20. - 24.04.2017: El Tabo - Humedal Laguna de Cartagena - San Antonio - Playa Marbella - Lago Rapel Staudamm - Pichilemu - Punta de Lobos - Laguna de Cáhuil - Bucalemu

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Am nächsten Morgen regnet es immer noch, aber das stört uns heute nicht, denn wir müssen zunächst unsere üblichen Dinge erledigen: Toilette entleeren, Müll wegschmeißen, unsere Flaschen mit Wasser füllen und Diesel tanken. Anschließend folgt ein Großeinkauf beim Lider (Walmart) und bei Santa Isabel - zwei große Supermärkte, die gleich um die Ecke von der Tankstelle liegen.

Ich habe heute ein gutes Händchen für Schnäppchen. Erst bekomme ich unseren geliebten Cappuccino zu einem sehr guten Preis und dann finde ich zwei schöne, große Handtücher für nur 5 EURO das Stück. Da im Norden von Chile die Waschmaschinen so wahnsinnig teuer sind, geht uns langsam die saubere Wäsche aus - wir brauchen also neue Handtücher.

Anschließend machen wir uns wieder auf den Weg zur Küste. Die Strecke südlich von Valparaíso hat es in sich - es geht zum Teil sehr steil rauf und runter. Die 25%igen Steigungen hätten wir mit Winnie nie geschafft, aber Winnietwo hat damit wenig Probleme. Erster Gang rein und dann macht er das schon.

In El Tabo machen wir eine Cappuccino-Pause. Hier gucke ich mir wieder ein paar Surfer in den Wellen an, aber das Licht ist zum Fotografieren zu schlecht. Weiter südlich stoppen wir bei der Humedal Laguna de Cartagena - eine kleine Lagune hinter den Dünen, in der sich viele Vögel tummeln. Wir kommen kurz vor 17 Uhr da an und eine Mitarbeiterin am Eingang sagt, das sie gleich für den Tag schließen. Ich habe also nur gut 10 Minuten, um mir das hier anzugucken, aber dafür komme ich kostenlos rein. Sehr nett! Inzwischen ist die Sonne draußen und ich sehe sogar ein paar große Biberratten im Wasser. Sie sehen tatsächlich vorne wie ein Biber aus, haben hinten aber einen langen, dünnen Rattenschwanz.

Kurz vor 18 Uhr kommen wir am Hafen von San Antonio vorbei und sehen die vielen kleinen Fischerboote und die riesigen Containerschiffe. Ich bitte Helen auf der Petrobras Tankstelle zu halten, damit ich für ein paar Fotos aussteigen kann. 10 Minuten später fahren wir weiter. An der Petrobras Tankstelle haben wir einen Tipp für eine Lubricacion bekommen. Winnietwo ist längst für den nächsten Ölwechsel fällig, aber es ist bereits 18.15 Uhr und die Werkstatt macht in 15 Minuten zu. Ich hole mir aber noch schnell die Preise ein und verspreche, dass wir morgen wiederkommen.

Zwei Straßenblöcke weiter sehen wir eine Goodyear Werkstatt, wir biegen in die Seitenstraße ein, sehen dann aber, dass die Tore schon geschlossen sind. Machen wir also auch morgen. Helen fährt anschließend rechts, rechts und nochmals rechts und wir sind wieder auf der vierspurigen Hauptstraße durch San Antonio.

Urplötzlich hören wir einen lauten Knall - er scheint von der Fahrerseite her zu kommen. Helen war gerade dabei vom zweiten in den dritten Gang zu wechseln. Unser erster Gedanke: die Maschine ist kaputt! Aber keine der Warnleuchten im Armaturenbrett geht an. Dann höre ich, wie Helen ganz leise und voller Erstaunen sagt: "Shit, I don't have a clutch!". Was??? Ich schaue auf ihre Füße und tatsächlich ... das Kupplungspedal liegt auf dem Boden. Ist das Kupplungsseil etwa gerissen?

Helen macht sofort die Warnblinker an. Rechts taucht zum Glück die Bucht einer Bushaltestelle auf und wir rollen dort hinein. Helen bremst und da sie das Kupplungspedal nicht treten kann, geht der Motor mit einem Ruck aus. Durch den Schreck geht mein Zuckerspiegel urplötzlich rapide in den Keller, meine Arme fangen an zu zittern und ich esse erst einmal ganz schnell eine Banane. Was nun? Wir können nicht mehr fahren! Shit, shit, shit!!!

