25. - 28.04.2017: Puerto de Magullines - Constitución - Paso Maule/Pehuenche - Talca - Longavi

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Wir wachen am nächsten Morgen zu strahlendem Sonnenschein auf. Die Nacht war allerdings bitterkalt und auf dem Fluss hing noch eine Nebelwolke. Auf dem Weg nach Constitución fahren wir an einem sehr großen Dünengelände vorbei - fast 30km feinster Sand. Hier braucht man aber entweder ein Allradfahrzeug oder ein Quadbike, um richtig Spaß zu haben.

Constitución ist eine kleine Stadt am Meer mit einer sehr großen Papierfabrik. Reihenweise fahren die mit Holz beladenen Laster an uns vorbei. In der Fabrik werden die Baumstämme dann zu Sägemehl zerkleinert und dann zu Papier verarbeitet. Die großen Schlote waren ganz schön am qualmen. Wir machen hier einen Einkauf und fahren dann gleich weiter zum Puerto de Magullines, der nur 6km südlich von Constitución liegt. Hilu und Sigo hatten uns diesen Tipp gegeben, denn hier werden die Fischerboote mit dem Kran auf die Hafenmole gezogen. So etwas hatten wir in Oregon schon einmal in Port Orford gesehen.

Nach dem nächtlichen Fang (die meisten Boote gehen um zwischen 3 und 4 Uhr morgens raus) kommen sie zwischen 10 Uhr morgens und dem späten Nachmittag zurück. Sie sind vollbeladen mit Muränen und anderen Fischsorten. Vier Männer arbeiten jeweils auf den 48 Booten, die hier stationiert sind. Je nachdem, wo sie in der Nacht hinfahren, bringen sie verschiedene Fischsorten zum Hafen zurück. In der Mitte des Bootes ist ein Metallring, durch den die Trageseile für das Boot laufen. Der Kran lässt seinen Haken runter, die Männer im Boot hängen ihn in den Metallring ein und dann wird das Boot innerhalb von 60 Sekunden auf die Hafenmole gebracht. Dort wartet dann meistens schon ein Fahrgestell, mit dem die Fischer ihr Boot zu einer vorgegeben Position auf dem langen Holzsteg rollen.

Dann beginnt der zweite Teil ihres anstrengenden Jobs. Die Fische müssen aus den Fangnetzen befreit oder direkt vom Boot in die vorgesehenen Behälter geworfen werden. Dann werden die Innereien mit Filetiermessern aus dem Fischfang geschnitten. Ein gutes Fressen für die Seemöwen, die schon ungeduldig über den Booten kreisen. Die Fischer werfen die Gedärme einfach auf den Boden der Hafenmole und dann beginnt der große Kampf unter den Möwen.

Ich beobachte eine Möwe, der schon ein Bein fehlt. Man könnte meinen, dass sie in der Meute damit keine Chance hat, aber das ist nicht der Fall. Kaum fliegen die Innereien vom Boot auf die Hafenmole, da setzt sie schon zum Sturzflug an und lässt sich mit dem ganzen Körper auf die Innereien fallen. Ich weiß nicht warum, aber keine der anderen Möwen traut sich dann auch nur in die Nähe. Ein-Bein-Möwe schnappt sich ihren Leckerbissen, kommt irgendwie auf das eine Bein und dann fliegt sie mit ihrer Beute davon. Das eine Bein platscht drei bis vier Mal auf den Boden und weg ist sie. Keine 2 Minuten später ist sie wieder da und schwupps hat sie den nächsten Leckerbissen im Schnabel. Bewundernswert! Die anderen Möwen reißen sich gegenseitig die Stücke aus dem Schnabel, stampfen aufeinander rum, hauen sich mit den Flügeln einen um die Ohren ... das reinste Gekreische und Chaos.

Ich habe in der ganzen Zeit beim Fotografieren gar nicht gemerkt, dass mich gleich zwei Möwen hinten angeschissen haben. Helen was so not amused! Ich dachte immer, das bringt Glück!

