29.04. - 08.05.2017: Salto del Laja - Salto de la Princesa - Reserva Nacional Malalcahuello - Temuco - Villarica - Pucón - Lago Calafquen - Panguipulli - Valdivia - Niebla - Puerto Varas

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Die Panamericana (Ruta 5) in Chile ist zumindest im Süden des Landes eine recht ungewöhnliche Autobahn. Sie ist die Hauptschlagader, die komplett durchs ganze Land führt, und da hier im Süden wesentlich mehr Menschen leben, als im Norden, geht so manches Dorf oder so manche Klein- und Großstadt direkt von der Autobahn ab. Die Ruta 5 ist in der Regel zweispurig je Fahrtrichtung und man muss durch diverse Mautstationen, die im Süden wesentlich teurer sind, als im Norden des Landes.

Das für uns Ungewöhnliche sind aber z.B. Bushaltestellen am Straßenrand. Und sehr häufig sieht man auch Fahrradfahrer auf dem Seitenstreifen. Helen überfährt nebenbei fast ein Huhn und dann stoßen wir mal wieder auf einen Erdbeerverkauf. Dieses Mal aus der Heckklappe eines Fahrzeugs. Wir machen eine Vollbremsung, denn die Erdbeerzeit ist nun auch hier langsam rum, aber ein Mal müssen wir uns das noch gönnen. Ich steige also aus, aber weit und breit ist niemand zu sehen. Die Erdbeeren sehen super frisch aus, aber was kosten sie und wo soll ich das Geld hinlegen?

Ich höre im lauten Autoverkehr schwach eine Stimme von der anderen Straßenseite. Ein Mann winkt mir zu und ich sehe, dass er dort drüben ebenfalls Erdbeeren verkauft. Muss ich da jetzt mit meinen Erdbeeren quer über vier gut befahrene Autobahnspuren und einem hohen Mittelstreifen rüber? Nein, er kommt schon angesprintet und zerquetscht sich fast seine Kronjuwelen beim Übersteigen des Metallgeländers am Mittelstreifen. Ich kann mir das Grinsen kaum verkneifen und stelle mir im Kopf gerade die Verkehrsmeldung in Deutschland vor: "Achtung! Älterer Herr zu Fuß auf der A7 zwischen Autobahnkreuz A und B unterwegs!" Fahrradfahrer, Erdbeerstände, Hühner, Landwirtschaftsfahrzeuge auf Deutschen Autobahnen? Undenkbar, oder?

Ein total süßer Verkäufer! Er sieht das ALEMANIA auf unserem Fahrzeug und ist stolz wie Bolle, dass wir für seine Erdbeeren angehalten haben. Ihm fehlen fast alle Zähne und ich verstehe nicht ein Wort, aber irgendwie handeln wir einen Preis aus. Einige Erdbeeren sind etwas grün und ich nehme sie aus dem Holzkarton und reiche sie ihm zurück. Helen hat inzwischen eine Plastiktüte raus gekramt und wir kippen die Erdbeeren um, damit ich dem Mann den Holzkarton zurückgeben kann. Wir können den nicht gebrauchen. Er strahlt mich an (sofern das mit nur noch wenigen total schwarzen Zähnen geht!) und rennt noch mal zu seinem Auto zurück, um zwei Hände voller roter Erdbeeren für uns zu holen. Dann lächelt er noch für das Foto und wir winken herzlich zum Abschied. Süß, oder?

Wie biegen zum Salto del Laja ab - einem berühmten 35m hohen Wasserfall in Chile. Wir waren 2002 schon einmal auf unserer Kumuka-Reise hier und haben damals oben am Fall auf dem großen Campingplatz übernachtet. Unten befindet sich eine ganze Reihe an Restaurants und Souvenirständen, die 2002 noch nicht da waren. Parkplätze sind rar und so stellen wir uns auf der anderen Seite der Brücke auf den Seitenstreifen und besuchen den Wasserfall. Zu dieser Jahreszeit ist der Sonneneinfall jedoch sehr ungünstig und der Wasserfall liegt fast den ganzen Tag im Schatten. Abends fahren wir zum Campingplatz hoch, der bereits für die Saison geschlossen ist, aber davor gibt es einen großen freien Platz und wir verbringen eine ruhige Nacht.