Helen steigt aus und wir gucken uns das Kupplungspedal an. Am oberen Ende, dort wo das Kupplungsseil mit dem Pedal verbunden ist, fehlt ein Plastikteil. Es liegt abgebrochen auf dem Boden. Häh? Wie kann das denn sein? Das Kupplungsseil ist noch heil.

Helen sagt ich soll noch mal schnell zur Goodyear Werkstatt laufen, vielleicht ist noch jemand im Büro. Ich rüttle am Zaun, aber es scheint keiner mehr da zu sein. Hinter mir höre ich einen Mann sagen "Está cerrado!" - es ist geschlossen. Ich sehe an seinem T-Shirt, dass er bei Goodyear arbeitet und erkläre im unsere Situation. Marcello - so heißt der guten Mann, wie ich später erfahre - steigt aus seinem Auto aus und guckt sich Winnietwo an. Oh, oh ... er schüttelt den Kopf ... muy malo (ganz schlecht).

Gegenüber liegt eine andere Reifenwerkstatt und einer der Männer dort macht auch Reparaturen an Autos. Ansonsten findet man weit und breit keinen Mechaniker hier an der Hauptstraße. Wir laufen gemeinsam rüber und er beschreibt dem Mechaniker unser Problem. Ich bin froh, dass ich jemanden habe, der alles super auf Spanisch erklären kann. Der Mechaniker schüttelt den Kopf. Er hat keine Zeit, zu viele Aufträge und außerdem machen sie auch gleich zu.

Marcello und ich schieben anschließend Winnietwo von der Bushaltestelle in die nächste Seitenstraße, denn an der Hauptstraße steht Winnietwo sehr ungünstig. Marcello versucht, dass Kupplungsseil wieder zu befestigen, aber ohne die Plastikaufhängung geht das nicht. Er kennt einen Elektromechaniker unweit von hier, der sich auf Autos spezialisiert hat, und ruft den an. Scheinbar kann der uns helfen und Marcello sagt, er würde uns bis zur Werkstatt abschleppen, wenn wir ein Abschleppseil haben. Ja, so etwas haben wir natürlich auch von Steffen geerbt. Marcellos Auto ist ein PKW und ich mache mir sofort Sorgen, dass Winnietwo zum Abschleppen viel zu schwer ist. Zumal mir Marcello dann auch noch erzählt, dass wir einen steilen Hügel hoch müssen. Oh, oh! Aber Marcello meint, dass wäre kein Problem für ihn.

Wir verbinden beide Fahrzeuge mit dem Abschleppseil und los geht es. Winnietwo kommt tatsächlich ins Rollen, aber Marcellos PKW schlittert und ruckelt hinten ganz gewaltig. Das Abschleppseil verläuft diagonal zwischen unseren beiden Fahrzeugen und ab und zu zieht Winnietwo Marcellos Auto nach links weg. Die erste Kurve schaffen wir ohne Probleme, dann geht es mehrere Blöcke geradeaus und Marcello gibt Vollgas. Wir brausen mit 40km/h dahin ... und scheinen jedes Schlagloch mitzunehmen. Normalerweise bremsen wir die aus, da unsere vorderen Stoßdämpfer nicht mehr richtig funktionieren. Aber natürlich kann Helen jetzt nicht bremsen, dann ziehen wir Marcellos Auto rückwärts und das könnte gefährlich werden. Komischerweise kommt einem die Geschwindigkeit, wenn man abgeschleppt wird, schneller vor, als wenn man selbst fährt. Ich mache ein Video, während Helen angespannt hinter dem Steuer sitzt und auf Marcellos Rücklichter achtet. Blinkt er? Bremst er? Helen muss alles antizipieren, denn das Abschleppseil ist recht kurz und wir wollen Marcello ja nicht auch noch hinten rein fahren.

