01. - 03.03.2017: Valle de Azapa - Mirador Pucará de Copaquilla - Socoroma - Putre - Lago Chungará - Caleta Camarones

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Von Arica aus fahren wir ins Valle de Azapa - eine fruchtbare Schlucht mitten in der Wüste. Hier wird Obst und Gemüse angebaut. An den Hängen findet man diverse Scharrbilder, aber wir machen dieses Mal keine Fotos davon. Kurz vor San Miguel de Azapa müssen wir über den Río San José, aber das braune Flusswasser sieht verdammt hoch in der Furt aus. Kommen wir da durch? Hmmmm ...

Aus der anderen Richtung kommt gerade ein Fahrzeug und wir sehen, dass das Wasser bis fast an die Fensterscheiben hoch geht. Nein, danke, das machen wir nicht! Hinter uns dreht noch ein anderer PKW um und wir tun das gleiche. Scheinbar regnet es in den Bergen rund um Putre - unsere nächste Reisestation.

Statt die Abkürzung zur CH11 (die geteerte Straße, die nach Putre und dann weiter über die Bolivianische Grenze bis nach La Paz führt) zu fahren, müssen wir nun nach Arica zurück und dann ein ganzes Stück weiter auf der Panamericana nach Norden fahren, um von dort dann rechts auf die CH11 abzubiegen.

Der Teerbelag ist ziemlich wellig auf den ersten Kilometern - pro Tag fahren hier bis zu 500 schwerbeladene Lastwagen nach Bolivien hoch. Im Internet hatten wir schon gelesen, dass es Bauarbeiten auf der Strecke gibt, aber die gibt es auf dieser Straße bestimmt immer. Kaum ist man an einem Ende der CH11 damit fertig, kann man an dem anderen Ende schon wieder damit anfangen.

Und so sind wir nicht überrascht, als wir nach nur 35km an das Ende einer langen Lastwagenschlange kommen. Wir reihen uns zunächst brav ein und machen den Motor aus. Wie lang der Stau ist und wann man die Baustelle passieren kann, wissen wir nicht, denn wir stehen mitten in einem sehr kurvigen Gebiet. Nach etwa 15 Minuten warten, stellen wir fest, dass mehr und mehr PKWs an der Warteschlange vorbeifahren. Sind das Dorfbewohner aus der Nähe, die nur nach Hause wollen? Oder ist die Baustelle für PKWs offen, aber nicht für Laster? Von hinten kommt ein Reisebus an und er fährt ohne anzuhalten vorbei. Okay, der Fahrer weiß offensichtlich etwas, was wir nicht wissen. Wir schmeißen genau wie die beiden Autos vor uns den Motor an und folgen.

Wir passieren die lange Lasterschlange und schaffen es tatsächlich bis nach ganz vorne zur Straßensperre. Dort gibt es Platz auf der linken Seite der Fahrbahn zum Parken. Gegen 16 Uhr fangen neben uns ein paar Laster an zu hupen, aber die Absperrung bleibt geschlossen. Es kommen uns auch keine Fahrzeuge entgegen. Nach etwa 40 Minuten Warten wird es dann urplötzlich hektisch. Alle schmeißen den Motor an - es ist wie ein nicht hörbarer Startschuss! Ehe wir uns versehen, ist die Sperre offen, die PKWs brausen im Affentempo davon, von hinten kommen die Laster, wir quetschen uns dazwischen ...

Warum die Eile?, fragen wir uns, denn hinter der Sperre ist die Straße nur einspurig, es geht durch den Schotter, wir rumpeln über die Schlaglöcher. Kaum sind wir an dem kleinen Dorf vorbei, begrüßt uns allerdings eine neue Teerstraße, die im Zickzack steil den Berg hoch geht. Andere PKWs lassen wir vorbei, sie sind einfach schneller unterwegs, als wir ... die Laster kommen aber nicht hinterher und so haben wir die neue Strecke ganz für uns alleine.

Wir erfahren ein paar Tage später auf unsere Rückfahrt nach Arica, dass die Baustelle insgesamt 13km lang ist und zu bestimmten Tageszeiten in beide Richtungen gesperrt ist, damit man an der neuen Strecke arbeiten kann. Offensichtlich kennen die Lastwagenfahrer die Sperrzeiten und werden entsprechend ungeduldig, wenn sie auch noch verlängert werden. Der Weg zur Bolivianischen Grenze ist eh schon beschwerlich, denn auf den gut 200km bis zum Grenzposten geht es steil und kurvig bis auf über 4.600 Höhenmeter hoch. Kein leichtes Fahren!

