15.05. - 01.06.2017: Puerto Montt - Puerto Octay - Paso Cardenal Antonio Samoré - El Bolsón - Santiago de Chile - Kanada

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Im Prinzip sind wir jetzt am Ende unserer zweiten Saison in Südamerika. Es bleibt nur noch die Rückreise nach El Bolsón, wo wir Winnietwo für den Winter 5 Monate lang einlagern werden. Wir machen einen letzten Versuch Ersatzteile für Winnietwo zu finden und steuern Puerto Montt an. Laut iOverlander lassen hier viele ihre Fahrzeuge oder Motorräder überholen und es gibt den ein oder anderen Werkstatt-Tipp.

Die erste Garage, die wir anlaufen ist gleich geschlossen - ob permanent oder nur gerade an diesem Tag wissen wir nicht. Aber bei Repuesto Jano - einem Ersatzteilhändler für FIAT-Teile - werden wir tatsächlich fündig. Neue Stoßdämpfer von Dunlop - Made in Europe!!! - sind auf Lager und kosten umgerechnet nur 70 Euro pro Dämpfer. Und eine Spurstange hat er auch. Super! Ich bezahle alles bar und wir fahren zum nächsten Lider Parkplatz (Walmart).

Gegenüber entdecke ich eine Bacon Neumaticos Werkstatt. Es ist die gleiche Kette, die wir schon in Temuco für den Reifenwechsel genutzt haben. Kurz vor Geschäftsschluss hole ich mir nur schnell die Preise für den Einbau der Stoßdämpfer und Spurstange ein und mache einen Termin für den nächsten Tag.

Da wir auf dem Lider Parkplatz nachts nicht bleiben dürfen, fahren wir um die Ecke und parken auf der Straße in einer leicht dubiosen Wohngegend. Mitten in der Nacht werde ich von einem komischen Geräusch geweckt. Ein Blick durch die Heckfenster lässt mein Herz schneller schlagen. Ein Mann steht direkt hinter unserem Fahrzeug und er muss an dem Ersatzreifen gerüttelt haben. Er verschwindet ohne Schaden anzurichten, aber richtig schlafen können wir danach nicht mehr.

Der Wecker klingelt um 8 Uhr morgens - draußen regnet es in Strömen. Ein idealer Tag, um ihn in der Werkstatt zu verbringen. Wie immer ist der Service bei Bacon super. Die Jungs sind deutlich beeindruckt, dass zwei Frauen schon mit neuen Ersatzteilen auftauchen und ihnen auch sagen können, was man tun muss, um die Stoßdämpfer aus- und wieder einzubauen. Winnietwo ist unglaublich kompliziert gebaut. Um an die oberen Schrauben für die Stoßdämpferaufhängung zu kommen, muss man in der Fahrerkabine erst einmal die Verkleidungen für das Armaturenbrett abmachen.

Während die Mechaniker sich damit abmühen, nutzen wir das WiFi im Büro. Direkt über uns plärrt der Fernseher mit einem Zeichentrickfilm. Eine junge Chilenin wartet ebenfalls stundenlang auf ihr Fahrzeug. Ihr kleiner Sohn muss abgelenkt werden, er langweilt sich zu Tode. Mir gehen die hohen Stimmen vom Zeichentrickfilm total auf die Nerven! Damit kannst du Menschen foltern ... ich schwöre es!

Der Aus- und Neueinbau der Stoßdämpfer läuft ohne Probleme ab, aber die Spurstange ist zu kurz. Und so fahre ich mit einem der Mechaniker zu Jano. Innerhalb von 30 Sekunden sind wir wieder draußen. Mit einer längeren Spurstange. Jano hatte gerade eine Lieferung bekommen und musste nur schnell den Karton öffnen. Super!

Die Spurstange wird eingebaut und anschließend stellen die Jungs mit der modernen Laseranlage die Reifenspur für alle vier Räder optimal ein. Wir zahlen 120 EURO für den Service und fahren dann anschließend zu Lider rüber. Helen sprintet durch den Regen und kauft uns ein gebratenes Hähnchen mit frischem Brot. Seit dem Frühstück (8 Stunden ist es inzwischen her) haben wir nichts mehr gegessen. Wir sind am Verhungern!

Am späten Nachmittag verlassen wir Puerto Montt ohne auch nur eine Minute Sightseeing hier gemacht zu haben. Im Dauerregen macht so etwas eben keinen Spaß und wir kommen sehr wahrscheinlich nächste Saison hier eh wieder durch. Dann sollte es Sommer sein.

