29.01. - 09.02.2018: Asunción

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Wir verlassen Hasta La Pasta auf einem Sonntagabend, in der Hoffnung, dass es keinen Verkehr auf der Straße gibt. Mal wieder ein großer Fehler von uns, denn schon ab San Bernadino stehen wir im Stau. Bis nach Asunción sind es eigentlich nur 50km - mein Zahnarzttermin steht an. Die Wolken werden mächtig dunkel, als wir Hasta La Pasta so gegen 17.30 Uhr verlassen und da wir schon den Regen überm See anrollen sehen, verabschieden wir uns von allen im Schnelldurchlauf. Die ersten Blitze donnern vom Himmel. Wir legen einen Zacken zu, denn die Sandstraße zu Hasta La Pasta kann zu einer schmierigen Seifenspur werden bei heftigem Regen.

Ist es das schlechte Wetter oder warum schleichen die Autos alle so auf dem Weg nach Luque? Wir vermuten irgendwo ist ein Unfall auf der Strecke, denn wir kommen nur im Stop-and-Go voran. Fast keine Gegenverkehr und so werden wir immer wieder von hinten von rücksichtslosen Paraguayanern überholt. Sie fahren sogar rechts von uns auf dem Standstreifen. Gefährlich im Regen und Matsch am Straßenrand! Einen Unfall sehen wir dann aber nicht, es war tatsächlich nur das hohe Aufkommen an Fahrzeugen. San Bernadino ist ein sehr beliebtes Wochenendausflugsziel für die Leute aus Asunción und die fahren natürlich am Sonntagabend alle wieder nach Hause. Wir brauchen schlappe 2,5 Stunden für die 50km und kommen gerade noch beim allerletzten Tageslicht in Asunción an. Die Straßen sind alle wegen des Regens überflutet und natürlich läuft auch wieder die Kloake die Straßen entlang. Helen versucht jedem Schlagloch, soweit sie es überhaupt sehen kann, auszuweichen und erneut drängeln ungeduldige Autofahrer (alles Männer natürlich!) von hinten.

Direkt vor der Zahnarztpraxis finden wir einen Parkplatz unter einem Baum. Morgen soll wieder die Sonne scheinen und dann stehen wir wenigstens im Schatten.

Die Nacht ist ruhig, aber am Morgen weckt uns die Hitze im Fahrzeug. Wir wagen es nicht über Nacht die Türen aufzulassen und so sind es gegen 9.30 Uhr schon weit über 30 Grad im Winnietwo. Wir frühstücken gemütlich. Wer weiß, ob ich später noch richtig essen kann. Mein erster Zahnarzttermin ist um 15.30 Uhr und so haben wir noch Zeit und gehen beim Casa Rica einkaufen.

Fünf Wochen ist der letzte Zahnarzttermin her und ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, was Dr. Neufeld eigentlich zuerst machen wollte. Er auch nicht! Wie es mir gehen würde, fragt er. Alles in Ordnung? Äh ... ja, Sie haben ja noch nichts gemacht! Nach einem kurzen Moment der Verwirrung sind wir aber beide wieder im Bild. Heute kommt die Amalgam-Füllung unten rechts raus, morgen ist dann der Weisheitszahn dran.

Ich nehme auf dem Stuhl Platz und es geht gleich los mit zwei Spritzen, die ich aber fast gar nicht merke. Normalerweise habe ich davor am meisten Schiss! Helen holt die Kamera raus und fragt nach, ob es Dr. Neufeld was ausmachen würde, wenn sie Fotos und Videos macht. Er ist total cool und hat kein Problem damit, obwohl wir uns sicher sind, dass das noch nie jemand anderes hier gemacht hat. Wer kommt schon auf die Idee Fotos und Videos beim Zahnarzt zu machen? Ich habe damals allerdings in Mexiko auch beides gemacht, als bei Helen drei Wurzelbehandlungen mit jeweiliger Krone anstanden. Das Video hat sie bis heute nicht geguckt.