Das müssen auf wir feststellen, zumal es bei 2.500m anfängt zu regnen. Wir fahren teilweise im dichten Nebel und Helen muss sich höllisch konzentrieren. An einigen Stellen ist die brandneue Straße auch noch überflutet und Steine liegen mitten auf der Fahrbahn. Aber wir kommen ohne Probleme durch und schaffen es bis 17.45 Uhr zum Mirador Pucará de Copaquilla. Dieser Aussichtspunkt liegt auf knapp 3.100 Höhenmetern und der Parkplatz an der tiefen Schlucht ist ideal zum Übernachten für uns. Ein großer Felsen versperrt den Blick von der CH11 auf den Parkplatz und so stehen wir sicher und ungestört.

Es ist erstaunlich kalt (13°C, gefühlte 4°C) und feucht hier oben und wir ziehen uns erst einmal warme Klamotten an. Dann mache ich ein paar Fotos, bevor der Nebel und Regen zu heftig wird. Helen nutzt den Nieselregen und schnappt sich unseren Fensterwischer, um Winnietwo von draußen ein wenig zu reinigen. Wir hatten viel Staub und Meeressalz von der Küste drauf und anschließend sieht W2 wieder einmal weiß aus. Well done, Helen!

Am nächsten Morgen ist der Himmel immer noch bewölkt, aber die Wolken stehen deutlich höher am Himmel und ab und zu kommt sogar mal ein wenig Blau durch. Während Helen ihre fünfte Tasse Tee (oder so) trinkt, laufe ich mit der Kamera zur alten Festung Pukará de Copaquilla rüber. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und hat damals die Prä-Kolumbianische Landwirtschaft und etwa 500 Einwohner beschützt. Heute sieht man nur noch die Steine der Fundamente, aber auch das hat was in der wunderbaren Stille hier oben.

Mirador Pucará de Copaquilla - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Auf dem Weg nach Putre machen wir einen kleinen Abstecher nach Socoroma, hier leben seit dem 17. Jahrhundert die Aymaras und ernähren sich von der Landwirtschaft. Gemüse wird hier auf Steinterrassen angebaut. Die Serpentinenstraße ist etwa 4.5km lang und nicht sehr breit, aber wir haben kaum Gegenverkehr. Bis ganz in den Ort schaffen wir es nicht - ein Hinweisschild sagt etwa 800m vor dem Dorf "No entrada" (kein Eintritt). Zum Glück können wir in einer kleinen geteerten Seitenstraße parken, hier hält auch der Bus.

Ich schnappe mir die Kamera und laufe ins Dorf. Zum Glück hat man uns weiter oben schon gestoppt, denn die Pflastersteinstraße bis zum Dorfeingang ist sehr eng und steil. Hinter dem Begrüßungstor wird es dann sehr matschig. Ich stoße auf eine kleine Gruppe Einheimischer, die mit einem Esel und einer geschmückten Figur vor dem Dorf stehen. Ein älterer Mann erklärt mit, es ist Karnevalswoche und der Esel mit der Figur ist eine Tradition. Seit 14 Tagen hat es heftig geregnet, deswegen sind die Straßen unbefahrbar. Es ist der erste Regen seit zwei Jahren. Die Felder konnten lange nicht mehr bestellt werden, die jungen Leute haben sich deshalb Arbeit in der Stadt (Arica) gesucht und jetzt bauen nur noch Leute privat für ihren Eigenbedarf Mais und Gemüse an. Mir wird jetzt auch klar, warum der Fluss so reißend im Valle de Azapa war. Das Land muss vor den Regenfällen total ausgetrocknet gewesen sein.

Ich versuche, so weit es geht, den Matsch zu umlaufen. Das Dorf ist klein und überschaulich und nicht auf Tourismus gedrillt. Die Menschen hier sind sehr freundlich und grüßen mich ohne Scheu. Ich mache ein paar Fotos von der alten Adobe-Kirche, die aber leider geschlossen ist. Auf dem Rückweg fängt es leicht an zu nieseln. Um mich herum trällern die Singvögel - ein Geräusch, das wir lange nicht mehr gehört haben. Schön! Helen erspart sich den Besuch und wir fahren weiter nach Putre.

Das Aymara Dorf liegt auf knapp 3.600 Höhenmetern und hat ganze 1500 Einwohner, die ebenfalls von der Landwirtschaft leben. Wir kommen gegen 15 Uhr dort an und stellen uns direkt vor dem Rathaus auf den Dorfplatz. Hier finden wir ein rattenschnelles Internet!!! Super, denn es fängt an zu regnen - ideal, um den HSV im Pokal gegen Gladbach live zu gucken. Die erste Halbzeit haben wir leider verpasst und die zweite ist auch nicht so erfreulich für uns, denn der HSV verursacht zwei dumme Elfmeter und verliert.

