dinge in Arica und verlassen gegen 14.45 Uhr die Stadt.