Dann biegen wir erneut rechts ab und Marcello bleibt stehen. Ich nutze die Gelegenheit und springe schnell raus, um ihm zu sagen, dass er auf den schlechten Straßen bitte ein bisschen langsamer fahren soll. Er nickt und wir fahren weiter. Oh shit, wir müssen über die Vierspurige Hauptstraße rüber. Es gibt einen Mittelstreifen. Ist der breit genug für zwei Fahrzeuge, die hintereinander fahren? Da wir die Hauptstraße nicht einsehen können, hält Marcello den Arm aus dem Fenster. Er macht eine Vorwärtsbewegung mit der Hand, als sich eine Lücke im Verkehr für alle vier Spuren auftut. Marcello gibt Gas und wir rollen hinterher. Ich mag gar nicht hingucken, ob von links oder rechts Verkehr kommt. Die Fahrer würden im Leben nicht wahrnehmen, dass wir an einem Abschleppseil hängen! Aber wir rutschen ohne Probleme durch. Puh!

Marcello biegt links ab und vor uns tut sich ein steiler Hang auf. Holy shit! Das schaffen wir nie! Und tatsächlich, Marcello wird vor uns mitten auf dem Hang immer langsamer, dann fangen seine Reifen an zu qualmen ... mein Video läuft, aber ich gucke nur noch entgeistert nach vorne ... Marcellos Reifen quietschen, wir sehen nur noch Qualm, und dann bleibt Marcellos Auto stehen. Keine Chance, dass wir hier den Hügel hoch kommen. Wir wiegen drei Tonnen und sein Auto vielleicht gerade einmal die Hälfte und das auf einer 20%igen Steigung! Was nun?

Ich steige aus. Marcello hängt schon am Telefon und spricht mit dem Mechaniker. Kurz darauf erfahre ich, dass dieser mit seinem Jeep kommt und uns den restlichen Weg zur Werkstatt abschleppen wird. Drei Minuten später taucht ein alter, abgewrackter Jeep neben uns auf. Er sieht auch nicht viel größer, als Marcellos Auto aus, aber die Reifen sind breiter. Wir stöpseln das Abschleppseil an den Jeep und Sergio, der Mechaniker, gibt Vollgas. Wir bewegen uns keinen Millimeter. Winnietwo ist zu schwer! Nach einem weiteren Versuch gibt Sergio auf.

Wir rollen rückwärts den Hang wieder runter, bis wir zu einer ebenen Stelle kommen. Sergio tut das gleiche, dann befestigen wir wieder das Abschleppseil und dieses Mal klappt es, denn Winnietwo bekommt auf der Ebene etwas Schwung. Sergios Jeep qualmt aus dem Auspuff, aber wir schaffen es bis nach oben. Genau wie wir, hat Sergio die Warnlichter an und da beide blinken wissen wir nicht, wohin er als nächstes fährt. Geradeaus ... dann bremst Sergio leicht ab ... sein Warnblinker geht aus und das rechte Blinklicht geht an ... ah, wir biegen rechts ab. Kaum ist er um die Kurve gibt er Gas, denn es geht erneut steil bergan. Oh, fuck ... Helen darf nicht bremsen und wir werden mit einer Geschwindigkeit um die Rechtskurve gezogen, die um einiges höher ist, als wenn wir normalerweise um die Kurven fahren. Ich sehe uns schon auf zwei Reifen in einer Schräglage, aber Helen bleibt total cool und berechnet den Kurvenweg haargenau, sodass wir mit den Hinterreifen nicht über den Bordstein knallen und vorne gerade noch um die Ecke kommen. Ich vergesse in der Aufregung total ein Video davon zu schießen und mache mir fast in die Hose.

Sergios Werkstatt liegt gegenüber vom Krankenhaus in San Antonio. Wir biegen in seine Straße nach links ab und er fährt links ran. Zu zweit stehen wir aber nun auf der Gegenspur und es kommt Verkehr von vorne. Das Tor zur Werkstatt ist geschlossen, davor gibt es aber einen sandigen Seitenstreifen. Theoretisch hätten wir es rückwärts rollend (die Straße fällt leicht ab) auf den Seitenstreifen geschafft, aber Sergio erklärt uns, dass wir dann ein Ticket von der Polizei bekommen, da wir nicht in Fahrtrichtung stehen. Er will deshalb noch einmal mit uns um den Block fahren. Ich stöhne innerlich, da ich schon die Hoffnung hatte, dass wir heil angekommen waren.