So mancher Einheimische kommt zum Hafen und kauft frischen Fisch direkt vom Boot. Der Preis liegt bei 2.500 Pesos pro Kilo (das sind etwa 3.50 EURO). Allerdings wird der Fisch schon vor dem Filetieren gewogen, welches im Kaufpreis gleich mit inbegriffen ist. Ich lerne Pablo, seine Mutter Carmen und deren Freundin Patricia kennen, die in Constitución wohnen. Pablo spricht auch ein wenig Englisch und erklärt mir die verschiedenen Fischsorten und wie man sie am besten zubereitet. Die Muräne (Cóngrió) hat sehr festes Fleisch, das sich wunderbar zum Frittieren eignet.

Unten am Eingang zur Hafenmole gibt es ein paar Fischrestaurants, die ebenfalls hier ihren Fisch kaufen, der überwiegende Teil geht aber zu einem Großabnehmer in Santiago de Chile und wird in der Regel nach Japan exportiert. Ich erfahre von einem der Fischer, dass eine Sorte Fisch gerade einen Hautparasiten hat und der Fisch damit nicht zum Export-geeignet ist, dennoch essbar bleibt. Die Restaurants hier verarbeiten das Fleisch vermutlich zu Ceviche.

Ich erfahre außerdem, dass der Fischfang von Jahr zu Jahr geringer wird. 200 Fischer und ihre Familien leben alleine an diesem Hafen vom Fischfang, aber unsere Meere sind weltweit hoffnungslos überfischt. Hauptabnehmer ist fast immer Japan. Seit Fukushima und der damit resultierenden radioaktiven Verseuchung ihrer eigenen Gewässer, beziehen sie noch mehr aus dem Rest der Welt. Wir hatten das schon mehrfach in Mexiko bei jeder unserer Reisen gehört.

Chile hat das Glück, dass es direkt vom eiskalten Humboldt-Strom profitiert, der reichhaltig Fische aus der Antarktis bis zum Äquator transportiert, aber auch Chile hat in den letzten beiden Jahren diverse Umweltkatastrophen hinnehmen müssen. Milliarden von Fische wurden und werden immer wieder tot an die Strände hier gespült. Die offiziellen Gründe, wenn es überhaupt welche gibt, hören sich dubios an. El Niño wird häufig als Faktor genannt, aber wir haben hier mit eigenen Augen gesehen, wie wenig Umweltbewusstsein die Chilenen selbst haben. Der ganze Plastikmüll landet auf der Straße und im Meer. Leere Ölkannen werden achtlos von Bootsbesitzern über Bord geworfen. Ein Tropfen Erdöl verseucht 1000 Liter Wasser. Ob hier jemand die radioaktive Strahlung misst? Die Katastrophe von Fukushima wird sicherlich aus Auswirkungen auf den ganzen Pazifik haben. Es ist zum verzweifeln! Wir zerstören unseren einzigartigen Planeten und häufig ist Geldgier der Grund dafür.

Den Fischer-Familien hier vor Ort kann man nicht unbedingt einen Vorwurf machen. Fischfang hat eine Jahrhunderte-lange Tradition hier in Chile und die Männer machen täglich einen 12 Stunden Job, sieben Tage die Woche lang. Das ist harte Arbeit! Und das bei den schwierigsten Wetterbedingungen. Nach dem Reinigen der Boote und dem Sortieren der Netze endet der Tag für sie in der Regel so gegen 16 Uhr mit dem Abtransport der Behälter von der Hafenmole in die Wartehalle, wo der Fischfang noch einmal gewogen wird bevor er nach Santiago geht.

Wir beschließen die Nacht hier unten am Hafen zu verbringen und erleben einen entspannten Sonnenuntergang. Ich gehe am nächsten Morgen noch einmal auf die Hafenmole. Gestern hatten ein paar Männer Reusen mit Ködern bestückt und sie direkt neben der Hafenmole ins Wasser gelassen. Heute kann ich die "Ernte" bewundert - Hunderte von Handteller-großen Krabben. Das Dutzend kann ich für nur 2.500 Pesos (3.50 EURO) kaufen, aber erstens haben wir keinen so großen Topf, zweitens muss man sie lebend ins kochend heiße Wasser schmeißen (nicht so mein Ding!) und dann hätte ich sie auch noch alle alleine essen müssen, denn Helen bekommt davon keinen Bissen runter. Da stehen ihr die Haare zu Berge.


