11. - 13.03.2017: ALMA - Paso Sico - Toconao

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Wie immer, wenn wir uns den Wecker stellen, sind wir schon vorher wach! Gegen 7 Uhr morgens wird es draußen gerade hell. Der Wecker klingelt um 7.45 Uhr und Helen macht uns eine Tasse Tee, ich mache das Bett ... wir warten auf den ALMA Bus, der angeblich direkt hinter Winnietwo gegen 8.15 Uhr hier sein soll. Aber das ist er nicht.

Ich gehe um 8.30 Uhr raus und sehe, wie zwei Touristen mit Kameras um den Hals um die Ecke kommen. Das Paar nimmt direkt neben uns auf einer Parkbank Platz und ich frage sie, ob sie auch auf den ALMA Bus warten. Ja, erklärt mir Durval aus Rio De Janeiro, der zusammen mit seiner Frau Monica auf der Warteliste für die ALMA Tour steht. Sie haben sich vor vier Wochen im Internet angemeldet. Da ich kein Portugiesisch spreche und Durval kein Spanisch, unterhalten wir uns super entspannt auf Englisch. Durval ist Hobby-Astronom und er reist mit seinem eigenen Teleskop zu den besten Orten der Welt, wo man Sterne beobachten kann. Sein Lieblingsort war vor der ALMA Tour die Mojave Desert in Arizona.

Immer mehr Leute kommen zum Platz und irgendwann nehme ich wahr, dass der ALMA Tourguide da ist - vom Bus ist weit und breit nichts zu sehen. Es ist eine junge Chilenin, die auf Spanisch und Englisch nach Leuten fragt, die keine Reservierung haben oder auf einer Warteliste stehen. Ich melde mich sofort und sie reicht mir ein Buch, auf dem ich mich und Helen mit Namen und Passnummer eintragen soll. Sind Plätze frei, dann rücken wir als die ersten beiden Besucher nach.

Es ist 8.45 Uhr und Helen und ich machen uns fertig, denn ich muss Winnietwo noch schnell zum Quechua Hotel hoch fahren, damit er da sicher in unserer Abwesenheit steht. Er qualmt gewaltig aus den Auspuff und auf der kurzen Strecke wird der Motor nicht warm. Prompt geht der Motor an der Steigung aus und ich muss ihn noch einmal starten. Mit etwas Rangieren komme ich ohne Probleme durch das enge Eingangstor zum Hotelgelände. An der Reservation ist heute die Schwester der Chilenin, mit der ich gestern gesprochen habe. Ich erkläre ihr kurz, dass wir in 4-5 Stunden wieder da sind und dann die 600 Pesos pro Stunde bezahlen werden. Kein Problem!

Fünf Minuten vor 9 Uhr bin ich wieder am Platz. Jetzt ist der Bus da. Draußen warten neben Helen noch etwa 25 andere. 50 Besucher finden Platz im Bus und auf der Tour. Da sollte doch ein Platz für uns heute sein, oder? Wir bemerken erst später, dass der Bus bereits halb voll ist. Vermutlich eine Spanisch-sprechende Gruppe, die bereits von ihrem Hotel abgeholt wurde. Paula, unser Tourguide, liest die Namen auf der Reservations- und Warteliste runter und nach und nach steigen die anderen ein. Bei vielen Namen meldet sich niemand. Die Leute haben reserviert, sind aber nicht gekommen. Das passiert wohl häufig und das ist gut für uns, denn am Ende sind noch 8 Plätze frei und wir sind nur 6 Leute ohne Anmeldung, also kommen alle mit. Super! Wieder mal ein sehr gutes Timing von uns!