Meine Füllung ist gut 40 Jahre alt und recht groß. Dr. Neufeld muss viel bohren. Das Geräusch des Bohrers lässt mich zusammenzucken. Meine Hände verkrampfen sich im Wischtuch. Helen macht ein paar Witze und diverse Nahaufnahmen mit der Kamera. Englischer Humor! Sie freut sich, dass ICH ausnahmsweise mal auf dem heißen Stuhl sitze! Ich darf jetzt in keinem Falle schlucken, denn das Amalgam ist hochgiftig - eine Mischung aus Quecksilber, Silber, Kupfer und anderen Metallen. Gut betäubt, spüre ich gar nichts und ehe ich mich versehe, ist schon alles fertig. Die entsprechenden Abdrücke werden für das Inlay gemacht. Ich schmecke Vanille und Orange ... oder bilde ich mir das jetzt ein? Dann kommt noch die provisorische Füllung rein und FERTIG! Das ganze Prozedere war kurz und schmerzlos - hat keine 35 Minuten gedauert. Tschüß und bis morgen.

Wir entspannen uns wieder in Winnietwo. Meine Narkose hält noch bis fast 22 Uhr an und ich habe Probleme mit dem Sprechen. Helen lacht sich schief. Sie will ein Küsken, aber mein Mund sieht aus, wie der von einem Kamel. Auf der einen Seite ist die Unterlippe dick, auf der anderen geht wegen der Betäubung gar nichts. Immerhin kann ich aber die Pasta mit Tomatensoße ohne Probleme essen.

Wir liegen nur sehr leicht bekleidet im super heißen Wohnmobil, da klopft jemand kurz vor 22 Uhr an unsere Tür. Ob wir Deutsch sprechen? Helen schmeißt sich schnell in ein T-Shirt und Shorts und geht raus. Es ist der Besitzer vom Westfalenhaus Hotel, Bo Angersbach. Er selbst wohnt um die Ecke vom Zahnarzt und schenkt uns einen Reiseführer über Paraguay, der von seinem Vater geschrieben wurde. Wir können gerne die Nacht vor seinem Haus stehen und uns in den Strom einstöpseln. Super! Damit kann der Kühlschrank und die Ventilatoren auch über Nacht anbleiben. Wir parken um. Nach dem morgigen Termin können wir außerdem gerne beim Hotel kostenlos parken bis zum letzten Zahnarzttermin, der am 5. Februar ist. Toll! Wirklich nett! Danke!

Am nächsten Morgen wachen wir gegen 8.30 Uhr auf. Winnietwo steht voll in der Sonne. Der Sicherheitsmann oder Gärtner hat uns ausgestöpselt und es ist wahnsinnig heiß im Wohnmobil. Wir fahren ein paar Meter weiter, parken im Schatten, reißen alle Türen auf und kochen eine Tasse Tee. Kurz nach 10 Uhr hören wir Dr. Neufeld draußen vor der Tür. Mein Termin war eigentlich um 15 Uhr, aber seine Kanadische Partientin war früher fertig als erwartet. Er hatte den ganzen Vormittag für sie geblockt. Ob ich Lust hätte, jetzt schon zu kommen? Na klar! Je schneller, desto besser. Ich würge mir noch schnell eine Banane mit Joghurt rein und sitze kurz vor 11 Uhr wieder auf den Zahnarztstuhl.

Da gestern nichts weh getan hat, bin ich relativ entspannt heute. Die beiden Betäubungsspritzen sind schnell erledigt und los geht es. Mein Weisheitszahn liegt auf der Seite und das Zahnfleisch hat sich in den letzten beiden Jahren zurückgebildet. Ich dachte eigentlich immer, dass ich gar keine Weisheitszähne habe, aber die liegen alle versteckt unter dem Zahnfleisch. Bei dem linken, unten, guckt jetzt die Krone raus und Bakterien haben sich dort gebildet. Damit es in der Zukunft keine Kieferinfektion gibt, muss das Teil jetzt raus. Deutlich sieht man auf dem Röntgenbild den grauen Bereich mit den Bakterien.