Am nächsten Tag fahren wir 200km weiter südlich und kommen nach Sonnenuntergang bei einem weiteren Wasserfall an - dem Salto de la Princesa in der Nähe von Curacautín. Wir hatten vor Wochen ein Foto davon in der Resistencia bei der Paranal Sternwarte gesehen. Aber es war schon zu dunkel, wir konnten ihn nur noch hören. Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Wasserfall finden wir nach mehrfachem Hin und Her einen relativ ebenen Standort und verbringen die Nacht dort.

Es ist Montagmorgen und viele Besucher wecken uns auf. Ist schon wieder ein Feiertag in Chile? Ja, der 1ste Mai, aber das wird uns erst später bewusst. Der Wasserfall ist keine 20m von uns entfernt. Wir machen die üblichen Fotos und dann anschließend noch unseren Abwasch und so ist es bereits 14 Uhr, bevor wir in die Hufen kommen.

Am Himmel sind feine Ziehwolken und die Sonne kommt durch - ein schöner Tag! Wir beschließen deshalb weiter östlich zu fahren, um uns die Reserva Nacional Malalcahuello anzugucken. Mitten in diesem Naturschutzgebiet liegt der Lonquimay Vulkan (2.895m hoch). Mit dem Auto kann man zum Navidad Krater hoch fahren, das kostet aber normalerweise 4000 Pesos Eintritt pro Person, aber die Rangerstation ist geschlossen. Und jetzt verstehen wir erst, dass am 1sten Mai alle staatlichen Nationalparks kostenlos sind. Wunderbar! Mal wieder ein gutes Timing für uns. Wir scheinen da immer Glück zu haben.

Auf einer breiten Lavastraße geht es stetig bergan, wir sehen von weitem schon eine ganze Reihe Fahrzeuge in einer Kurve parken. Der Wind weht heftig und der Lavastaub wird überall aufgewirbelt. Schnell wird uns klar, warum die Autos hier parken ... weiter oben versperrt Schnee die Straße und kann nur mit Allrad passiert werden. Wir bleibem also auch hier stehen. Helen hat in diesem Wind keine Lust vom vielen Sand paniert zu werden und macht es sich bei einer Tasse Cappuccino in Winnietwo gemütlich, während ich mich warm anziehe und zu Fuß losstapfe.

Ich bekomme teilweise kaum Luft, so heftig bläst mir der Wind ins Gesicht, aber die Eiseskälte und Bewegung tut echt gut. Ab und zu fährt mal ein mutiges Fahrzeug an mir vorbei, einige machen spätestens ab dem Schnee aber auch wieder einen Rückzieher. Irgendwo hier oben soll der Besucherparkplatz sein und ich laufe und laufe, in der Hoffnung, dass der Parkplatz an der nächsten Ecke endlich auftaucht. Weltbewegendes gibt es nicht zu sehen, ich mache meine Panoramafotos, was bei diesem Wind gar nicht so einfach ist, da die Kamera in meiner Hand echt wackelt. Nur die Harten kommen in den Garten. Irgendwann gebe ich das Weiterlaufen aber auf und mache mich auf den Rückweg. Die Strecke läge ich in der halben Zeit zurück, denn der Wind schiebt mich von hinten voran.

Völlig durchgeblasen und zerzaust komme ich bei Winnietwo wieder nach gut 90 Minuten an und mache mit zum Aufwärmen erst einmal einen Cappuccino. Anschließend fahren wir wieder runter. Im Tal sind inzwischen die Wolken aufgekommen und die Araukarien Bäume verschwinden geisterhaft im Nebel.

