10. - 14.04.2018: Pomerode - Blumenau - Gaspar - Brusque - Itajaí

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Es ist der 10. April und wie immer Helens Geburtstag. Normalerweise koche ich dann was super schönes für sie, aber es ist heute einfach viel zu heiß dafür in Winnietwo. Helen hat den Wunsch in Pomerode zu einem All-You-Can-Eat Restaurant zu gehen. Da die in der Regel von 11 bis 16 Uhr geöffnet sind, frühstücken wir nur eine Kleinigkeit und gehen dann gegen 13.45 Uhr ins Dorf.

Zwei Restaurants stehen zur Auswahl, aber das erste (es war am letzten Wochenende noch proppenvoll) bietet heute keine Buffet an - es ist Dienstag und in der Woche gibt es nur die normale Speisekarte. Also gehen wir zum zweiten, das Restaurant Pomerode. Die Salatbar ist sehr gut bestückt, als Hauptgericht wird neben Reis und Nudeln ein sehr leckerer Kartoffelbrei mit Speckwürfeln angeboten, dazu kann man wahlweise Rind, Schwein, Huhn oder Ente wählen. Die Entenkeulen sind die besten, sehr saftig und gut im Geschmack. Fleisch ist uns hier in Südamerika häufig zu trocken, vielleicht liegt es aber auch daran, dass es sich schon eine Weile in den Wärmebehältern befindet. Der Nachtisch ist auch im Preis mit inbegriffen, was nicht immer der Fall bei diesen Restaurants ist. Hmmm ... was ist denn das Rote da? Gehört die weiße Creme daneben dazu oder die Milch? Was solls ... wir probieren einfach mal alles aus. Wenn es nicht schmeckt, dann kann man es ja stehen lassen.

Das "Rote" hat kleine weiße Bällchen drin und wir können uns weder den Geschmack noch die Zutaten erklären. Der Kellner sieht unsere Ratlosigkeit und erklärt und mit Hilfe seines Smartphones diesen Nachtisch. Er heißt Suja und wird aus Maniokkugeln gemacht, die dann anschließend in einer reduzierten Rotweinsoße gekocht werden. Maniok ist eine Süßkartoffel und gehört zu fast jeder Mahlzeit hier.

Viel besser gefällt uns aber die hausgemachte Maracuja-Creme mit dem heißen Apfelmus. LECKER! Der angebotene Streuselkuchen - ganz Deutsch - ist uns allerdings viel zu trocken. Für umgerechnet 10€ pro Person stopfen wir uns dennoch voll. Eigentlich isst man immer viel zu viel beim All-You-Can-Eat. Schließlich will man ja auch so viel wie möglich für sein Geld bekommen! Mit total dicker Wampe verlassen wir gegen 15.30 Uhr das Restaurant und machen erst einmal einen Verdauungsspaziergang durch Pomerode. Es ist ja leider unser letzter Tag hier.


Helens Geburtstagsbuffet

Pünktlich zur Champions League sind wir wieder zuhause. Heute ist das Rückspiel Liverpool gegen Manchester City, das zu unserer Freude Jürgen Klopps Mannschaft gewinnt und sich damit den Einzug ins Halbfinale sichert. Da das Abendessen heute wegen Überfüllung der Mägen ausfällt, machen wir anschließend unseren Sport. Helen geht wieder auf den Fußballplatz und macht ihre Runden. Ich habe heute keinen Bock auf Joggen und gehe in die Sporthalle, um dort die Tribünenstufen rauf und runter zu laufen. Zwischendrin kommt das Stretchband und die Yoga-Matte zum Einsatz ... Arme, Bauch, Beine, Po! Schließlich sind wir ja in Brasilien und Körperbewusstsein ist hier groß angesagt!

Wir schlafen am nächsten Morgen genüsslich aus, frühstücken gemütlich und ich schaffe anschließend sogar noch ein Webupdate und bin damit aktuell! Wahnsinn - normalerweise sind wir ja immer Wochen oder Monate hinterher! Gegen 15.15 Uhr verabschieden wir uns bei strahlendem Sonnenschein von Livio, dem super netten Wachmann, und verlassen Pomerode. Es war super hier und wir kommen bestimmt irgendwann mal wieder.

Unser Tagesziel ist ganze 26km entfernt - Blumenau. DIE Deutsche Stadt in Brasilien. Von Deutschen Einwanderern gegründet findet hier jährlich das Oktoberfest statt. Es ist neben dem Karneval in Rio die zweitgrößte Veranstaltung des Landes. Im Gegensatz zum Münchner Oktoberfest findet es aber nicht nur im Oktober statt, sondern nochmals im Februar zur Hauptferienzeit der Brasilianer.