Helen bemerkt, dass unter Sergios Jeep Flüssigkeit die Straße runter läuft. Ich gucke nach vorne und tatsächlich, Qualm kommt aus seiner Motorhaube. Ich steige aus, Marcello (er hat uns mit seinem Auto bis hierher begleitet) öffnet die Kühlerhaube ... oh Scheiße! ... Kühlwasser überall im Motorraum. Motorschaden? Sergio bleibt jedoch total cool und geht in seine Werkstatt. Er kommt mit einer Gallonenflasche (4 Liter Wasser) zurück und öffnet das Ventil am Kühler. Da muss der Druckriemen in der Kappe ab gewesen sein, denn ansonsten würde das Wasser jetzt aus dem Kühler explodieren. Diesen Trick haben wir mal für Winnie in Mexiko gelernt. Sergio kippt gut 2 Liter Wasser in den Kühler und macht die Motorhaube wieder zu. Er steigt ein, ich springe wieder in unser Auto und wir fahren einmal um den Block, damit wir in der richtigen Fahrtrichtung stehen. Es geht über Topes und wieder einmal rasant durch Schlaglöcher ... vorne knallt Winnietwo voll auf den Stoßdämpfer, da wir viel zu schnell um die Kurven gezogen werden. Zwischendrin muss ich mal kurz aussteigen ... eine zerbrochene Weinflasche liegt mitten auf der Straße. Einen Reifenschaden können wir jetzt nicht auch noch gebrauchen!

Sergio zieht uns auf den Seitenstreifen. Anschließend lösen wir das Abschleppseil und zusammen mit Marcello und Sergio versuche ich Winnietwo rückwärts zu schieben, damit er nicht direkt vor dem Werkstatttor steht. Aber unsere Füße rutschen auf dem Sand und die Steigung ist zu viel, um W2 in Bewegung zu setzen. Sergio bittet Helen auszusteigen und setzt sich hinters Steuer. Bei uns beiden gehen sofort die Alarmglocken an. Den Autofahrern in Chile und Argentinien ist ihr Auto in der Regel scheißegal, sie fahren wie die letzten Henker. Was hat Sergio vor?

Der Motor springt an ... Sergio löst die Handbremse und Winnietwo springt und hüpft nach hinten. Die Vorderreifen drehen durch, der Sand wird aufgewirbelt ... Helen und ich gucken ganz entsetzt. Bitte nicht auch noch den Motor ruinieren!!! Sergio hat offensichtlich mit etwas Gewalt den Rückwärtsgang eingelegt, bevor er den Motor startete. Kaum ist der Motor an, springt W2 nach hinten, da das Kupplungspedal nicht getreten werden kann. Hinter Winnietwo ist ein Baum ... Sergio muss also bremsen ... der Motor geht aus ... und Sergio macht die gleiche Aktion ein zweites Mal.

Wir sind mit den Nerven am Ende! Der Adrenalinspiegel bei Sergio ist auch recht hoch und wir lachen anschließend zusammen über die rasante Fahrt den Hügel hoch und um die Kurven. Er macht Helen ein Kompliment über ihre sehr gute Fahrweise, aber Helen bekommt das gar nicht richtig mit. Anschließend sprechen wir noch darüber, was morgen passieren wird. Sergio sagt, wir sollen uns erst einmal entspannen (Leichter gesagt, als getan!!!) und er kümmert sich um 10 Uhr um unser Problem. Weder Helen noch ich sind davon überzeugt, ob wir hier an den richtigen Mechaniker geraten sind. Aber wir haben keine andere Alternative! Wir können froh sein, dass uns Marcello geholfen hat und das wir nicht mehr unten an der stark befahrenen Hauptstraße stehen. Wir bedanken uns bei den beiden und kochen dann erst einmal eine Tasse Tee zur Beruhigung.

Ich koche uns anschließend noch Fleischklöße in Tomatensoße mit Reis. Es ist nach 22 Uhr bevor wir den ersten Bissen runter bekommen. Und weit nach Mitternacht, bevor wir im Bett liegen. Wir bekommen kaum ein Auge zu und machen uns Sorgen. Was ist, wenn wir kein Kupplungspedal finden? Müssen wir das eventuell in Deutschland bestellen und dann hierher schicken lassen? Das kann Wochen dauern. Oder bekommen wir das vielleicht in Argentinien, falls es in Chile nicht zu finden ist? Einer von uns könnte mit dem Bus von Santiago aus nach Mendoza fahren und es vielleicht dort kaufen.