Um 19 Uhr wird es dunkel und wir finden einen Stellplatz weg von der Straße in einer Zufahrt zu ein paar Bauernhöfen. Um Mitternacht, wir haben gerade das Licht ausgemacht, klopft jemand an unser Fahrzeug. Natürlich muss ich in solchen Fällen immer aufstehen. Es ist kalt im Fahrzeug und ich muss mir erst mal was anziehen. Meine Sachen liegen immer an der gleichen Stelle und so mache ich kein Licht an. Stattdessen schiebe ich das Rollo runter, um zu gucken, wer denn da nun draußen an unserem Fahrzeug steht. Die Polizei, oder was?

In diesem Moment macht Helen die Taschenlampe an, ich bin immer noch in Unterhose und Nachthemd, und wer immer da draußen steht kann wunderbar in meinen Ausschnitt gucken, da ich ja gerade vorgebeugt aus dem Fenster schaue! Ooops! Mach die Taschenlampe aus!, fauche ich Helen entgeistert an. Vielleicht ist ja ein Spanner oder so draußen. Es klopft schon wieder. Hola! Ja, ja, ich komme ... muss mir nur schnell was anziehen.

Angezogen krabbel ich nach vorne in den Fahrerraum und lasse die Scheibe ein paar Zentimeter runter. Draußen steht ein älterer Mann mit Taschenlampe. Ich halte meine in sein Gesicht und er nuschelt mich auf Spanisch an und fragt, ob ich Tortillas haben möchte. Wie bitte? Tortillas um Mitternacht? Ich bemerke, dass er angetrunken ist und bin mir nicht sicher, ob er von einem der umliegenden Bauernhöfe kommt und uns ein Gastgeschenk machen will oder ob er Geld für die nächste Flasche braucht und uns die Tortillas verkaufen möchte.

Ich bedanke mich in meinem besten Spanisch für sein "nettes Angebot", aber wir haben schon gegessen. Muchas graçias y buena noche! Er versteht den Wink mit dem Bretterzaun und macht mir noch schnell das Angebot, dass wir auch gerne auf seinem Grundstück für die Nacht stehen können. Da ist es sehr sicher. Ich bedanke mich erneut für das Angebot, aber wir stehen hier gut und sind müde. Muchas graçias y buena noche! Er nickt und wünscht mir auch eine gute Nacht. Adios!

Anschließend liegen wir beide wieder kuschelig warm im Bett und können über diese Begegnung nur den Kopf schütteln. Aber man weiß ja nie, nächstes Mal könnte das auch gefährlicher ausgehen. Wollen wir einfach mal das beste hoffen. Eigentlich sind die Chilenen und Argentinier sehr nette Menschen, die uns überall herzlich willkommen heißen. Manche sind vielleicht einfach nur neugierig auf uns.

Über Nacht regnet es heftig und auch am nächsten Morgen fallen noch Tropfen. Wir haben entsprechend schlecht geschlafen und kommen erst gegen Mittag aus dem Bett. Weiter geht es nach Temuco. Wir sind mal wieder auf der Suche nach Propan für unsere Heizungsflasche (es wird nachts immer kälter!), aber die Gasplantage kann uns nicht auffüllen. Wir sollen es in der Stadt mal bei der Petrobras-Tankstelle versuchen.

Auf dem Weg dahin checken wir Reifenwerkstätten und Ersatzteilläden aus. Bei Bacon Neumaticos bekomme ich ein sehr gutes Angebot für Continental Reifen, die gleichen, die wir jetzt auch drauf haben, gefertigt in Ecuador statt in Slowenien. Die Werkstatt ist riesig und macht einen sehr guten Eindruck auf uns, was auch an den vielen anderen Kunden zu sehen ist. Stoßdämpfer von guter Qualität können sie leider in Temuco für uns nicht auftreiben, aber wir entschließen uns zum Reifenwechsel. Die beiden Vorderräder sind schon extrem weit abgefahren und mit all dem Regen hier, wird es uns langsam zu gefährlich ... Aquaplaning und so.