Helen muss sich durch den dichten Feierabendverkehr wühlen und voll konzentrieren und so merkt sie gar nicht, dass Winnietwo ohne Gehüpfe über die Straßen fährt. Was für ein Unterschied mit den neuen Stoßdämpfern!!! Neue Reifen, Stoßdämpfer, Ölwechsel ... wir sind gut für die nächsten Südamerika-Saisons gerüstet! Und das Kupplungspedal hält auch noch.

Durch den Regen und in der Dunkelheit schaffen wir es noch bis zu dem ruhigen und sicheren Stellplatz am See in Puerto Varas, auf dem wir schon vor gut einer Woche gestanden haben. Am nächsten Tag geht es weiter nach Puerto Octay - einer Deutschen Siedlung. Viel zu Fotografieren gibt es hier nicht, aber das mag an der späten Jahreszeit liegen.

Weiter geht es an Schneebedeckten Vulkanen vorbei über den Paso Cardenal Antonio Samoré nach Villa La Angostura. Der Pass ist nur 1.300m hoch und wir sind überrascht, dass dort oben schon viel Schnee liegt. Letztes Jahr war es zur gleichen Zeit viel wärmer hier.

Der Grenzübergang nach Argentinien ist kein Problem. Gut, dass ich unser Versicherungspapier vorher noch gefälscht habe. Unsere Autoversicherung ist seit 3 Tagen eigentlich abgelaufen und da wir nur noch bis El Bolsón fahren, haben wir die nicht für eine Woche verlängert. Ich hatte aber irgendwie schon damit gerechnet, dass die Argentinier an dieser Grenze das Papier für die Einreise sehen wollen. Das war damals beim Grenzübergang in Futaleufu (Nordende der Carretera Austral) schon so. Und tatsächlich, ohne "gültige" Versicherung wäre Winnietwo nicht nach Argentinien gekommen. Die 5 Monate Einlagerung hätten wir uns dann abschmieren können.

Ein Beamter deutete an, dass er hinten ins Auto gucken will. Ich steige aus und mache die Schiebetür auf. Er winkt ab, ohne einen Blick ins Fahrzeug zu werfen und kümmert sich um das nächste Auto. Ich schmeiße die Tür wieder zu und wir stellen beim nächsten Aussichtspunkt fest, dass sie sich schon wieder verklemmt hat.

Hinten wird die Tür von einer Kippverriegelung geschlossen - eine Gabelzange greift in einen Bolzen. Normalerweise rastet der Bolzen in der Mitte der Zange ein, jetzt ist er aber über die ganze Zange gerutscht und die Tür lässt sich nur noch mit Gewalt öffnen. Wir hatten das gleiche Problem schon mal in Ushuaia, als wir die Tür auf einer schrägen Straße geschlossen haben. Mit einem Schraubenzieher drücke ich die Zange wieder vom Bolzen weg. Dabei verbiegt sie sich aber und schwupps passiert das gleiche beim zweiten Schließen der Tür. Ich biege die Zange wieder gerade und dann funktioniert die Tür auch wieder.

Allerdings nur für ein paar Tage, denn in El Bolsón haben wir wieder das gleiche Problem. Dort ist es so kalt, dass wir in den Türrahmen eine neue Dichtung einziehen, damit es nicht immer so durch die Tür zieht. Die ist aber wohl zu dick und beim Schließen der Tür klemmt wieder die Zange ein. Wir brauchen eine neue Zange und müssen dann nächste Saison die komplette Aufhängung der Tür in einer FIAT Werkstatt justieren lassen. Zuviel Aufwand im Moment und so lassen wir die Schiebetür für die restlichen Tage zu und gehen vorne aus der Fahrerkabine rein und raus.

Die Nächte sind in Argentinien jetzt bitterkalt. Wir haben regelmäßig Temperaturen von minus 4-6°C. Morgens ist es im Winnietwo unter Null, die Scheiben sind von drinnen vereist und die Türen vorne sind zugefroren. Zum Glück bekommen wir in El Bolsón bei der Gasplantage endlich Propan für unsere Gasflaschen. Mit 160 Pesos (ca. 9.50 EURO) pro Flasche (11kg) ist der Preis im Vergleich zu anderen Gegenden in Chile und im Norden von Argentinien immer noch sehr günstig, obwohl er sich in den letzten 12 Monaten auch hier mehr als verdreifacht hat.