Dafür wurde extra ein Messe- und Veranstaltungsgelände gebaut - der Parque Vila Germânica. Da ich in iOverlander nur einen Campingplatz um die Ecke, aber keinen freien Stellplatz finden konnte, versuchen wir es mal auf eigene Faust. Irgendwo wird man dort doch in der Nähe stehen können. Unser GPS sucht uns mal wieder die kürzeste Route zum Veranstaltungsgelände und die Shortcuts haben es in sich, denn Blumenau liegt in den Bergen und zum Teil sind die Straßen sehr eng und steil. Erster Gang rein, Augen zu und durch - heißt die Devise.

Direkt am Messegelände finden wir nichts, aber gleich um die Ecke gibt es Parkplätze an der Straße neben einer großen Sport- und Freizeitanlage. Super! Helen hat keine Lust sich Pomerode anzugucken, sie hat den Parque Vila Germânica ja schon beim Vorbeifahren gesehen und hat lieber Lust auf einen Cappuccino.

Ich schnappe mir die Kamera und laufe in meinen Hauslatschen los, da ich ja nur "kurz" ein paar Bilder machen will. Der Parque Vila Germânica ist fast Menschenleer, es findet gerade nichts statt hier. In einem Restaurant läuft das andere Champions League Spiel Real gegen Juventus Turin. Da das Hinspiel schon 3 zu Null für Real in Turin ausgegangen ist, rechnen wir nicht mit großer Spannung und müssen es nicht gucken. Das sollte eine klare Sache für Real Madrid werden.

Ich mache ein paar Bilder von den "auf-Alt-und-Deutsch-getrimmten" Häusern im Park und entdecke anschließend auf dem Gelände eine geöffnete Touristeninformation. Die Dame gibt mir einen Stadtplan von Blumenau und da alles nicht so weit vom Messegelände entfernt aussieht, gehe ich los, um mir das Stadtzentrum anzugucken. Was auf der Karte so dicht dran aus sah, entpuppt sich als eine ganz schöne Distanz.

Die berühmte Einkaufsstraße Rua XV de Novembro ist alleine schon über 1,5km lang. Sie hieß in der Vergangenheit mal Wurststraße, weil sie so eng und leicht gebogen ist. Hier findet man noch das ein oder andere schöne Kolonialgebäude, aber so richtig sehenswert ist Blumenau eigentlich nicht.

Ich bin seit fast zwei Stunden unterwegs und mir tun die Füße in den Latschen weh - ich hätte mir meine Turnschuhe anziehen sollen! Die Sonne geht langsam unter und Helen denkt bestimmt schon, ich bin verloren gegangen. In mehreren Geschäften läuft auf großen Bildschirmen das Champions League Spiel. Ich gucke auf das Ergebnis und traue meinen Augen nicht. Juve führt 3 zu Null und es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Wahnsinn! Natürlich muss ich mir jetzt das Ende angucken, auch wenn es zu einer Verlängerung kommt.

Aber in der 90. Minute hat der Fußballgott Mitleid mit Real und es gibt einen Elfmeter - eine sehr zweifelhafte Entscheidung, aber den Videobeweis gibt es in der Champions League leider noch nicht. Während Gianluca Buffon ausrastet und den Schiedsrichter beschimpft (der keine Sekunde zögert, und ihm die Rote Karte zeigt!), legt sich Ronaldo den Ball in aller Ruhe auf den Elfmeterpunkt und hämmert ihn anschließend rein. Real ist im Halbfinale!

Nun muss ich die Hacken in die Hand nehmen und mich sputen. Was essen wir eigentlich heute Abend? Scheiße, wir haben ja gar nichts im Kühlschrank! Ich renne also noch schnell zu einem Supermarkt und kaufe Brot, Kuchen und Joghurt ... das muss für heute Abend reichen.

Kurz nach 18.30 Uhr bin ich endlich wieder bei Winnietwo. Helen hat sich echt schon Sorgen gemacht - meine Abwesenheit war ja gar nicht für so lange geplant. Ich bin total am Verhungern und Verdursten und mache mir schnell ein Abendbrot. Helen nutzt noch schnell die Sportanlage nebenan. Sie ist hell beleuchtet und nach Sonnenuntergang gut bevölkert. Es gibt Jogging- und Fahrradwege, einen Fußballplatz, Basketball-Ringe, einen Spielplatz für die Kiddies und vieles mehr ... super gemacht. Mir tun nach gut 12,5km in Latschen die Füße so weh, dass mein Sport heute ausfällt. Ich kann nicht mehr!