Vorne kommen zwei neue Reifen auf die Felgen, hinten lassen wir die beiden Ersatzreifen, die noch nie gebraucht wurden, anbringen und die beiden Hinterreifen die drauf waren, werden zu den neuen Ersatzreifen erklärt. Sie haben noch etwa 4mm Profil drauf, was im Notfall erst einmal reicht. Beim nächsten Reifenwechsel in 40-50.000km kaufen wir dann 6 neue Reifen, aber diese Ausgabe müssen wir heute nicht machen.

Die Mechaniker haben Probleme unsere Ersatzreifen abzubekommen. Einer hängt hinten auf dem Gestell und ist mit eine Kette und einem Schloss gegen Diebstahl gesichert. Das Schloss ist nach all der Zeit so verrostet, dass wir es mit dem Schlüssel nicht mehr aufbekommen. Einer der Mechaniker hämmert es mit einem Stemmeisen auf. Der andere Ersatzreifen ist in einem Gestell unter dem Fahrzeug. Es braucht zwei junge Männer, um den Reifen dort unten herauszubekommen. Gut, dass wir beides nicht machen müssen. Die Reifen sind echt schwer!

Probleme gibt es auch beim Aufbocken von Winnietwo. Vorne bricht einer der Stützpunkte unter dem Fahrzeug wegen Rost weg und der Wagenheber muss woanders angesetzt werden. Nach der Montage der Reifen, verstauen die Jungs einen Ersatzreifen wieder unter dem Fahrzeug, aber der zweite kann hinten auf dem Gestell nicht mehr angebracht werden, da die Felge breiter ist, als die der Ersatzreifen und die beiden Schrauben für die Montierung des Reifens am Gestell zu kurz sind. Kein Problem, sage ich, wir packen den Reifen in den Innenraum und kaufen im nächsten Baumarkt zwei längere Schrauben.

An den alten Vorderreifen konnten wir sehen, dass das Profil ungleich abgefahren wird. Die Spur musste also neu eingestellt werden. Das wird hier mit einer hochmodernen Laseranlage gemacht. Helen fährt Winnietwo millimetergenau auf die Rampe und der Computer bestätigt unsere Vermutung. Links ist der Reifen um fast 5 Grad gekippt und der Rechte um etwa einen Grad in die andere Richtung.

Wieder kommt es zu einem Problem, denn die linke Spurenstange ist total verrostet und lässt sich nicht mehr drehen. Wir brauchen eine neue, aber die ist in Temuco nicht aufzufinden. Man will es morgen noch einmal versuchen. Der Mechaniker stellt den rechten Reifen auf 2 Grad in die gleiche Richtung, wie der linke Reifen ein, damit die Profile wenigstens gleichmäßig abgefahren werden.

Wir bezahlen die Rechnung von 202.000 Pesos (etwa 280 EURO) und versprechen morgen wieder zu kommen. Nach vier Stunden in der Werkstatt ist es bereits nach 18 Uhr und Feierabend ist angesagt. Wir machen noch einen schnellen Stopp beim nächsten Baumarkt und ich kaufe die längeren Schrauben. Auf dem Parkplatz montieren wir den Ersatzreifen schnell auf das Gestell. Boah, ist der schwer! Wir schaffen es mit Ach und Krach zu zweit, den hoch zu hieven. Wie haben das die spiddeligen Jungs in der Werkstatt alleine geschafft?

Durch den dichten Berufsverkehr wühlen wir uns zu einem großen Santa Isabel Supermarkt. Wir sind am verhungern und hatten richtig Lust auf ein gebratenes Hähnchen, aber die waren schon alle weg. Stattdessen kaufe ich ein paar Würste und einen leckeren Pfirsichkuchen für Madame. Der ist zwar echt teuer, aber wir gönnen uns den heute mal! Das war ein recht anstrengender Tag für uns, da müssen ein paar Kalorien her! Neben dem Parkplatz vom Supermarkt gibt es ein freies Gelände, wo wir gut und sicher für die Nacht stehen.