Der Wecker klingelt um 8 Uhr ... draußen ist es noch stockdunkel ... Helen stellt den Wecker auf 8.30 Uhr. Sergio sehen wir erst kurz vor 10 Uhr, als er sein Werkstatttor öffnet. Ich frage ihn, ob er WiFi hat, denn ich würde gerne im Deutschen Ducato Forum nach einer möglichen Lösung gucken, sollten alle Stricke hier reißen. WiFi hat er nicht, aber ich kann den Computer im Büro nutzen, sobald seine Sekretärin da ist.

Zuerst muss Winnietwo aber in die Werkstatt gefahren werden. Da es mit Schieben nicht geht, baut Sergio sich eine Konstruktion mit einem Holzhebel und einer Eisenkette, um das Kupplungsseil ziehen zu können. Damit kann er den Gang einlegen und vorwärts in die Werkstatt fahren.

Während wir im Büro das Deutsche Ducato Forum durchforsten, füllt sich die Werkstatt. Ein Chilene hat Probleme im Motorraum und zwei Motorrad-Polizisten haben ein Problem mit dem Rotlicht. Die Polizistin sieht mit ihrem knallroten Lippenstift und ihrer engen Lederuniform aus, als wenn sie frisch von einem Hollywood-Filmset gekommen wäre. Sergio hat einen jungen Auszubildenden und die beiden kümmern sich zunächst um die anderen Kunden.

Wir lesen inzwischen im Ducato Forum, dass das Kupplungspedal offensichtlich schon bei mehreren Autos gebrochen ist. Wie kann man so ein Teil, das Hundert Mal am Tag verwendet wird, aus Plastik fertigen? Offensichtlich bekommt man das Kupplungspedal auch als Einzelteil, ich finde es auf einer Europäischen Webseite für 33 EURO, aber der Einbau muss laut Ducato Forum schwer sein. Viele haben die Feder, die für das Wiederanheben des Pedals zuständig ist, nicht wieder eingebaut bekommen. Das hört sich alles nicht gut an.

Im schlimmsten Falle müssen wir das ganze Pedal-Set erneuern lassen. Ich hatte mir das heute morgen schon genauer angeschaut. Kupplungs- , Brems- und Gaspedal sind über eine Stange an einer Scheibe angebracht, die mit 6 Schrauben vorne zum Motor hin angeschraubt ist. Das könnte teuer werden!

Irgendwann im Laufe des Vormittags hat Sergio das Pedal-Set komplett ausgebaut. Anschließend springt der damit in seinen Jeep und fährt zu einem Laden mit Autoersatzteilen, aber die haben nichts. Es beginnt die große Suche nach einem neuen Pedal. Sämtliche Läden in San Antonio und Umgebung haben nichts. Kimberly, Sergios Sekretärin, versucht es übers Telefon in Santiago de Chile und über das Internet, aber das einzigen Pedal für eine FIAT Ducato, das aufzutreiben ist, ist für Fahrzeuge ab dem Jahr 2006. Winnietwo ist Baujahr 1999 und die neueren Pedale sollen nicht passen. Scheiße! Was nun?

Ich schlage vor, wir rufen die Werkstatt in Mendoza an, bei der wir Ende Dezember unser Kugellager haben austauschen lassen, aber Kimberlys Handy funktioniert nur innerhalb Chiles und eine Landleitung gibt es im Büro nicht. Ich bin schon dabei meinen Computer zu holen, um ihn über das Internetkabel im Büro anzuschließen, denn mit Skype hätten wir die Werkstatt in Mendoza anrufen können. Aber Sergio ist bereits dabei eine Ersatzlösung zu bauen. Als Elektriker verfügt er über eine Schweißeinrichtung und er erklärt mir, dass er mit einer Eisenstange eine Hakenkonstruktion für das Kupplungspedal bauen wird. Klingt gut! Ich merke ihm an, dass er Spaß an der Sache hat - seine Kreativität ist gefragt. Urplötzlich bin ich froh, dass wir bei ihm gelandet sind. Andere Autowerkstätten hätten wahrscheinlich schon aufgegeben, wenn das Ersatzteil nicht auffindbar ist.

Wir machen uns was zu essen und lesen hinten im Winnietwo - das Ganze könnte dauern. Der Auszubildende feilt den Haken, Sergio kümmert sich um die anderen Kunden. Gegen 16 Uhr ist die Konstruktion fertig. Ich schaue mir das genauer an und bin begeistert. Der Haken ist an eine längere, flache Eisenstange geschweißt, die wiederum mit zwei Schreiben an der Längsseite des Kupplungspedals befestigt ist. Das sieht richtig stabil aus und könnte besser sein, als der originale Plastikhaken.