Ich nutze anschließend die gute Verbindung, um diverse YouTube-Videos hochzuladen - mit dem Schreiben der Berichte und den Fotos kommen wir im Moment aber kaum hinterher. Wir machen einfach zu viel!

Irgendwann nehme ich am späten Nachmittag Flöten- und Trommelgeräusche wahr. Ich ziehe mich warm an und gehe der Sache auf den Grund. Eine Gruppe Musikanten und Tänzer ist in den engen Gassen unterwegs - ein kleiner Karnevalsumzug. Die Musik ist immer die gleiche. Was anfangs noch interessant ist, geht uns nach fast fünf Stunden dann leicht auf den Wecker, denn der Umzug endet natürlich auf dem Dorfplatz. Hier schließen sich dann noch andere Tänzer an und man kommt richtig ins Rollen. Direkt neben Winnietwo! Wir wollen ins Bett und sind müde. Typisch! Wir gehen davon aus, dass das noch stundenlang geht, und ich mache ein Video von uns im Bett liegend. Wir schauen es uns anschließend auf der Kamera an und uns laufen vor Lachen die Tränen. Achtet mal auf meinen Mund, wenn wir schweigend der Musik lauschen. Eine Mischung aus Angela Merkel und Donald Trump!


Auf dem Weg von Arica nach Putre

Um 22.20 Uhr ziehen die Tänzer und Musikanten dann aber von Dannen, dennoch bekommen wir in der Höhe nur wenig Schlaf. Dafür lacht am nächsten Tag die Sonne vom Himmel. Super, denn wir wollen heute bis zum Lago Chungará hoch. Der liegt auf über 4.500 Höhenmeter, etwa 15km von der Bolivianischen Grenze entfernt. Auf dem Weg dahin sehen wir Vicuñas und Vizcachas (eine Chinchilla Art). Die Vizcachas sind unglaublich putzig - man möchte am liebsten eines mit nach Hause nehmen.

Vicuñas hat es zu Inka-Zeiten millionenfach im Altiplano gegeben. Ihr Gebiet reichte bis in den Süden von Ecuador. Im Gegensatz zum Llama oder Alpaca lassen sie sich aber nicht domestizieren. Sie wollen sich partout in Gefangenschaft nicht paaren. Ihr Fleisch und die Wolle wurden über Jahrtausende von den einheimischen Stämmen genutzt. Eine immer größer werdende Bevölkerung im Altiplano und damit die Jagt auf Vicuñas und der Verlust des Lebensraumes dieser scheuen Tiere haben dazu geführt, dass es in den 1970iger Jahren nur noch etwa 1000 Vicuñas im Norden von Chile gab. Mehrere Schutzprogramme wurden gestartet, aber die super feine Wolle der Vicuñas sorgte für eine immer weiterführende Ausrottung. 1990 haben die Aymaras dann damit angefangen, die Vicuñas lebend einzufangen. Sie wurden auf der Stelle geschoren und dann wieder frei gelassen. Das hat dazu geführt, dass die Aymaras nicht nur an die kostbare Wolle kamen, sondern das Wilddiebe mit den geschorenen Tieren nichts mehr anfangen konnten. Obendrein wurden Nationalparks eingerichtet und diese kombinierten Maßnahmen führen dazu, dass die Anzahl der Vicuñas wieder zunimmt. Im Norden von Chile befinden sich heute etwa 25.000 Vicuñas, in der gesamten Andenregion sind es mehrere Hunderttausend - eine echte Erfolgsgeschichte.