Die Nacht auf der Straße ist erstaunlich ruhig, aber eine Nacht in Blumenau reicht auch und wir fahren weiter. Damit Helen das Stadtzentrum mal kurz sehen kann, fahren wir noch einmal die Einbahnstraßen rauf und runter und überqueren dann auf einer sehr engen Brücke (Einbahnstraße) den Fluss. Direkt hinter der Brücke müssen wir rechts abbiegen. Die Straße hat zwei Spuren und da es keine Straßenschilder gibt, denken wir es ist ebenfalls eine Einbahnstraße. Ich weise Helen auf die linke Spur ein, damit wir 200m weiter links abbiegen können. Auf der rechten Spur stehen vier Autos, denn es gibt noch eine kleine Querstraße von rechts und sie müssen warten. Wir fahren an allen vorbei und auf der Höhe der Querstraße schießt auf einmal ein Auto von rechts um die Ecke und fährt fast in unsere Motorhaube. Der Fahrer hupt ärgerlich, reißt dann das Steuer herum und fährt auf dem Fußweg an uns vorbei. Häh? Wo kommt der denn jetzt her? Direkt hinter der Querstraße sind beide Fahrspuren wieder in unsere Richtung. Wir sind total verwirrt! Da haben die hier zwischen zwei Einbahnstraßen ein etwa 100m langes Stück in beide Richtungen eingebaut und nicht EIN Straßenschild weist darauf hin! Super gefährlich! Unser GPS kennt das auch nicht! Die Einheimischen kennen das offensichtlich hier - kein Wunder, dass wir die linke Spur für uns alleine hatten!

Unser Tagesziel für heute ist Brusque. Auf dem Weg dahin fahren wir an einer großen Kirche in Gaspar vorbei und machen spontan einen Fotostopp. Die Igreja São Pedro Apóstolo thront oben auf einem Hügel und ist von weitem schon zu sehen. Oben gibt es einen Parkplatz, aber wir trauen uns mit Winnietwo nicht auf die super steile und enge Zufahrtsstraße. Während Helen unten vor einem Restaurant wartet, stapfe ich die 124 Stufen zur Kirche hoch. Im Inneren bin ich die einzige und so kann ich in aller Ruhe meine Fotos von den schönen Glasfenstern machen.

Brusque steht nicht unbedingt in den Reiseführern drin. Warum machen wir dort also einen Stopp? Ich hatte auf iOverlander gelesen, dass hier die Familia Pelo Mundo lebt. Weltreisende sind herzlich willkommen auf ihrem Grundstück. Es soll Strom, Wasser, Dusche und gutes WiFi geben und das alles kostenlos. Hörte sich gut an und wir sind neugierig, wen wir dort antreffen.

Die Einfahrt liegt an einer Steigung, das Tor ist auf, aber ich gehe erst einmal zu Fuß rein. Vielleicht ist ja niemand zuhause. Im Swimmingpool spielen ein Mann und zwei Kinder und ich frage vorsichtig nach, ob er der Besitzer des Hauses ist. Ja! Jocemar lädt uns sofort ein. Er und seine Frau Adriana waren zwischen 2008 und 2010 zwei Jahre lang mit einem Peugeot Boxer um die ganze Welt gereist. Damals waren ihre Kinder Miguel und Julia nur 1 und 3 Jahre alt. Sie haben ein sehr schönes Buch mit vielen Fotos dazu geschrieben. Es ist auf Portugiesisch, aber wir haben es trotzdem gekauft. Die Englische eBook-Version soll in ein paar Wochen fertig sein. Auf ihrer Webseite www.familiapelomundo.com findet man Details zu ihrer Reise.

Wir verstehen uns auf Anhieb mit ihnen. Adriana spricht gut Spanisch und beide können ein wenig Englisch - wir haben also keine Probleme uns gegenseitig zu verständigen. Wir stehen direkt neben dem Pool auf dem Rasen und wollten ursprünglich ja nur eine Nacht bleiben, aber es werden drei draus.

Adriana bietet uns an ihre Waschmaschine zu benutzen, was wir natürlich auch gleich am nächsten Vormittag machen - dreckige Bettwäsche und Handtücher haben wir reichhaltig. Die Sonne scheint und so können wir draußen alles auf die Leine zum Trocknen hängen. Jocemar lädt uns zum Grillen ein. Super nett! Ich mache schnell einen typisch Deutschen Kartoffelsalat dazu und wir vier verbringen eine lustige Zeit im Schatten am Pool.