Dr. Neufeld schneidet das Zahnfleisch auf und legt den Weisheitszahn frei. Dabei muss er einen Teil des Kieferknochens entfernen. Um den Zahn rauszubekommen, muss erst einmal die Krone von der Wurzel abgesägt werden. Dank der guten Betäubung merke ich nichts, aber die Geräusche lassen schon wieder die Haare zu Berge stehen. Helen ist hingegen total cool und schießt ein Video nach dem anderen. Dr. Neufeld spielt erneut mit und Helen darf sich bei den entscheidenden Szenen sogar direkt über mich beugen. Die Krone ist schnell draußen.

Probleme gibt es aber bei der Wurzel. Die will partout nicht raus. Ich merke nur, wie Dr. Neufeld kräftig zieht, dann sogar die Zange zur Hilfe holt, aber die Wurzel bleibt hartnäckig. Nun muss leider doch noch mehr vom Kieferknochen entfernt werden. Aber schlussendlich bewegt sich die Wurzel und Helen filmt mal wieder direkt in den Mund hinein, als Dr. Neufeld sie raus hebelt. Ein großes, blutiges Loch ist zu sehen. Ich merke immer noch nichts, nur das mein Mund nach Blut schmeckt. Das Ausspucken über dem Becken fällt mir wegen der Narkose schwer. Eigentlich hatte ich mir den Weisheitszahn größer vorgestellt. Am Ende der Wurzel war ein gebogener Haken, der im Kiefer verkantet war. Ich hatte Glück, dass es nur eine Wurzel gab und die beiden Nerven gut eingebettet waren. Viele andere Patienten haben eine Doppelwurzel. Dr. Neufeld erzählt uns, dass man eigentlich die Weisheitszähne viel früher entfernen sollte, da sich der Kiefer im Alter mit Kalzium verhärtet. Mit fast 52 Jahren bin ich ein bisschen spät dran. Zum Glück muss der andere aber noch nicht raus - er ist gut vom Zahnfleisch abgedeckt und kann drin bleiben.

Die Wunde wird anschließend mit drei Fäden genäht und fertig. Dabei hätte Dr. Neufeld fast noch meine Zunge mit angenäht. Quasselstrippe Kirsten hätte dann aber nicht mehr reden können. Und das hättet ihr doch bestimmt vermisst, oder? (Kommentar von Uwe: Und es wäre jammerschade, wenn die Zunge angenäht worden wäre. Aber wir kennen ja die taffe Kirsten, die hätte auch mit angenähter Zunge gesprochen, no question.) :-)

Zum Abschluss gibt mir die super nette und hübsche Assistentin ein großes Stück Eis in einem OP-Handschuh, Dr. Neufeld schreibt mir ein Rezept für Antibiotika und Schmerztabletten und ich zahle schon einmal alles mit der Kreditkarte (1.800.000 Guaranís ≈ 265 €). Das Ganze hat weniger als eine Stunde gedauert und war alles in allem nicht so schlimm, wie ich vorher gedacht habe. Wir haben sogar enorm viel gelacht. Trotzdem bin ich froh, dass ich das jetzt hinter mir habe.

Wir fahren anschließend zum Westfalenhaus Hotel. Der Besitzer sieht uns kommen und zeigt uns unseren Parkplatz. Ich kann wegen der Narkose und dem Wattebausch in der Wange noch nicht richtig sprechen und muss mich mehrfach wiederholen. Wir parken hinten beim Kinderspielplatz - der Stromanschluss ist direkt nebenan. Vorne beim Parkplatz wäre es unter den Bäumen schattiger gewesen, aber dann hätten sie eine lange Stromleitung extra für uns legen müssen. Wir wollten nicht viel Aufwand machen. Schließlich stehen wir hier ja kostenlos.