Am nächsten Morgen fahren wir noch einmal zur Reifenwerkstatt, aber sie konnten leider immer noch keine Spurenstange für uns auftreiben. Wir müssen es also weiter südlich oder in Argentinien versuchen. Stoßdämpfer stehen ja auch immer noch auf unserer Liste. Propan gibt es zwar bei der Petrobras-Tankstelle in Temuco, aber sie hatten nicht den richtigen Adapter, um unsere Flasche zu füllen. Propan wird hier in Chile so langsam zu einem echten Problem für ausländische Flaschen.

Leicht frustriert verlassen wir die Stadt. Immerhin strahlt jetzt die Sonne vom Himmel. Gut, denn wir sind auf dem Weg zum Vulkan Villarica. Vom Ort Villarica und später von Pucón aus, haben wir einen fantastischen Blick auf den 2.847m hohen Vulkan, der heute von einer sehr eigenartigen Wolke bedeckt ist. Der Vulkan ist aktiv und die ausgestoßene Staubwolke wird vom starken Wind wie ein Schirm geformt.

2002 waren wir schon einmal in Pucón mit unserer Kumuka-Truppe. Damals haben wir den Vulkan an einem sehr nebligen Tag bestiegen. Mit Steigeisen ging es im Zickzack durch den Schnee hoch zum Krater. Wir wären fast hineingefallen, denn man konnte damals die Hand nicht vor den Augen sehen, aber der starke Schwefelgeruch war Warnung genug. Anschließend ging es rasant auf dem Hosenboden die Schneebedeckte Vulkanflanke wieder runter. Ein echter Gaudi!

Pucón ist in den letzten 15 Jahren etwas größer geworden, aber wir laufen bei unserem Spaziergang durch dieses schnuckelige Dorf direkt an dem Hotel vorbei, in dem wir mit Kumuka übernachtet haben. Damals waren wir zu Ostern hier und haben eine Verkleidungsparty gemacht. Dieses Mal decken wir uns mit leckerem Deutschen Apfelstrudel ein.

Laut iOverlander kann man oben am Vulkan bei der Skistation mit einem Wohnmobil stehen. Wir machen uns aber leider etwas spät auf den Weg und die Sonne ist schon am untergehen. Die Schotterstraße ist etwas weich und wellig und so kommen wir nur langsam voran. Bis zur Skistation schaffen wir es nicht mehr und weiter unten finden wir keinen geeigneten Stellplatz und so drehen wir wieder um. Im Dorf stehen wir besser. Immerhin gibt es noch einen netten Sonnenuntergang. Weiter oben wären wir eh in den Wolken gewesen.

Am nächsten Morgen schauen wir uns um die Ecke noch die Blumenläden an. Zwei Familien stellen hier in Handarbeit Blumen aus fein gehobelten Holz her. Von weitem sehen die aus wie echt! Sehr farbenfroh und nicht teuer. Je nach Größe zahlt man zwischen 1000 und 2000 Pesos (1.40-2.80 EURO).

Wir verlassen Pucón und fahren weiter südlich zum Lago Calafquen. Zeit für unseren Cappuccino und dazu gibt es den leckeren Streuselkuchen mit Apfel und Himbeeren.

Lago Calafquen - 360° Panorama
(mit gedrückter Maus über das Panorama fahren oder auf die Pfeiltasten klicken)


Weiter geht es an diesem Tag noch bis zum Lago Panguipulli, wo wir uns in die ruhige Straße nahe des Seeufers stellen. Weiter ran können wir nicht, es gibt riesige Pfützen auf der Schotterstraße. Morgens werden wir von einem nervigen Piepen geweckt. Helen stellt fest, dass es sich um eine Fahrschule für LKWs handelt und beim Rückwärtsfahren geht das Piepgeräusch an. Zwei Fahrschüler fahren die Straße rauf und runter zum Üben, und das Piepen nervt kolossal!

Obendrein ist das Wetter schlecht. Wir machen uns dennoch auf den Weg nach Valdivia. Kaum sind wir dort angekommen, macht der Himmel seine Pforten ganz weit auf. Sintflutartige Regenfälle lassen alle Straßen unter Wasser laufen, was aber den Chilenen nicht dazu abhält langsamer oder vorsichtiger zu fahren. Während Helen einkaufen geht, bleibe ich vorsichtshalber im Auto. Es wird dunkel und wir fahren zu dem nächsten möglichen Stellplatz in der Stadt, der auf iOverlander angegeben ist, und stellen uns in einer edlen Wohngegend auf die Straße, die direkt neben dem Río Cruces verläuft.