Die Busfahrt zum ALMA-Komplex dauert 40 Minuten, wir sehen ein Sicherheitsvideo und müssen eine Unterschrift leisten. Der Komplex - OSF genannt (Operation Support Facility) - liegt auf 2900 Höhenmetern und nach dem Aussteigen müssen fast alle erst einmal zum Klo. Es gibt nur eine Toilette für die Damen, die Herrentoilette ist um einiges größer, was darauf schließen lässt, dass hier überwiegend Männer arbeiten. Die 50 Besucher werden in eine Englische und eine Spanische Tour aufgeteilt und wir versammeln uns draußen in den jeweiligen Gruppen. Paula erklärt uns zunächst die allgemeinen Dinge. San Pedro de Atacama liegt etwa 35km entfernt, wir sehen es in der Ferne. 200 Mitarbeiter sind hier tätig, davon kommen 80% aus Chile - das war eine der Bedingungen, die Chile im Gegenzug für die kostenlose Nutzung des Gebietes gestellt hat. Trinkwasser wird in vier großen Metallzylinder gelagert. Das Wasser, sämtliche Nahrungsmittel und das natürliche Gas, dass zur Energiegewinnung hier eingesetzt wird, werden aus Calama angeliefert. Für die Zukunft ist eine Gas-Pipeline aus San Pedro de Atacama angedacht.

Die Mitarbeiter wohnen zur Zeit noch in weißen Containern, das neue Resistenz-Gebäude ist aber schon fast bezugsfertig. Wir können es auf der Tour leider nicht besichtigen. 18 Astronomen arbeiten in der Regel vor Ort. Der Hauptsitz von ALMA in Chile liegt aber in Santiago de Chile, wo gut 60 Astronomen die gewonnenen Daten interpretieren und auswerten. Die Teleskope sind unterirdisch mit Glasfaserkabeln mit dem ALMA Computer verbunden. Es ist der weltgrößte Computer außerhalb von militärischen Einrichtungen. Von hier aus werden die gewonnenen Daten - digitale Zahlen (keine Bilder!) - nach Santiago übermittelt. Dort werden dann die Nullen und Einsen von Astronomen interpretiert und in optische Bilder umgewandelt.

ALMA steht für: Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA bedeutet Seele auf Spanisch). Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von 21 Ländern aus Nordamerika (USA und Kanada), Europa (15 ESO Staaten - siehe auch unseren Paranal Bericht) und Asien (Südkorea, Japan und Taiwan) sowie Brasilien. Chile ist nur Gastgeberland, darf aber die Teleskope zu 10% der Nutzungszeit verwenden (20% Nutzung für Nordamerika, 20% Nutzung für Europa, 50% für den Rest der Welt). Wie bei der Sternwarte in Paranal kann sich jeder Astronom/Wissenschaftler auf der Welt für die Nutzung der ALMA Teleskope bewerben. Ist das Projekt genehmigt, dann ist die Nutzung der Teleskope kostenfrei.

Auf dem Chajnantor Plateau in 5100 Meter Höhe stehen 66 Radio-Teleskope, 54 davon haben einen Durchmesser von 12m! 25 Nordamerikanische Teleskope, 25 Europäische und 4 Japanische. Japan hat außerdem noch 12 Teleskope mit einem 7m Durchmesser für das ALMA Projekt gebaut.

Vor dem Baubeginn 2003 wurden drei Konzepte für ALMA entwickelt - ein Amerikanisches, ein Europäisches und ein Asiatisches. Die besten Wissenschaftler, Astronomen und Elektro-Ingenieure der Welt haben diese Konzepte entwickelt. Sie wurden einem ALMA Gremium vorgelegt und man hat das Beste vom Besten in ein Gesamtkonzept integriert. Von außen sehen die Teleskope unterschiedlich aus, aber im inneren Kern - in der Technik sozusagen - funktionieren sie alle gleich. Nur so konnte garantiert werden, dass die 66 Teleskope im Verbund zusammenarbeiten können.

Da die 66 Radioteleskope nicht mit optischen oder Infrarot-Licht arbeiten, sondern mit elektrischen Wellenlängen können sie 24 Stunden im Einsatz sein. Sie arbeiten auch im grellen Tageslicht. Die optischen Teleskope von La Silla und Paranal können dagegen nur nachts den Himmel observieren. Die Teleskope sind auf dem Chajnantor Plateau beweglich stationiert. Mit Hilfe eines Transporters können Sie zu bestimmten Positionen bewegt werden. Der maximale Bewegungsdurchmesser beträgt 16km, der minimale 4km. Das Bewegen der Teleskope dauert etwa einen Monat, dann stehen sie 3 Monate lang fest auf einer Position, bevor sie wieder bewegt werden.