Da Klaus und Claudia auf ihrem Grundstück kein Internet haben, stellen wir uns vor den PMX Outdoorladen. Mit unserem Booster empfangen wir eine relativ schnelle WiFi-Verbindung und können das letzte Bundesligaspiel vom HSV gegen Wolfsburg live sehen. Was für eine Dramatik! HSV MUSS gewinnen und Wolfsburg führt in Hamburg mit 1:0. In der 87igsten Minute gelingt Waldschmidt (gerade erst eingewechselt) sein allererstes Bundesligator. Der HSV führt 2:1, aber es gibt 5 Minuten Nachspielzeit. Ich kaue meine Nägel, raufe mir die Haare (alles im übertragenen Sinne) ... Helen zittert neben mir vor lauter Anspannung ... und dann ist unsere Internetverbindung weg bevor der Schlusspfiff fällt!!! Panik hoch Fünf! Ich versuche die Verbindung wieder zu starten, aber der Laptop rödelt und rödelt und wir bekommen kein Bild. Scheiße!!! In meiner Verzweiflung öffne ich kicker.de und sehe im Liveticker, dass der Schlusspfiff inzwischen erfolgt ist und der HSV gewonnen hat. Unsere Jubelschreie kann man über ganz El Bolsón hören. Crazy Germans!! Wir high-fiven uns und mir kommen sogar ein paar Tränen.

Am nächsten Tag fahren wir zu Klaus und Claudia raus. Die beiden sind gerade dabei Apfelsaft zu machen und ich helfe Claudia beim Zerkleinern der Äpfel, bevor sie in den Schredder kommen. Klaus presst den Saft mit dem Hubwagen aus - 90 Liter Saft kommen so zusammen. Vitamine für den Winter!

Wir nutzen unsere letzte Woche in Argentinien und schreiben wie wild an unserer Webseite. Die letzten Fotos und Videos werden bearbeitet und nebenbei räumt immer einer von uns auf. Gut, dass wir hier die Steckdose neben der Werkstatt nutzen können, denn zu dieser Jahreszeit steht die Sonne schon so tief, dass das Tal hier nur noch 3-4 Stunden Sonne bekommt - nicht genug für unsere Solarzelle. Der Boden ist jeden Morgen schneeweiß vom Raureif - wunderschön anzusehen! - und schmilzt nur an den sonnigen Stellen. Wir lassen den ganzen Tag die Heizung laufen und schlafen nachts mit Wärmflaschen unter drei Decken. Einer von uns wacht dann immer so gegen 6 Uhr auf, denn es ist minus 1°C drinnen. Helen beugt sich zur Heizung rüber und macht sie an. Drei Stunden später ist es warm genug zum Aufstehen!

Ich gehe mit Klaus auf die Suche nach einem seiner Schafe. Kondore kreisen oben auf dem Berg - ein deutliches Zeichen, dass das Schaf tot ist. Wir klettern über den Zaun, stapfen durch den Schnee und das Gestrüpp und sehen zwei Hunde wegrennen. Die vermutlichen Schafmörder. Die Kondore sind nicht mehr da, aber dafür kreisen Karakaras in der Luft. Hundespuren auf dem Boden weisen in eine bestimmte Richtung und wir finden am Ende das tote Schaf im Gras. Außer Knochen ist nicht mehr viel übrig.

An unserem letzten Tag machen wir Winnietwo von draußen sauber, so gut es geht. Der Wasserschlauch und Hahn bei der Werkstatt ist eingefroren - letztes Jahr konnte ich Winnietwo noch schön abspritzen. Dieses Jahr entferne ich nur die richtig dreckigen Stellen mit einem Schwamm. Wir stehen in der Sonne, aber die abgewandten Seiten frieren auf dem kalten Autolack gleich wieder ein. Wachsen kann ich ihn auch nicht ... na ja, dass machen wir dann im Oktober, wenn wir zurückkommen.

Wir fahren ihn anschließend in die Pferdescheune. Klaus wird seinen Traktor noch davor parken und das sollte, wie im letzten Jahr, reichen, damit Winnietwo gut den Winter hier übersteht. Claudia bringt uns am nächsten Morgen zur Busstation. Genau wie im letzten Jahr nehmen wir den Bus nach Bariloche und von dort aus den Übernacht-Bus nach Santiago de Chile. Die Flugtickets von Chile nach Kanada sind um viele Hundert Dollar billiger, als wenn wir von Buenos Aires aus fliegen.