Mit etwas Mühe wird das Pedal-Set wieder eingebaut - die Lenkstange ist im Weg und so muss das Gaspedal zunächst aus dem Set entfernt werden. Nachdem das Set angeschraubt ist, hängt Sergio das Kupplungsseil an den Haken. Das Kupplungspedal hängt auf halber Stelle zwischen dem Boden und dem Bremspedal. Ich zeige ihm vorne im Motorraum die beiden Kontermuttern zum Einstellen des Kupplungsseils - wir haben da ja inzwischen Erfahrung (siehe unseren Bericht zu Vicuña) und gebe ihm unsere beiden 17ner-Schlüssel. Er ist erstaunt, dass ich mich damit auskenne und dankbar für die Hilfe. Das Einstellen von Kupplungsseilen gehört normalerweise nicht zu seiner Werkstattarbeit.

Nachdem das Kupplungspedal auf die richtige Höhe eingestellt ist, schalten wir durch - ohne Motor lässt sich jeder Gang gut einlegen und auch mit Motor ist das im Stand der Fall. Die Hakenkonstruktion funktioniert!!! Wow! Helen macht mit Sergio eine Probefahrt und alles ist okay. Wir bezahlen die Rechnung - 125.000 Pesos (das sind etwa 180 EURO) und Sergio besteht anschließend darauf, dass wir noch ein Erinnerungsfoto machen. Ein anderer Kunde, dessen elektrisches Wagenfenster ausgetauscht werden musste, bekommt unsere Kamera in die Hand gedrückt und er macht ein Foto von uns mit Sergio, dem Auszubildenden und Kimberly. Wir Fünf strahlen um die Wette. Das war schon beeindruckend, wie Sergio hier eine Lösung für uns hinbekommen hat. Ich scherze noch, dass in 10 Jahren unser Auto kaputt sein wird, aber das Kupplungspedal immer noch funktioniert.

Es ist 17 Uhr und wir verabschieden uns dankbar. Helen startet den Motor, aber wir bekommen keinen Gang eingelegt. Ein Blick nach unten und wir sehen, dass das Kupplungspedal unterhalb des Bremspedals hängt. Motor aus, ich schnappe mir die beiden 17ner-Schlüssel und stelle das Kupplungsseil noch einmal ein. Sergio bemerkt, dass wir nicht abfahren und gesellt sich dazu. Helen soll mal eben schnell das Kupplungspedal ein paar Mal treten. Sie tritt einmal durch, dann ein zweites Mal ... PENG!!! ... das Kupplungspedal hängt auf dem Boden. Der Metallhaken ist abgebrochen!!! Unglaublich!!! Scheiße! Die ganze Arbeit umsonst!

Sergio ist erneut total cool. Kein Problem sagt er, wir machen das noch einmal. Dieses Mal noch besser! Er schraubt die Hakenkonstruktion vom Pedal ab, das Pedal-Set muss deswegen nicht mehr ausgebaut werden (an sich schon genial!). Offensichtlich war der Haken aus Eisen zu dünn, das Material zu weich. Sergio kramt in einer Kiste herum und findet einen dicken Karabinerhaken aus Stahl. Der ist mehr als doppelt so dick, wie der alte Metallhaken und aus einem unzerbrechlichen Material! Innerhalb von 15 Minuten ist er auf die richtige Größe mit einer Flex geschnitten und angeschweißt. Die Konstruktion wird wieder ans Kupplungspedal geschraubt. Wir stellen das wieder richtig ein und starten den Motor. Alle Gänge lassen sich ohne Probleme einlegen. Wir machen eine Probefahrt - alles scheint in Ordnung zu sein. Wir können nur hoffen, dass es dieses Mal hält. Zum Glück ist der alte Haken noch bei der Werkstatt abgebrochen! Nicht auszudenken, wenn uns dann auf einem der steilen Hügel hier passiert wäre!