Paula erklärt uns, dass der 16km Durchmesser gewählt wird, wenn man ganz konzentriert einen Punkt im Universum betrachten will. Je größer der Durchmesser, desto weiter und exakter kann man ins All schauen. Sind die 66 Teleskope eng beieinander gestellt (also in einem Durchmesser von 4km), dann wird in der Regel ein großer Blickwinkel erzeugt und ein größerer Bereich im All betrachtet, wie z.B. die Milchstraße im Ganzen.

Dieses Jahr hat es sogar einen Versuch gegeben, wo man Radioteleskope in New Mexico und auf Hawaii mit den ALMA Teleskopen zusammengeschaltet hat, um einen gigantischen Durchmesser zu erzeugen, aber das Projekt ist technisch fehlgeschlagen, soll aber in der Zukunft noch einmal wiederholt werden. Ähnlich wie beim VLT in Paranal, werden die Teleskope per Interferometer zusammengeschaltet, um damit in die ganz weiten Fernen des Universums zu gelangen.

Warum wurde ALMA auf dem Chajnantor Plateau gebaut? Unsere Erdatmosphäre reflektiert oder lenkt die Strahlen aus dem All ab und sorgt bei optischen Teleskopen für Unschärfen. Für Radiowellen ist unsere Atmosphäre noch weniger durchlässig, als für optische oder andere Strahlen, deswegen hat man nach einem Ort gesucht, der sich in über 5000 Höhenmetern befindet mit ganz geringer Luftfeuchtigkeit. Die Atacama Wüste ist neben der Antarktis die trockenste und älteste Wüste auf unserem Planeten. San Pedro de Atacama und Calama sind außerdem zwei Städte in der Nähe über die die Mitarbeiter und die ALMA Installationen mit allem, was benötigt wird, versorgt werden können.

Wissenschaftler haben auf dem Chajnantor Plateau über ein Jahr lang Messungen gemacht, um die Luftfeuchtigkeit, die Windstärken, den atmosphärischen Druck, die Temperaturen usw. zu bestimmen. Chajnantor Plateau wurde zum idealen Standpunkt für ALMA erklärt. Die Teleskope sind in der Regel 11 Monate im Jahr im Einsatz, nur im Februar wird ALMA komplett abgeschaltet. Dann ist Regenzeit (Januar bis März) hier und sehr häufig ist der Wind mit mehr als 70km/h unterwegs. Diese Windstärken bringen die Teleskope zum wackeln, obwohl jedes Teleskop gut 100 Tonnen wiegt. Die Vibrationen lassen keine Messungen zu. Der Februar wird dazu genutzt die technische Wartung der Teleskope zu machen. Wenn möglich, macht man die Wartung und auch die Reinigung der Teleskope oben auf dem Plateau. Ursprünglich war geplant, das im OSF zu machen, aber der Hin- und Her-Transport ist einfach zu teuer und aufwändig.

2003 wurde der Baustein für ALMA hier in der Atacama gelegt. Die 66 Teleskope wurden über mehrere Jahre in den drei Kontinenten produziert, die Einzelteile dann in die Atacama verschifft/transportiert und dann hier im OSF zusammengebaut. 2009 wurden die ersten drei Teleskope (von jedem Kontinent eines) erfolgreich getestet und zusammengeschaltet. 2013 standen dann alle 66 Teleskope auf dem Plateau.

Jedes Teleskop arbeitet mit 10 Rezeptoren, die die 10 festgelegten Bandbreiten der Millimeter/Submillimeter Wellenlängen abdecken. Diese Rezeptoren befinden sich im sogenannten Frontend, dem technischen Kern des Teleskops, das sich aber auf der Rückseite der Antennenschüssel befindet. Die 12m bzw. 7m großen Antennenschüsseln bestehen aus Aluminium und Karbonfasern. Die Rezeptoren müssen mit flüssigem Helium gekühlt werden und zwar auf eine Temperatur von -269°C. Die zu betrachtenden Lichtquellen im All erzeugen Millimeter/Submillimeter Wellenlängen, deren Temperatur nur wenige Zehntelgrade über der absoluten Nulltemperatur (-272.85°C) liegt. Astronomen nutzen dieses Licht zur Erforschung der Chemischen und Physikalischen Zusammensetzungen von molekularen Gaswolken, aus denen sich neue Sterne bilden. Diese Wellenlängen sind auch ideal zur Erforschung von früheren und am weitesten entfernten Galaxien. Im Gegensatz zu optischen Teleskopen werden die ALMA Teleskope also in die dunklen Bereiche unseres Universums ausgerichtet.