Auf der 19-stündige Busfahrt lernen wir Hans-Uwe und seine Frau Maria Luisa kennen. Er ist Hamburger, sie ist eine in Argentinien geborene Deutsche. Die beiden wohnen seit 10 Jahren am Lago Puelo südlich von El Bolsón. Zu Viert nehmen wir uns in Santiago de Chile ein Taxi zum Flughafen. Die beiden bleiben dort eine Nacht im Hotel, bevor es weiter in die Dominikanische Republik geht. Wir schnacken lange miteinander und genießen ein spätes Frühstück zusammen. Die beiden vertreiben uns wunderbar die lange Wartezeit, denn unser Flug nach Atlanta geht erst um 19.40 Uhr. Wir freuen uns schon darauf, sie im November in Argentinien zu besuchen.

Die Flüge nach Atlanta und Vancouver sind ereignislos. Allerdings sind die Sitze auf den beiden Delta-Flügen total unbequem. Null Beinfreiheit und man kann die Lehnen nicht zurückstellen. Wir bekommen keinen Schlaf und schauen deswegen einen Film nach dem anderen. Highlight ist das Überfliegen des Yellowstone Nationalparks in Wyoming. Ich sitze auf der richtigen Fensterseite und wir sehen den berühmten Emerald Pool vom oben.

Beim Anflug in Vancouver ist noch Schnee auf den Berggipfeln zu sehen. Ungewöhnlich! Normalerweise ist es Ende Mai schon warm genug. Wir kommen um 12.30 Uhr in Vancouver an, unser Bus in das Okanagan Valley geht aber erst um Mitternacht. Wir sind total übermüdet und verbringen einige Stunden am Flughafen, aber es ist zu laut und unbequem auf den Stühlen, um zu schlafen.

Am nächsten Morgen kommt der Bus pünktlich bei unserem Endziel an. 74 Stunden ... oder so ... waren wir unterwegs und jetzt ist es 5.40 Uhr. Keine Menschenseele auf der Straße und ein Taxi gibt es hier auch nicht. Winnie steht gut 7km entfernt auf dem Hof von unseren Freunden. Wir machen uns mit unseren Rolltaschen auf und laufen. Zum Glück regnet es nicht (war eigentlich laut Internet angesagt). Wann immer ein Auto an uns vorbeifährt, halten wir den Daumen raus. Nach gut einem Drittel der Laufstrecke hält doch tatsächlich jemand für uns. Eine junge Frau mit Rastalocken und Hund. Sie war bereits an uns vorbei gefahren - in die andere Richtung zur Tankstelle. Schnell sind unsere Taschen verladen und sie bringt uns direkt zu unserem Winnie. Danke, Kim! Viel Spaß in Jamaika! (In einer Woche wird sie dort hinfliegen.)

Winnie ist umgeben von hohem Gras und wir sehen sofort, dass die Abdeckplane total zerfetzt ist. Tommy kommt raus und begrüßt uns herzlich. Von ihm erfahren wir, dass es ein sehr kalter und harter Winter war und die Plane hat dem starken Wind nicht standgehalten. Vor kurzen hat es noch so doll geregnet, dass eines der Nachbardörfer unter Wasser stand. Aber zum Glück ist im Winnie drinnen alles trocken. Ich stöpsel die Batterien an und beide haben noch Saft. Der Motor springt ohne Probleme an. Super! Good Old Winnie!

Wir kochen uns schnell eine Tasse Tee, waschen uns und dann geht es erst einmal ins Bett. Nach 7 Stunden Schlaf stehen wir wieder auf - wir müssen Propan und Essen kaufen, da von beiden nichts mehr da ist. Abends gibt es Spiegelei mit Champignons, Tomaten und Würstchen - dazu frisches Brot. Um 21 Uhr liegen wir dann schon wieder im Bett. Im Alter steckt man solche Reisestrapazen irgendwie nicht mehr so gut weg.

Am nächsten Tag kaufen wir uns einen neuen Toaster-Ofen. Unser alter hat nach 14 Jahren den Geist aufgegeben. Der neue ist um einiges größer, jetzt bekommen wir gleich zwei Schüsseln rein. Endlich wieder Pizza, Kuchen und Aufläufe. Das können wir mit Winnietwo leider nicht machen.

Das war's für diese Südamerika-Saison. Wir werden jetzt den Sommer in Kanada verbringen und dann Ende Oktober wieder die lange Rückreise nach Südamerika antreten.

Bis dahin sagen wir Adios Amigos!

Eure Kirsten und Helen