Auch am nächsten Tag regnet es ununterbrochen. Wir müssen einen Tag aussetzen. Bei diesem Schweinewetter sind nicht mal die streunende Hunde draußen. Ein Anwohner hält mit seinem Auto neben uns und ruft laut "Hola!". Helen spricht mit ihm und wir werden eingeladen, beim Chilenen im Haus zu schlafen. Er hat offensichtlich Mitleid mit uns. Wie nett! Wir bedanken uns herzlich, lehnen aber ab. Wir haben alles, was wir brauchen. Es sagt uns noch seine Hausnummer, falls wir irgendwie Hilfe brauchen und winkt freundlich zum Abschied.

Am nächsten Morgen nieselt es immer noch leicht, aber hier und da sieht man schon wieder Blauen Himmel. Wir beschließen runter zum Fischmarkt zu fahren - eine Sehenswürdigkeit in Valdivia. Da man da schlecht mit so einem großen Fahrzeug parken kann, stellen wir uns auf der hiesigen Seite der Brücke auf den Parkplatz vom Kunstmuseum. Hier bekommen wir sogar einen Internetzugang zur nahe gelegenen Universität.

Ich schnappe mir die Kamera und laufe zum Fischmarkt. Valdivia liegt eingebettet von mehreren Flüssen etwa 16km von der Pazifikküste entfernt. Im Flusswasser tummeln sich große Seelöwen-Männchen, jeder Bootssteg wird von ihnen in den Beschlag genommen. Der Fischmarkt ist täglich geöffnet - hier kann man auch frisches Obst und Gemüse kaufen.

Die meisten Besucher machen aber entweder Fotos oder kaufen frischen Fisch oder Muscheln. Der Fisch wird hier gleich hinter den Ständen filetiert, die schweren Seelöwen-Männchen hocken schon da und warten auf die Fischreste. Oben auf dem Dach der Halle sitzen Geier und trocknen ihre Flügel. Kormorane kommen angeflattert und klauen, was sie nur können. Ich und viele Chilenische Kinder haben Spaß an dem Schauspiel.

Regen und strahlender Sonnenschein wechseln sich ständig ab. Ich bin gerade dabei, dass U-Boot im Hafen zu fotografieren, da plattert es wieder ganz große Tropfen von oben. Zusammen mit drei Chilenen suche ich Schutz unter einem großen Baum und eine ältere Dame singt mit ein Liebeslied vor. Ich verstehe nur "corazón" und "amor" und lächle sie dankend an. Dann kommt ein Regenbogen raus und sie zeigt mit dem Finger drauf und flüstert fast ehrfürchtig "un arcoiris". Es sind immer die kleinen Begegnungen hier in Chile mit den Menschen, die mir Spaß machen. Wir wünschen uns gegenseitig einen guten Tag und ich laufe dann noch weiter zu einem der alten Stadttürme.

1960 wurde Valdivia von einem Erdbeben fast komplett zerstört und die Stadt sank um 4m nach unten. Man sieht leider nur noch wenige alte Häuser aus dem frühen 20ten Jahrhundert. Sie stehen heute unter Denkmalschutz.


Fischmarkt und Seelöwen in Valdivia

Am Nachmittag fahren wir zur Kunstmann Brauerei. Deutsche Einwanderer haben hier Bier nach Deutschem Reinheitsgebot gebraut und tun das auch heute noch. Man kann vor Ort eine Tour machen, aber die 45-minütige Besichtigung der Anlage ist uns mit 10,000 bis 15,000 Pesos (14 bis 28 EURO) zu teuer. Das Restaurant ist voll besetzt, die Speisekarte sieht echt lecker aus, aber wir haben noch keinen großen Hunger.