Damit die Rezeptoren stets auf -269°C gekühlt werden können, muss das Teleskop alle 48 Stunden an eine Stromquelle angeschlossen werden. Auf dem Chajnantor Plateau befinden sich 200 Strompunkte für die 66 Teleskope.

Wir gehen nach der Einführung in das Hauptgebäude. Hier erklärt uns Paula in einer Balkon/Fotogalerie die Details zu allen ALMA Einrichtungen. Es gibt zwei Transporter, die in Deutschland gefertigt wurden, und die die 66 Teleskope zum Plateau transportiert haben. Sie werden auch zum Bewegen der Teleskope auf dem Plateau verwendet. Otto und Lore - so heißen die beiden Transporter - wiegen jeweils 132.5 Tonnen. Sie haben 28 Reifen, von denen jeder einzelne 360 Grad gedreht werden kann. Paula steht vor einem Lego Modell und erklärt uns die Feinheiten (siehe unser Video). Sie sagt, dass die Transporter 10m lang, 6m breit und 4m hoch sind, aber das stimmt nicht. Ich lese später auf der ALMA Webseite, dass die richtigen Maßen 20m lang, 10m breit und 6m hoch sind. Das kommt auch wesentlich besser hin!

Draußen sehen wir Lore unter einem Dach stehen und Paula verspricht, dass wir diesen Transporter später aus unmittelbarer Nähe bestaunen können. Außerhalb des Gebäudes stehen zur Zeit ein Europäisches (die Verstrebungen zum Reflektionsspiegel in der Antennenschüssel sind gerade) und ein Japanisches Teleskop (die Verstrebungen sind halbrund innerhalb der Schüssel). Beide werden überholt, arbeiten parallel aber auch an einem neuen Projekt, das den Durchmesser der Radioteleskope noch einmal über die 16km hinaus vergrößert.

Das Besichtigen der 66 Teleskope auf 5100 Höhenmeter ist nicht Bestandteil der Tour. Niemand will das gesundheitliche Risiko dafür übernehmen. Oben herrschen kalte Temperaturen, die UV Strahlung ist enorm, und der Sauerstoffgehalt in der Luft gering. Selbst die Mitarbeiter von ALMA, die dort oben im Einsatz sind, tragen Sauerstoffgeräte. Insofern haben wir gerade Glück, dass zwei der 66 Teleskope hier unten im OSF stehen. Normalerweise bekommt man sie nämlich nicht zu Gesicht!

Fotos an den Wänden zeigen die Erfolge von ALMA. Noch bevor alle 66 Teleskope 2013 operationsbereit waren, hat man in der Testphase bereits bahnbrechende Entdeckungen gemacht. So wurde z.B. der Zusammenstoß zweier Galaxien aufgezeichnet. Dann hat man Bilder von der Entstehung eines Planetensystem gemacht. Deutlich ist die Sonne in Zentrum zu erkennen. Drum herum befindet sich ein Ring aus Staub- und Gesteinsmassen. Man vermutet, dass unser Sonnensystem vor 4 Milliarden Jahren ebenfalls so entstanden ist. Sensationell war auch die Beobachtung eines sterbenden Sterns. In nur wenigen Jahren hat sich durch den Einsatz der ALMA Teleskope vieles von den Weltraum-Theorien entweder bestätigt oder man hat komplett neue Erkenntnisse über unser Universum gewonnen. In Zusammenarbeit mit dem VLT in Paranal und dem Weltraum-Teleskop Hubble sind gigantische Entdeckungen in den letzten vier Jahren gemacht worden.

Wir sehen anschließend ein Video, dass den Werdegang von ALMA und den Ablauf der 10-jährigen Herstellung zeigt. Dann gehen wir zum Kontrollraum. Auf dem Weg dahin passieren wir das Labor, in dem die Rezeptoren gewartet werden. Ein Techniker ist gerade dabei, einen der Rezeptoren aus der Schutzhülle zu holen. Das Labor ist frei von Statik und Staub. Wir können ungestört durch die großen Fenster Fotos und Videos machen.