Fischfang am Puerto de Magullines

Wir verabschieden uns um 12.30 Uhr vom Hafen und machen auf dem Rückweg nach Constitución noch ein paar Stopps bei den verschiedenen Vogelfelsen. Anschließend geht es quer rüber wieder zur Ruta 5 und wir sehen auf der Strecke die verheerenden Auswirkungen der Waldbrände, die es hier im letzten Sommer gegeben hat. Auf einer Distanz von bestimmt 60km, wenn nicht mehr, war alles abgebrannt. Viele Häuser sind zerstört worden, aber nach und nach werden sie wieder aufgebaut. Wir waren zur Zeit der Brände in der Atacama im Norden des Landes unterwegs, wo ja nicht einmal ein Strauch wächst, aber meine Mutter hat mir von den Bränden im Süden von Chile erzählt, da selbst das Deutsche Fernsehen darüber berichtet hat. Fürchterlich!

Nach San Javier gibt es in nördlicher Richtung auf der Ruta 5 eine Copec-Tankstelle mit Waschmaschinen und Trockner. Mit nur 600 Pesos pro Maschine (unter 1 EURO) und 600 Pesos für die 45 Minuten Trockner war das endlich mal eine gute Möglichkeit für uns, all unsere dreckige Wäsche aus den letzten Monaten (das letzte Mal hatten wir bei Klaus und Claudia in El Bolson die Waschmaschine laufen!) zu waschen. In der Region rund um Antofagasta wollten die 20.000 Pesos pro Maschine haben. Das sind etwa 27 Euro! Dafür kann man sich besser neue Klamotten kaufen, als die alten zu waschen, aber im Norden von Chile herrscht eben eine große Wasserknappheit und entsprechend sind die Preise.

Der Andrang auf die beiden Waschmaschinen ist entsprechend groß, aber ich bin schnell genug und blockiere eine davon für uns. Drei Ladungen machen wir und am nächsten Morgen noch mal eine. Danach ist es draußen schon dunkel und so beschließen wir hier an der lauten Autobahn für die Nacht stehen zu bleiben. Wir nutzen gleich noch die Duschen (500 Pesos pro Person) und gehen im Restaurant einen sehr leckeren Hamburger mit Pommes essen, da ich keine Lust zu kochen habe.

Am nächsten Morgen ist es zunächst sehr neblig, aber gegen Mittag kommt mehr und mehr die Sonne durch und wir fahren zum Paso Maule (2.553m hoch, auch Paso Pehuenche genannt) hoch. Es ist einer der schönen Pässe, die nach Argentinien führen, aber wir bleiben nur auf der Chilenischen Seite dieses Mal. Die Fahrt führt durch ein enges Tal mit interessanten Gesteinsformationen hoch zu den Monjes Blancos (eine Gesteinsformation, die wie Weiße Mönche aussieht) und weiter bis zur Stahlblauen Laguna del Maule. Die Grenze dürfen wir nur zu Fuß überqueren ohne die Formalitäten machen. Kein Problem, denn die Laguna liegt nur 300m davon entfernt.

Der Fluss, der durchs Tal fließt, wird an mehreren Stellen durch Turbinen geschleust, um Strom zu erzeugen. Wir sehen, wie ein Hubschrauber Baumaterialien für einen weiteren Wasserkanal hin und her transportiert. Die Laguna del Maule - und auch unten im Tal der Lago Colbún - haben einen deutlich niedriger Wasserspiegel als normal. Wir vermuten, dass die Wasserflugzeuge hier im Sommer getankt haben, um die vielen Waldbrände im Süden zu löschen.

Vor ein paar Tagen hat es hier oben schon das erste Mal geschneit. Das ist schön anzusehen, aber wir fahren für die Nacht wieder ganz weit runter, denn hier oben ist es definitiv zu kalt.

Am nächsten Tag machen wir einen kleinen Abstecher nach Talca in der Hoffnung hier neue Stoßdämpfer und Reifen für Winnietwo zu finden. Reifenläden gibt es hier ohne Ende und ich bekomme auch ein gutes Angebot für Dunlop Reifen (aus Japan) und Firestone Reifen (aus Argentinen), aber wir würden gerne zeitgleich neue Stoßdämpfer einbauen lassen. Da haben sie hier aber nur Koreanische und wir suchen eher nach einer besseren Qualität. Also fahren wir weiter, aber immerhin haben wir eine Idee zu Preisen und Aufwand.

Wir machen Strecke auf der Ruta 5 (Panamericana) gen Süden bis es dunkel wird und stellen uns für die Nacht in eine ruhige Seitenstraße in Longavi.