Kaputtes Kupplungspedal

Mit einem leicht mulmigen Gefühl im Bauch verabschieden wir uns von Sergio mit einem Küsken auf die Wange - er sagt noch, wir können im Zweifelsfalle morgen wieder kommen, er arbeitet den ganzen Tag. Die Sonne ist am untergehen und wir fahren 6km in Richtung Süden zum Playa Marbella - ein Übernachtungstipp aus iOverlander. Wir müssen mitten durch den abendlichen Berufsverkehr, auf der Schnellstraße geht es leicht bergan, Helen muss viel Schalten, die Ampeln springen auf Rot, Busse scheren direkt vor uns aus, Laster schleichen vor uns hin. Wenn jetzt das Kupplungspedal kaputt geht, sind wir echt am Arsch, denke ich nur.

Aber wir haben keine Probleme und erreichen den Strand. Der vermeintliche Stellplatz ist aber im Moment eine geschlossene Baustelle und so fährt Helen den Hügel hoch. Oben ist die Straße breit, rechts und links befinden sich ein paar Villen, wir sind in einer reichen Gegend gelandet und parken für die Nacht am Straßenrand.

Was für ein Tag! Wir sind immer noch total angespannt, eine Tasse Tee muss her. Wir essen die restlichen Fleischklöße in Tomatensoße und gehen früh ins Bett.

Am nächsten Morgen ist Winnietwo umgeben von Küstennebel und es ist ziemlich kalt. Wir frühstücken zügig und fahren dann noch einmal nach San Antonio rein, um den fälligen Ölwechsel beim Servicentro zu machen. Der Manager erzählt mir, dass er einige Jahre in Bremen und Barcelona gearbeitet hat. Zügig machen seine Jungs ihren Job und uns kostet das ganze um die 60 EURO. Einem Ölfilter hatten wir noch von Steffen geerbt (Wie immer: Danke, Steffen!) und so zahlen wir nur für 8 Liter Öl und die Arbeitsleistung. In Argentinien kommen wir da locker auf den doppelten Preis.

Anschließend fahren wir wieder zurück zum Playa Marbella. Wir brauchen nach dem ganzen Kupplungspedal-Stress einen Ruhetag! Dieses Mal stellen wir uns noch weiter oben an der Küste in eine sehr große Ausbuchtung mit schönen Blick aufs Meer. Ich schnappe mir am Nachmittag die Kamera und laufe zum Strand runter. In einer Lagune tummeln sich viele Seemöwen und Schwarzmantel-Scherenschnabel und am Strand sind Schmuckreiher auf der Suche nach Futter.

Wir haben gerade zu Abend gegessen, da wackelt Winnietwo ganz gewaltig. Wir denken sofort, da will jemand einbrechen und Helen schnappt sich die Taschenlampe und geht nach draußen. Weit und breit niemand zu sehen. Es war wohl gerade wieder einmal ein Erdbeben. Gut, dass wir so weit oben an der Küste stehen - ein Tsunami kann uns hier nichts antun. (Zwei Tage später lese ich in einer Zeitung, dass es sich um ein 6.9 starkes Erdbeben direkt vor der Küste von San Antonio gehalten hat.)

Helen bringt am nächsten Morgen Schinkenspeck und Eier vom Supermarkt mit und wir machen nach langer Zeit mal wieder ein sehr Englisches Frühstück. Sehr lecker! Helen flippt sogar die Eier für 3 Sekunden auf die andere Seite, damit das Eigelb flüssig im Eiweiß eingebettet ist. Wie ein Profikoch! Mir gelingt das nicht immer!

Gut gestärkt fahren wir bei strahlendem Sonnenschein südlich zum Staudamm beim Lago Rappel. Auf der Strecke kommen wir wieder an einem Erdbeerstand vorbei. Dieses Mal nehme ich gleich 3 Kilo mit. Die gibt es mit frischen Blaubeeren und Bananenscheiben am späten Nachmittag. Auf dem Aussichtspunkt beim Staudamm entdeckt Helen einen kleinen Fuchs. Ich komme mit der Kamera angerannt und auf einmal sind es gleich drei junge Füchse. Keine Ahnung, wo die Eltern waren, aber die Kleinen sind auf der Suche nach Essensresten, die die Chilenen achtlos auf den Parkplatz schmeißen.