Der Kontrollraum ist kleiner als in Paranal. Auf einem großen Monitor sehen wir, dass in diesem Moment 56 der 66 Teleskope in irgendeiner Form arbeiten. Wissenschaftler sitzen vor großen Monitoren und steuern die Teleskope. Beeindruckend!

Wir verlassen das Gebäude und Paula reicht uns rote Sicherheitshelme. Dann laufen wir zum Europäischen Teleskop rüber und können es aus der Nähe bestaunen. Ganz schön groß! Anschließend geht es zu Lore, einem der beiden Transporter, rüber. Paula öffnet die Fahrertür und wir dürfen für Fotos sogar drinnen Platz nehmen. Cool!

Nach 2,5 Stunden vor Ort ist die Tour zu Ende. Wirklich informativ und beeindruckend! Paula ist bei ALMA angestellt. Sie ist Biologin und unterrichtet die ALMA-Mitarbeiter, die auf dem Plateau und beim OSF arbeiten. ALMA hat es sich zum Ziel gemacht, die Natur hier nicht zu belasten und Paula ist sozusagen für den Naturschutz zuständig. Nebenbei macht sie Samstags und Sonntags die Besuchertouren. Wir bedanken uns beim Aussteigen in San Pedro de Atacama ganz herzlich bei ihr.

Durval und Monica, das Paar aus Brasilien, saß im Bus immer neben uns. Wir haben die ganze Zeit geklönt. Die beiden lassen sich am Ende noch gute Tipps von uns geben, denn auch sie haben den Traum nach ihrer Pensionierung im Wohnmobil die Welt zu bereisen. Wir tauschen Emailadressen und Webseiten aus. Wer weiß, vielleicht besuchen wir sie nächstes Jahr in Rio de Janeiro.


Kostenlose Tour bei ALMA

Gegen 13 Uhr holen wir Winnietwo beim Quechua Hotel ab. Wir zahlen gerne die 2400 Pesos (3.60 EURO) für das sichere Unterstellen und dürfen auch gleich noch unsere Bordtoilette entleeren und Wasser auftanken. Super!

Anschließend kaufen wir noch 40 Liter Trinkwasser und machen eine lange Mittagspause an dem Plaza, wo wir schon die letzte Nacht gestanden haben. Gegen 16 Uhr fahren wir zur einzigen Tankstelle in San Pedro de Atacama. Sie liegt in einer Hotelanlage mitten in der Stadt und ist nicht einfach zu erreichen. Der viele Regen von den letzten Wochen hat die Ton/Lehmstraßen matschig werden lassen und offensichtlich tiefe Wasserlöcher hinterlassen. Jetzt ist zwar alles abgetrocknet, aber wir kommen nur im Schritttempo auf den holprigen Straßen voran.

Wir verlassen San Pedro und fahren zur Laguna Cejar. Hier soll man toll in der Salzlagune schwimmen können. Von weitem sehen wir schon ein großes Gebäude mitten in der Natur - ein Visitor Center, dass Millionen gekostet haben muss. Dementsprechend will die Dame bei der Einfahrt 15.000 Pesos pro Person von uns haben. Ich schaue sie entgeistert an. "Ridiculo!", sage ich. Das sind über 22 EURO pro Person! Spinnen die? Wir drehen um! Die Dame ist gar nicht begeistert von mir. Aber das Eintrittsgeld ist eine echte Frechheit. Die Laguna ist nicht größer, als ein Fußballfeld.

Wir fahren 3km zurück und stellen uns unter einen großen Baum für die Nacht. Ich hole die Liege raus und genieße den tollen Blick auf die Schneebedeckten Vulkane. 15 Minuten später kommen drei Chilenisches Autos an und etwa 20 Kleinkinder steigen aus. Ein Picknick unterm Baum ist angesagt. Wir sind umzingelt von Kindergeschrei, aber nach dem Sonnenuntergang fahren sie zum Glück wieder nach Hause. Um Mitternacht herum kommt ein Camper und stellt sich auf die andere Seite des Baums. Wir verbringen eine wunderbar ruhige Nacht hier.