Und so fahren wir weiter bis an die Küste. Die Straße ist zum Teil extrem steil und eng. Wir kommen an einem kleinen Dorf mit Fischerbooten vorbei und suchen einen Stellplatz, der in iOverlander gepriesen wird. Dieser ist aber inzwischen eine Baustelle. Wir müssen keine 100 Meter vor dem Platz durch 15cm hohen Schlamm. Bergauf! Uns sitzt einer der lokalen Busse direkt auf der Stoßstange, sodass Helen nicht spontan bremsen kann. Im ersten Gang schlittern und schlingern wir dadurch. Umso größer ist dann die Enttäuschung, dass der Stellplatz nicht mehr zugänglich ist. Wegen der vielen Regenfälle in letzter Zeit ist die Schotterstraße extrem weich mit vielen Schlaglöchern. Uns ist das Risiko stecken zu bleiben zu hoch und wir drehen wieder um.

Auf dem Hinweg hatten wir in Niebla schon kurz Halt auf dem Parkplatz vom Fährhafen gemacht, um Trinkwasser aufzufüllen. Das habe ich kostenlos von den netten Sicherheitsleuten im Gebäude bekommen. Super! Wir beschließen uns hier dann auch für die Nacht hinzustellen. Es gibt einen "Parkplatzwart", der mit seinem Wedel den Autos beim Ein- und Ausparken hilft. Beim ersten Mal haben wir ihn total ignoriert. Das Einweisen machen wir grundsätzlich selber und verlassen uns da nie auf jemand anderes.

Er sieht uns also wiederkommen und kaum habe ich die Tür auf, will er Geld von uns sehen. Ich frage ihn "Warum?" - der Parkplatz ist kostenlos, sonst würde da schon ein entsprechendes Hinweisschild stehen. Er blubbert mir im fast unverständlichen Spanisch war vor. Andere Leute bezahlen ihn auf. Das ist hier üblich so. Ich weise darauf hin, dass der Parkplatz kostenlos ist (das bestätigen auch die Sicherheitsleute im Fährgebäude) und ignoriere ihn. Dann kommt auch noch ein Kumpel von ihm vorbei und versucht es bei Helen. Wir bleiben stur und bezahlen nicht.

Grundsätzlich finde ich es eigentlich gut, dass offensichtlich arbeitslose Leute sich hier durch solche Aktionen etwas Geld verdienen. Das ist besser, als betteln, was man in Chile eigentlich nie sieht. Und vermutlich hätten wir ihm am nächsten Tag auch was gegeben, wenn er es nicht so penetrant verlangt hätte.

Wir haben zum Glück keine aufgeschlitzten Reifen oder ähnliches am nächsten Morgen und fahren weiter gen Süden. Heute regnet es wieder in Strömen und wir steuern auf der Ruta 5 eine Copec an, um zu duschen. Da ich mal wieder keine Lust zum Kochen habe, gibt es wieder die leckeren Hamburger mit Pommes hier. Helen strahlt über alle Backen! Sie liebt ihre Burger.

Wir schaffen es noch vor Dunkelheit bis Puerto Varas, wo wir die Nacht am See stehen. Sie war bitterkalt und wir haben immer noch kein Propan in der Heizungsflasche. Gegen 9 Uhr geht die Sonne hinter dem Osorno Vulkan auf. Am Strand steht ein weiteres Deutsches Wohnmobil und wir treffen den Besitzer später. Er ist Deutscher, lebt aber in Chile und hat das Auto von einem anderen Deutschen hier gekauft, deswegen hat es auch ein Chilenisches Kennzeichen.

Der Wetterbericht sieht für die nächsten vier Tage sehr gut aus und wir beschließen einen schnellen Abstecher auf die Chiloé Insel zu machen. Mai ist nicht wirklich die richtige Jahreszeit dafür, aber wenn wir schon mal hier unten sind, dann können wir das auch gleich noch mitmachen. Wir machen deswegen in Puerto Varas noch einen Großeinkauf und fahren dann runter nach Pargua, um die Fähre auf die Insel zu nehmen.