Wir wurden von einer jungen Deutschen angesprochen, die mit ihrem Argentinischen Freund und Hund per Fahrrad unterwegs ist. Sie suchen nach einer Mitfahrgelegenheit, da die nächsten 30-50km in Richtung Pichilemu sehr steil und hügelig sind. Wir können die beiden aber nicht mitnehmen, denn eines der Fahrräder hat vorne ein breites Traggestell, wo das Gepäck und der Hund untergebracht sind. Aber zum Glück hielt ein netter Chilene mit seinem großen Pickup-Truck. Hinten auf der Ladefläche gibt es ausreichend Platz für die Räder. Wir sehen die beiden später gut 10km vor Pichilemu am Straßenrand. Ganz bis dahin hat der Chilene sie nicht gebracht, aber es ging eh fast nur noch bergab.

Wir kommen gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang in Pichilemu an und parken nahe des Strandes in einer Sackgasse. Unten an der Strandpromenade kosten die Parkplätze viel Geld und der kostenfreie Platz am Strand ist uns zu uneben. Außerdem pfeift uns ein eiskalter Wind um die Ohren. In der Sackgasse stehen wir windgeschützt neben den Wohnhäusern. Die Besitzer sind alles jüngere Leute, die sich von uns nicht gestört fühlen.

Ich schaue mir den Sonnenuntergang, die Surfer im Wasser und ein paar spielende Hunde an und bin nach gut einer halben Stunde frischer Luft wieder in Winnietwo. Brrrr ... ist mir zu kalt draußen!

Am nächsten Morgen fahren wir nur wenige Kilometer weiter zum Punta de Lobos - einem sehr bekannten Surfstrand hier in Chile. Die Wellen sind hoch und lang - ideal für die Könner auf den Brettern. Ich habe oben auf der Klippe einen idealen Beobachtungspunkt und kann die Männer ganz nah beobachten. Die Wellen sind zum Teil 6 Meter hoch, schätze ich. Schon gewaltig, wenn sie über den Surfern zusammenbrechen. Ich hätte bei diesem Sport ja die Hosen voll, aber die Chilenen lernen das Surfen von Klein auf an.


Surfer am Punta de Lobos

Von Hilu und Sigo hatten wir den Tipp für eine Salzfabrik bekommen. Bei Cahuil geht eine Lagune weit ins Landesinnere. Das Meereswasser verdampft und das Salz wird abgeschöpft. Ich hatte die Bilder von Hilu schon gesehen. Wir fahren also 4km auf einer mehr oder weniger rauen Schotterstraße an der Lagune entlang, nur um feststellen zu müssen, dass die Salzabbau-Saison bereits beendet ist. Die Lagune wurde vor ein paar Wochen geflutet und der nächste Abbau wird erst wieder im Oktober stattfinden, erzählt mir einer der Leute vor Ort. Schade!

Helen grummelt ein wenig über die unnötige Fahrt auf der Schotterstraße. Sie hasst den feinen Staub, den wir dann anschließend immer im Fahrzeug haben. Eigentlich wollten wir an diesem Tag noch bis Constitución fahren, aber wir schaffen es nicht ganz. In Bucalemu machen wir eine kurze Cappuccino-Pause bevor die Straße dann weg von der Küste ins Landesinnere führt. In Hualane bekommen wir gutes Trinkwasser an einer Copec-Tankstelle - gerade noch rechtzeitig, denn wir hatten keine ganzen Liter mehr und ich wollte nicht bei Helen schon wieder schlechte Laune auslösen, wenn sie sich keine Tasse Tee kochen kann.

Es wird draußen bereits dunkel und so parken wir ein einer Straßenkreuzung nahe der Küste auf einem großen Sandplatz für Laster. Wir sind nachts aber die einzigen vor Ort und erleben ein weiteres Erdbeben. Der nächste Ort ist gut 11km von uns entfernt. Eine mögliche Tsunami-Warnung würden wir nicht mitbekommen und dieses Mal stehen wir auf Meereshöhe. Dennoch bleiben wir stehen. Draußen schreien keine Vögel, wir hören andere Fahrzeuge auf der Straße ... sollte es kritisch werden, dann würde uns schon jemand warnen, oder?

Ach ja, unser Kupplungspedal scheint zu halten. Es lässt sich zwar nicht mehr so leicht herunter treten und Helen wird links ein paar mehr Wadenmuskeln bekommen, aber wir haben keine Probleme beim Schalten. Da haben wir mal wieder echt Glück gehabt, dass wir mit Sergio an einen sehr gewieften Mechaniker geraten sind.