Wir sehen am nächsten Morgen, dass unsere Nachbarn einen Wicked-Camper haben - das sind die bunten Camper, die man hier überall in Chile mieten kann. Ein junges Türkisches Paar hat den Camper für drei Tage hier in San Pedro de Atacama für rund 400 US Dollar gemietet. Sie haben sich ausgerechnet, dass das günstiger ist, als wenn sie hier die geführten Touren bucht. Außerdem ist man damit flexibler unterwegs. Die beiden erzählen uns, dass schon die Jugendherbergen in San Pedro wahnsinnig teuer sind. Außer dem Tourismus gibt es für San Pedro auch keine weiteren Einnahmequellen. Entsprechend hoch sind die Preise. Gut, dass wir Winnietwo haben! Wir geben im Moment vielleicht 600 US$ im Monat zusammen aus.

Das Paar war gestern auf dem Weg zum Paso Sico unterwegs, den wir für heute auf dem Plan haben. Sie geben uns tolle Tipps. Wir erfahren z.B., dass die Laguna Tebinquinche (eine weitere Lagune zum Baden) 2.500 Pesos pro Person kostet, die Laguna Aguas Caliente mit den Piedras Rojas (den roten Steinen) aber kostenlos ist. Super! Denn genau da wollte ich zum Fotografieren hin. Auf dem Weg liegt die schöne Laguna Miscanti, aber auch sie kostet 3000 Pesos pro Person.

Wir beschließen die Laguna Tebinquinche wegzulassen und machen uns gegen 12.20 Uhr auf dem Weg in Richtung Paso Sico. Die Straße ist geteert, bis auf die letzten 21km zur Laguna Aguas Caliente - auch Salar de Talar genannt. Die Sonne scheint, über den vielen Vulkanen befinden sich aber dunkelgraue Wolken, ideal zum Fotografieren. Wir bleiben immer wieder stehen, damit ich meine Panorama-Aufnahmen machen kann.

Die Schotterstraße ist in einem sehr schlechten Zustand - Waschbrett ohne Ende und wir kommen nur mit 20km/h voran. Es herrscht zum Glück wenig Verkehr, denn es ist sehr staubig. Gegen 16 Uhr erreichen wir die Laguna Aguas Caliente. Hier oben weht ein heftiger Westwind, aber es ist relativ warm in der Sonne. Wir parken Winnietwo direkt auf der breiten Straße. Man hätte auch bis ans Wasser fahren können, aber die Wege führen über eine harte Salzkruste. Wer unnötigen Rost vermeiden will, lässt Salz soweit es geht aus! Während Helen in aller Ruhe ein paar Tassen Tee genießt, schnappe ich mir die Kamera und laufe zur Lagune runter.

Am anderen Ufer sehe ich sieben Flamingos, aber sie sind zu weit weg für gute Fotos. Das Wasser in der Lagune ist sehr flach, baden kann man nicht. Aber die Natur hier oben auf 3.900 Höhenmeter ist fantastisch. Die Lagune mit der weißen Salzkruste und dem Türkisfarbenen Wasser, die roten Steine am Ufer (Piedras Rojas), die Schnee-bedeckten Vulkane rund herum, einige davon haben graue Flanken, andere sind mit bunten Mineralien überzogen, dann die dramatischen Wolkenbilder ... ich bin im Siebten Fotografier-Himmel! Außer uns sind ganze fünf weitere Besucher hier, aber das Gelände ist riesig und man sieht sich nur vom weitem.

Piedras Rojas - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Nach gut einer Stunde bin ich wieder im Winniewo. Wir machen uns gleich wieder auf den Weg, denn wir wollen noch die restlichen 15km bis zur Laguna Tuyaito fahren. Auch eine super schöne hellgrüne Lagune umringt von Vulkanen! Ich mache hier nur schnell ein paar Fotos, dann drehen wir um. Bis zum Sico Pass wären es noch gut 47km auf Schotter gewesen, aber es ist bereits 18 Uhr und wir wollen noch vor Sonnenuntergang wieder auf eine niedrigere Höhe zum Übernachten kommen.