Aufgrund des vielen Regens in den letzten Wochen, ist der Rasen aber ziemlich aufgeweicht und wir bleiben mit den Rädern stecken. Helen versucht Winnietwo rückwärts da wieder rauszufahren, aber selbst mit Anschieben ging es nicht. Ich lege deswegen zwei Gummimatten in die gut 10cm tiefe Spur und damit kommen wir ohne Probleme vorwärts in die Parklücke. Dort ist der Boden zum Glück etwas fester. Mal sehen, ob wir hier in einer Woche wieder rauskommen. Direkt hinter uns ist der weiche Boden. Miguel, ein Mitarbeiter vom Hotel, ist ganz beeindruckt, wie zwei Frauen so ein großes Fahrzeug bewegen und gibt uns ein Thumbs-up. Na ja, wir sind nicht zum ersten Mal mit einem Womo im Sand stecken geblieben.

Es gibt einen Wachmann für den Parkplatz, wir können außerdem den Swimmingpool und die Toilette dort benutzen. Oben in der 2ten Etage ist eine Sauna (die brauchen wir im Moment wirklich nicht bei dieser Hitze hier!) und eine heiße Dusche. Das Restaurant ist auch offen, aber im Moment kann ich gerade nicht richtig essen. Das muss ein wenig warten. Trotzdem stehen wir hier gut. Nachmittags kommt die Sonne rum und es wird wieder wärmer im Fahrzeug. Dafür ist das Internet schnell - eigenartigerweise nicht das vom Westfalenhaus Hotel, sondern das vom Zahnarzt. Er muss hier ganz in der Nähe wohnen, denn wir benutzen den gleichen Zugang, wie zu seiner Zahnarztpraxis. Und das Signal ist hier um einiges besser!

Wir entspannen uns bei einem Cappuccino. Ich entferne den blutigen Wattebausch im Mund und nutze einen Strohhalm zum Trinken. Den Mund bekomme ich nicht sehr weit auf. Die Antibiotika-Tablette muss ich alle 12 Stunden einnehmen, die starken Schmerztabletten je nach Bedarf.

Am nächsten Morgen wache ich mit einer leicht geschwollenen Wange auf, aber ich habe keinerlei Schmerzen mehr und nehme jetzt nur noch die Antibiotika. Essen geht noch nicht ganz so gut, da ich wegen der Schwellung den Mund nicht weit aufbekomme. Trinken geht jetzt schon ohne Strohhalm. Helen freut sich, dass ich endlich mal lange die Klappe halte!!! :-)

Wir nehmen uns nichts großes für den Tag vor. Ich liege morgens noch im Bett, fühle mich nachmittags aber schon wieder ganz fit und setze mich an den Computer, um Helens Fotos und Videos anzuschauen. Nichts für schwache Nerven! Gut, dass ich das während der OP nicht sehen konnte. Mit schweißgebadeten Händen schneide ich das Video zusammen. Die eigentliche Heldin hier ist Helen, die während der Aufnahmen nicht in Ohnmacht gefallen ist. Ich glaube, mir wäre da ganz schwindlig geworden. Alleine die Geräusche sind schon fürchterlich.

Deshalb hier eine Warnung (vor allem an Sabine!!!!): NICHT gucken, wer kein Blut sehen kann.


Kirsten beim Zahnarzt in Asunción

Wir verschicken das Video an unsere Mitstreiter bei Hasta La Pasta, die ganz fleißig die Daumen für mich gedrückt haben, und an meine Familie, die in Deutschland gespannt auf meinen Bericht wartet. Die entsprechenden Kommentare lassen nicht lange auf sich warten.