Der Lago Chungará liegt im Parque Nacional Lauca. Er ist einer der höchstgelegenen Seen der Welt. Die beiden Zwillingsvulkane Volcán Parinacota (6.342m) und Volcán Pomerape (6.282m) thronen im Hintergrund. Wir wollten eigentlich bis zu einer Rangerstation am See fahren, aber wir sehen von weitem schon eine lange Lasterschlange. Noch vor der Rangerstation ist die Straße wegen Bauarbeiten erneut gesperrt. Da wir keine Lust auf das Warten haben (wer weiß, wann wir auf dem Rückweg durchgelassen werden), drehen wir gleich wieder um. Ich mache noch schnell ein paar Fotos von einem Aussichtspunkt, aber die Vulkane liegen halb unter den Wolken. Im See sind nur wenige Flamingos und wir kommen leider auch nicht bis an den See runter für ein paar Nahaufnahmen. Da der Himmel sich bedrohlich zuzieht, fahren wir gegen 14 Uhr wieder in Richtung Putre zurück. Über 4 Stunden waren wir hier oben auf über 4000 Höhenmetern unterwegs. Die Fahrt hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Wir kommen gut voran und genießen noch einmal die Fahrt im Sonnenschein. Auf 2.500 Höhenmetern mache ich noch ein paar Bilder aus dem Fenster von den Candelabra Kakteen. Sie sind selten zu finden und auf dem Hinweg war es zu neblig für Fotos. Kurz vor 18 Uhr finden wir einen guten Stellplatz für die Nacht direkt vor einer Borox Fabrik. Der Parkplatz hat sogar ein Dixieklo, in das ich unsere Toilette entleere. Sehr praktisch! Da wir nur noch auf gut 1.650 Höhenmetern sind, schlafen wir dieses Mal tief und fest und wachen erst nach 10 Stunden Schlaf wieder auf. Die Höhe schlaucht!

Die Borox Fabrik liegt nur noch 8km von der Baustelle entfernt. Wir bemerken morgens beim Frühstücken, dass sich in beide Fahrtrichtungen nicht ein Fahrzeug bewegt. Komisch! Kommen wir überhaupt heute durch?

Die Antwort kommt schnell. An der Baustelle ist die Sperre mitten auf der Straße, kein einziges Auto wartet in der Schlange. Wir erfahren von der jungen Dame, die im Bauhäuschen wartet, dass die Straße erst wieder um 14.30 Uhr geöffnet wird. Bis dahin waren es noch drei Stunden!!! Sie schaut sich unser Fahrzeug an und erzählt uns, dass es eine Alternativ-Route nach Arica gibt, die für Lastwagen nicht geeignet ist, aber wir sollten ohne Probleme durchkommen. Der Abzweiger nach Cuesta de Aguila liegt aber 13km zurück in Richtung Putre, die Straße ist nicht geteert, soll aber in einem guten Zustand sein. Hmmmm, was machen wir? Drei Stunden warten sagt uns gar nicht zu. Ich finde die Alternativ-Route auf unserem GPS und es sieht sogar nach einer kürzeren Strecke aus. Lass und das probieren, sage ich zu Helen und wir drehen um.

Die ersten 9km sind tatsächlich nicht geteert, aber die Straße hat einen festen Belag, auf dem wir gut voran kommen. Wir passieren eine kleine Baustelle ohne Probleme und kurze Zeit später stoßen wir auf einen Teerbelag. Wir können unser Glück kaum fassen! Die Straße ist zwar nicht besonders breit, aber es herrscht ganz wenig Verkehr und wir sehen obendrein noch einmal eine ganz andere Landschaft, denn es geht durch die Quebrada del Diablo - die Teufelsschlucht! Warum die so heiß, können wir nur erahnen, nachdem ich unten im Tal ein total zerstörtes Fahrzeug entdeckt habe. Da ist jemand von der Strecke abgekommen und hat sich mehrfach überschlagen. Schon vorsichtig fahren, Helen!

Für die 33km auf der A191 brauchen wir nur eine Stunde und die Straße führt uns direkt in das Valle de Azapa. Da wir dieses Mal schon auf der anderen Seite des Flusses sind und ihn nicht überqueren müssen, können wir ohne Probleme weiter bis Arica fahren.


Lago Chungará bis Arica

Hier verbringen wir drei Stunden mit Einkaufen, Tanken und Internet. Ich laufe auch noch schnell zu einer Michelin-Reifenwerkstatt und erkundige mich nach den Preisen für unsere Reifen. Kaum zu glauben, aber der Preis ist besser, als in der Duty Free Zona Franca von Iquique und das inklusive Montage. Dennoch kaufen wir noch keine, denn unsere Reifen sollten noch für etwa 4000 bis 5000km gut sein.

Gegen 16.30 Uhr verlassen wir Arica und es geht wieder in Richtung Süden. Wir wollen uns in Chile noch San Pedro de Atacama anschauen und dann über den Paso Jama nach Argentinien einreisen. Da wir die Strecke schon kennen und von der Baustelle nahe Cuya wissen, beschließen wir nur bis Caleta Camarones zu fahren - ein kleines Fischerdorf am Pazifik. Der Abstecher von der Panamericana ist nur 12km. Wir finden einen sicheren und ruhigen Platz am Strand. Enorm hohe Wellen brechen sich an den Klippen.


Hohe Wellen in Caleta Camarones & Musik