Für Helen wird das Fahren jetzt richtig anstrengend, denn wir fahren direkt in die Sonne. Ich sehe per Zufall noch einen Adler am Wegesrand sitzen. Vollbremsung - schnell ein Foto - und schon macht er den Abflug. Neben den Flamingos in der Lagune haben wir sonst nur noch Vicuñas auf der Strecke gesehen. Während ich viele Fotos aus dem Fenster schieße - das Licht in der tiefstehenden Sonne auf die Schneebedeckten Vulkane und die Grasbüschel ist einfach fantastisch - mühen sich Helen und Winnietwo Meter für Meter auf der Schotterstraße entlang. Wir atmen gegen kurz vor 20 Uhr erleichtert auf, als wir wieder die Teerstraße erreichen. Für den Besuch der Laguna Miscanti ist es zu spät, denn die Sonne ist bereits untergegangen.


Auf dem Weg zum Paso Sico

Im Dunkeln fahren wir dann noch gut 31km bis zu einem Stellplatz mit Dixie-Toilette, der auf 3.600 Höhenmeter liegt. Kurze Zeit später geht der Vollmond auf und wir verbringen eine mehr oder weniger schlaflose Nacht hier oben. Ich habe vom vielen Fotografieren Nackenschmerzen, die zu Kopfschmerzen führen. Helen ist geschafft vom Fahren! Wir kochen uns schnell Nudeln mit einer wunderbar salzigen Cornbeef-Soße und trinken noch viele Tassen Tee - genau das richtige für unsere ausgetrockneten Körper! Um 23 Uhr gehen wir ins Bett. Um 3 Uhr morgens sind wir wieder wach, es dauert ewig bis wir wieder eingeschlafen sind. Um 6 Uhr - draußen ist es noch stockdunkel - kommt ein Wasserlaster auf den Platz. Er steht direkt hinter uns und wir hören kurze Zeit später die Pumpen angehen. Na super! Dennoch schlafen wir irgendwann wieder ein, bis uns unsere trockenen Kehlen aufwecken. Wir haben Monsterdurst und Helen kocht schnell die erste von vielen Tassen Tee an diesem Morgen. Wir lassen den Tag wie immer entspannt angehen.

Ich entleere noch schnell unsere Toilette in das Dixieklo - die sind bestens dafür geeignet, stelle ich immer wieder fest. Ich kippe die Kassette in einem Schwung durch die Öffnung. Da in den Dixieklos immer Chemikalien und viel Flüssigkeit ist, spritzt es nicht, wie bei einer normalen Toilette, wo ich immer aufpassen muss, dass ich nicht gleich die ganze Schüssel inklusive Brille mit Scheiße bespritze. Wasser haben wir auch zum Durchspülen der Kassette. Prima, jetzt kommen wir wieder drei Tage damit aus!

Auf der Fahrt nach Toconao sehen wir auf der rechten Seite einen der Vulkane ein wenig qualmen. Ein großer Ausbruch ist allerdings nicht zu befürchten. Wir hatten die Hoffnung in Toconao WiFi zu finden, aber dem ist nicht so. Ich schaue mir kurz die alte Kirche an. Sie wurde 1744 gebaut - der Turm ist von der Kirche getrennt - typisch für viele alte Kirchen in dieser Region.

Wir sind geschlaucht von gestern und beschließen den Tag ganz entspannt an einem Rastplatz nördlich von Toconao zu verbringen. Viele Bäume spenden Schatten. Gut, denn es ist ein heißer Tag. Leider darf man hier nicht über Nacht stehen - ein Ranger kam vorbei und machte uns sehr freundlich darauf aufmerksam. Wir verbringen den Nachmittag entspannt im Schatten, ich arbeite nebenbei an den vielen Bildern und Videos, die wir in letzter Zeit gemacht haben. Kurz vor Sonnenuntergang fahren wir dann zurück nach San Pedro de Atacama, wo wir uns wieder an den Platz beim Busbahnhof stellen.

Da ich keine Lust zum Kochen habe, laufe ich kurz in die Fußgängerzone und kaufe uns zwei Berliner und zwei Stückchen Quiche. Ich finde die total lecker, Helen ist nicht so begeistert.