Uwes Kommentar zum Video:
1. das Entfernen eines Weisheitszahns zu filmen...??? grandiose Idee . das hat der Doc Neufeld bestimmt noch nie erlebt!
2. ... du hast ihn dir größer vorgestellt??? DAS WAR GRIZZLY-Zahngröße!!!
3. Doc Neufeld ist ein super Zahnarzt. Ich freue mich schon auf den 7. Februar
4. great Job Helen
5. du bist sogar im Zahnarztstuhl absolut cool
6. ich glaube zu erkennen, Helen steckt dem Doc nen Geldschein in den Kittel, als er deine Zunge annähen will ... ich kann mich irren

schön, daß es dir gut geht und du alles gut überstanden hast. Wir haben dir ja auch die Daumen gedrückt, ne!?!

saludos den HalaPa
Claudi und Jack no middlename Reacher ... der das Video natürlich locker weggesteckt hat – no problem at all

Papa schreibt:
Danke für den anschaulichen und unterhaltsamen Film. Besonderes Lob gebührt der Kamerafrau für die ruhige Hand. Das hätte nicht jeder hinbekommen. Besonders positiv ist der "Kollateralschaden" - ich sage nur "Klappe halten".

Mein Bruder Göran schreibt:
Weltklasse! Allein die E-Mail macht ja schon weiche Knie. Dann das Video-Intro: Blut ... nicht für Kinder ... Ohnmacht ...

Herrlich, dass Ihr selbst in solchen Lebenslagen Euren Humor nicht verliert. Und was für ein cooler Zahnarzt, der das alles mitmacht.

Besonders aber freut mich, dass das Schlimmste (hoffe ich) jetzt überstanden ist.

Ja, Dr. Neufeld ist schon was besonderes. Wurde uns von jedem hier empfohlen, zumal er Deutsch spricht. Geboren in Paraguay, mit Kanadischer Staatsbürgerschaft, obwohl er kein Wort Englisch spricht. Der hat echt Humor und macht einen ganz ruhigen Eindruck. Einmal hat er allerdings mitten in der OP ein lautes "Ei, ei, ei" von sich gegeben und seine Assistentin ganz böse angeguckt. Ich habe nichts gespürt, vermute aber, sie ist mit dem Absaugegerät abgerutscht. Ich habe nämlich eine Schwellung in der Innenbacke, weit vom eigentlichen Weisheitszahn entfernt. Zwei Tage nach der OP ist die Wange immer noch dick, aber ich habe Null Schmerzen.

Im Moment ist es mehr oder weniger wolkig und so lässt es sich bei laufenden Ventilatoren im Womo ganz gut aushalten. Wir erkundigen die Gegend und gehen bei Burger King was essen. Helen lacht sich tot. Sie hat den großen Whopper bestellt, ich den kleinen Hamburger, dazu eine Pommes. Ist normalerweise anders rum bei uns! Die Pommes gingen gut in den Mund, die konnte ich so rein schieben, aber der Burger (obwohl ganz klein) ging gar nicht rein. Habe den Mund nicht weit genug aufbekommen. So musste ich den Burger auseinander nehmen. Wechselweise vom Brot und dann von der Bulette abbeißen. Hat ewig gedauert, während Madame sich mit weit aufgerissenem Mund ihren Burger reingezogen hat. Ein Genuss! Für Helen, nicht für mich! Das war in 20 Jahren das erste Mal, dass sie vor mir fertig war mit dem Essen!!!

Großmaul Kirsten also momentan mit ganz kleiner Klappe unterwegs. Auch mal eine neue Erfahrung!

Wir verbringen die restliche Woche im Wohnmobil. Ich arbeite an der Webseite und kühle mit Eis meine Schwellung. An einigen Tagen ist es zum Glück bewölkt und nicht ganz so heiß in Winnietwo. Kommt die Sonne raus, sind es drinne locker 37 bis 38°C. Die Ventilatoren laufen auf vollen Touren. Am Wochenende schauen wir die Bundesligaspiele live im Internet - HSV schafft wieder nur einen Punkt.

Am Montag bekomme ich die Klappe wieder weit genug auf und wir gehen abends im Hotel Westfalenhaus was essen. Die Speisekarte ist lang und sieht fantastisch aus. Bo, der Besitzer, hatte uns das 350 Gramm Steak empfohlen, aber Helen lacht das Lammkotelett an und ich versuche mich an einem der Russischen Gerichte - Teigtaschen mit einer Kartoffel-, Zwiebel-, Speck-Füllung in einer Vodka-Sahnesoße. Super, duper lecker!!! Neben uns sitzt ein Deutscher, der gerade heute erst angereist ist. Wir unterhalten uns während des Essens mit Guido und geben ihm noch ein paar gute Tipps mit auf den Weg.

Am nächsten Vormittag packen wir zusammen. Wir müssen ein paar Besorgungen in der Stadt machen. Wie befürchtet ist der Boden hinter Winnietwo sehr weich und Helen bleibt prompt stecken und buddelt W2 gut 10cm tief ein. Die Gummimatten reichen nicht und so opfer ich meine alte Yogamatte, die schon beim ersten drüberfahren total zerfetzt unten wieder raus kommt. Miguel wird auch noch zum Anschieben dazu geholt, er bringt gleich noch ein paar Holzstückchen mit. Nach 45 Minuten Schweißarbeit sind wir draußen. Puh!

Wir erledigen unsere Einkäufe und ich laufe noch schnell zum Frauenarzt und mache für den kommenden Freitag Termine für uns. Anschließend fahren wir überhitzt und erschöpft zum Hotel Westfalia, wo wir schon mit Janneke und Ralph gestanden haben. Dieses Mal treffen wir dort Andreas wieder, den wir schon von Hasta La Pasta her kennen. Er gibt uns ein paar sehr gute Tipps zu Werkstätten in Asunción. Sein Toyota Landcruiser wurde in 2,5 Tagen komplett vom Rost befreit und dank des neuen Unterbodenschutzes sieht das Fahrzeug wie neu aus. Er berichtet uns auch, dass für die Einreise nach Brasilien jetzt seit dem 1. Februar eine gültige Gelbfieberimpfung vorliegen muss, da in vier Bundesstaaten eine Gelbfieberepidemie mit vielen Toten ausgebrochen ist. Ich mache mich gleich im Internet schlau und suche mir ein Krankenhaus in Asunción raus, wo man diese Impfung machen kann. Meine letzte liegt nämlich 15 Jahre zurück, bei Helen sind es schon über 20.

Mittwoch ist erneut ein super heißer Tag. Reine Willensstärke bringt mich dazu um 13 Uhr zur Bushaltestelle zu gehen. Ich will zum Mercado 4, um ein paar Elektroniksachen zu kaufen. Wir brauchen ein Licht in der "Küche" und ich habe so meine Ideen. Der Bus mit der Nr. 50 kommt natürlich mal wieder nicht - ob der überhaupt existiert? Gesehen haben wir ihn jedenfalls noch nie. Also nehme ich den 23/24er und denke mir, ich steige einfach auf Höhe des Markts aus und laufe die 4-5 Straßenblöcke quer rüber. Tja, wie immer ein schwieriges Unterfangen in Asunción, denn erneut kann ich die Straßenschilder nicht lesen oder es gibt keine und ich habe weder Smartphone noch GPS dabei - eine fatale Entscheidung, die sich später noch rächen wird.

Irgendwann biegt der 23/24er links ab. Oooops, jetzt aber schnell raus! Wo bin ich denn jetzt? Ich habe die Papierkarte dabei und mache 5 Minuten später aus, wo ich bin. Okay, jetzt muss ich diagonal bis dahin, dann nach rechts und dann noch vier Blöcke. Aber irgendwie verliere ich auf der Diagonalen die Orientierung und drehe mich im Kreis. Ich frage mich nach dem Markt durch und finde ihn dann auch endlich - eine Stunde nachdem ich Helen Tschüß gesagt habe.

Dann klapper ich einen Laden nach dem anderen ab. In der Ferreteria bekomme ich, wie beim letzten Mal, mein Kabel, aber nichts anderes. Ich brauche 12V Stecker - sowohl den positiven, wie auch den negativen. Im vierten Geschäft werde ich fündig, die haben aber keine LED Leuchten, also ab zum nächsten. Mit 12V-Stecker finde ich da aber keine, dafür aber eine, die zwar normalerweise über 220V angeschlossen wird, im Paket aber einen kleinen Transformator enthält, bei dem 220V rein und 12V raus gehen - sollte eigentlich fürs Womo tauglich sein. Jetzt brauche ich aber noch wieder einen Zwischenstecker, also zurück zum anderen Laden. Dann wieder zurück zur Ferreteria, wo ich eigentlich die Kabelstecker besorgen wollte, aber die haben nichts. Am besten versuchen Sie es mal beim Laden, wo sie gerade die 12V Stecker her haben, Señora! Mein dritter Besuch im gleichen Laden ist mir schon fast peinlich, aber der Verkäufer kennt mich jetzt schon und bedient mich erneut sehr freundlich. Habe ich schon erwähnt, dass ich die einzige weibliche Kundin dort bin?

Eigentlich sollte ich noch eine neue Wäscheleine kaufen, jetzt habe ich aber keine Lust mehr. Ich muss noch zum Krankenhaus und gucken, ob wir da eine Gelbfieberimpfung machen lassen können. Das Krankenhaus liegt 15 Minuten zu Fuß vom Mercado entfernt, ich nehme absichtlich gar nicht erst einen Bus. Es ist bereits 16 Uhr und ich sehe die Impfstation hat bis 17 Uhr auf. In der Schlange stehen etwa 20 Leute, aber die Impfung scheint im Minutentakt durchgeführt zu werden und so beschließe ich spontan mich anzustellen. Helen kann die ja am Freitag noch machen. Leider tauchen drei Mütter mit ihren Kleinkindern auf und bei denen dauert die Impfung dann immer gut 15 Minuten, da die Ampullen erst angemischt werden müssen und so warten wir und warten wir. Ich befürchte schon, dass um 17 Uhr die Türen einfach geschlossen werden und ich umsonst gewartet habe, aber die beiden Ärzte sind total cool hier. Sie lassen zwar niemanden neuen mehr rein, aber der Rest wird noch durchgeimpft. Um 17.15 Uhr bin ich dann drin und es geht alles ratzfatz. Während ich mich ins Buch eintrage, bekomme ich schon den Piekser in den Arm und dann meinen neuen Impfschein - alles kostenlos! Super!

Den Bus und die richtige Haltestelle nach Hause hatte ich mir vorher schon rausgesucht, aber dann kommt mal wieder keiner und ich will eine Abkürzung zur großen Hauptstraße nehmen, auf der ich dann aber prompt wieder verloren gehe. Denn plötzlich stehe ich wieder beim Mercado 4 ... häh???? Hungrig und durstig lege ich erst einmal bei einer Tanke einen Stopp ein. Per Zufall sehe ich beim Verlassen der Tankstelle den 23/24er Bus aus einer Seitenstraße kommen. Oh, super! Ich springe schnell rein und freue mich schon auf den flotten Weg zurück zum Hotel Westfalia.

Nach gut 3 Minuten denke ich aber "Komisch, diese Straßen kenne ich gar nicht. Wo sind wir denn?" Nach weitere 3 Minuten finde ich die gerade überfahrene Querstraße auf meiner Papierkarte. Oh, Scheiße, wir sind auf einer ganz anderen Strecke unterwegs. Na ja, irgendwie wird die schon wieder bei unserem Hotel vorbeiführen, oder? Ich bleibe sitzen und hoffe, dass ich irgendwann eine mir bekannte Straßenecke entdecke, aber dem ist leider nicht so. 20 Minuten später scheinen wir immer weiter in den Süden der Stadt abzudriften, meine Papierkarte hat diesen Bereich auch nicht mehr.

Eine junge Frau steigt ein und setzt sich neben mich. Ich frage sie, wo wir denn gerade sind und zeige auf der Karte, wo ich eigentlich hin will. Sie guckt mich etwas erstaunt an und sagt, ich soll sofort aussteigen, auf die gegenüberliegende Straßenseite laufen und dort auf den nächsten Bus in die andere Richtung steigen. Mit diesem komme ich dort nie an. Shit, shit, shit!

Am Straßenrand treffe ich eine Mutter mit Tochter und ich frage auch bei ihr noch einmal nach, welchen Bus ich denn nun nehmen soll. Sie hält darauf hin jeden Bus an und fragt, wo er hinfährt. Ich denke mir nur, hoffentlich kommt jetzt nicht der richtige Bus für Mutti und Tochter und ich stehe immer noch da. Es ist fast 19 Uhr und die Sonne geht gleich unter. Helen wird sich schon Sorgen machen. Nach 45 Minuten warten, kommt endlich mein Bus. Ich bedanke und verabschiede mich bei Mutti und Tochter und steige erleichtert in den Bus. Keine 100m weiter fährt der von der Hauptstraße ab und in eine enge Wohngegend. Scheiße, denke ich, jetzt bin ich schon wieder falsch. Mir ist schon fast zum Heulen zumute. Ich hätte ein Taxi nehmen sollen. Aber Wunder, oh Wunder, irgendwann biegt der Bus auf die Avenida Perón ab und ich sehe in der Ferne das Hotel. Direkt vor der Tür steige ich aus.

Helen guckt Fußball und ihre ersten Worte sind "Wo warst du? Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben!" "Keine Ahnung, wo ich war", antworte ich, "aber die Rückfahrt hat über 2 Stunden gedauert. Ich bin total verloren gegangen!" Helen rollt mit den Augen und schüttelt den Kopf. Ich konnte gestern schon den Frauenarzt erst im dritten Anlauf finden. Asunción ist einfach nicht meine Stadt! Nächstes Mal nehme ich das GPS mit! Nie wieder ohne!

Am Freitagmorgen fahren wir mit dem Womo erst zum Krankenhaus. Ich bleibe im Auto - die Sonne knallt vom Himmel, aber Helen ist zum Glück in einer halben Stunde mit ihrer Gelbfieberimpfung durch. Wir fahren weiter zum Frauenarzt, waschen uns noch schnell den Schweiß vom Körper und sind pünktlich beim Termin.

Die Praxis von Dr. Sandro Strübing sieht edel aus und wir kommen gleich dran. Dr. Strübing spricht sehr gut Deutsch - er hat seine Ausbildung in Mainz gemacht. Er korrigiert am Computer erst einmal unsere Daten, denn Helen steht mit dem Nachnamen British drin. Uns beiden gefällt der Doc auf Anhieb. Er hat Humor und macht einen ruhigen Eindruck. Helen muss als erste auf den Stuhl - Madame sieht sehr sexy im rosaroten Tuch aus!

Der Abstrich wird gemacht und dann werden sowohl Uterus als auch die Brüste per Ultraschall kontrolliert. Bei Helen sieht alles super aus! Dann bin ich dran und bei mir wird ein Myom im Uterus und eine Wasserzyste in der rechten Brust festgestellt. Nichts lebensbedrohliches, aber ich muss im Oktober noch einmal zu einem weiteren Check hierher. Wir sind froh, die Untersuchung gemacht zu haben, denn sowohl in Deutschland als auch in Kanada bekommen wir einfach keine Termine. Zum Mittagessen und Einkaufen fahren wir noch einmal zum Casa Rica, anschließend geht es zurück zu Hasta La Pasta. Wir sind so froh, die Hitze in Asunción hinter uns zu lassen. Das waren anstrengende 10 Tage mit vielen Arztbesuchen.