Auf dem Grundstück gibt es eine der vielen Stoffschneidereien in dieser Gegend. Brusque ist eines der Modezentren im Staat Santa Catarina. Wir schauen uns den Kleinbetrieb an. Etwa 50 bis 60 Stoffbahnen liegen auf einem großen Schneidetisch übereinander. Mit einer Schneidemaschine werden die vielen Einzelteile gemäß einer vorgefertigten oder handgemachten Schablone ausgeschnitten. Anschließend gehen diese Teile verpackt zu einer Schneiderei, in der die Teile dann zu Hosen, Blusen usw. zusammengenäht werden. Die beiden Mitarbeiter schneiden gerade die Teile für 700 Jacken!


Camping bei der Familia Pelo Mundo in Brusque

Wir nutzen die gute Internetverbindung hier, um endlich unsere Flüge nach Deutschland, Kanada und England zu buchen. Per WhatsApp erhalten wir heute auch die Bestätigung von Hotel in Ciudad Del Este, dass wir dort kostenlos unser Auto für 3 Monate unterstellen können. Super, denn die Flüge vom Flughafen in Iguaçu nach Europa sind sehr günstig.

Wir brauchen wie immer für das Suchen und Buchen einige Stunden. Dieses Mal ist es etwas kompliziert für uns, denn Helen kommt nicht mit nach Kanada (sie geht für die Zeit nach England zum Wandern und Besuch ihrer Familie). Da wir Winnietwo nur 3 Monate in Paraguay lassen können, muss sie schon Anfang September wieder zurück sein, während ich erst im Oktober komme. Wir müssen genau gucken, ob Einzelflüge oder Hin-und Rückflug jeweils günstiger sind und von der Zeit gut hinhauen. Natürlich wollen wir von Iguaçu nach Hamburg im gleichen Flieger sitzen. Helen will ein Return-Ticket von Iguaçu nach London, der Weiterflug nach Hamburg wird extra gebucht, ich brauche einen Returnflug von Iguaçu nach Hamburg und einen Returnflug von Hamburg nach Vancouver usw. Bis wir alles ausklabüstert haben, ist es draußen schon dunkel.

Und dann gibt es auch noch Probleme mit meiner Kreditkarte. Unsere Flüge über www.orbitz.com gehen problemlos durch. Über SkyScanner lande ich auf der Webseite von Travelgenio. Die bieten meinen Hin- und Rückflug von Hamburg nach Vancouver für einen sehr guten Preis an. AirCanada ist noch günstiger, aber die wollen zum Abschluss der Buchung für meine Kreditkarte einen Internet-Identifikationscode haben. Habe ich nicht! Was ist das denn?

Anyway, meine Buchung bei Travelgenio geht durch und ich freue mich schon, dass alles geschafft ist. Einen Tag später erhalte ich folgende Email:

Wir setzen uns mit Ihnen in Verbindung, um Sie darüber zu informieren, dass die Fluglinie Ihre Buchung mit dem Buchungscode xxx storniert hat, da die Zahlung außerhalb der Garantiezeit des Tarifs vorgenommen wurde. Allerdings konnten wir Ihre Buchung auf die gleichen Flüge wieder abrufen, wenn auch eine Erhöhung im Tarif von 95.00 EUR besteht. Sie erhalten eine zweite E-Mail mit den Zahlungsanweisungen dieser Differenz, die Sie bitte schnellstmöglich ausführen.

Bei mir gehen alle Alarmglocken an! Das ist doch eine Abzocke, oder? Ich recherchiere im Internet und entdecke auf Google diverse Warnungen zu dieser Firma. Das ist mir nicht geheuer, denn wer weiß, ob ich am Ende überhaupt ein gültiges Flugticket habe. Ich fordere per Email eine Stornierung des Flugs an und buche anschließend den gleichen Flug bei Lufthansa direkt. Das kostet mich zwar 50 EURO mehr, aber ich kann den Betrag per Lastschrift überweisen, was mir die Kreditkartengebühren spart.

Travelgenio storniert meinen Flug und bestätigt die Rückzahlung. Diese sehe ich ein paar Tage später auch auf meinem Konto. Abgezogen hatten sie den ursprünglichen Flugpreis und die Zahlung erfolgte von meiner Bank keine 24 Stunden nach der Buchung. Was soll also der Scheiß mit "Zahlung außerhalb der Garantiezeit des Tarifs"? Schneller geht das doch gar nicht! Von wegen noch mal 95€ Differenz zahlen. Die spinnen doch! Abzocke!

Wir gucken live den HSV gegen Hoffenheim. Ein gutes Spiel, aber Hamburg verliert auswärts 2 zu Null. Schade! Es wird immer enger mit dem erstmaligen Abstieg aus der Bundesliga.

Adriana kommt mittags rüber und lädt uns zu einem Snack in ihrer Küche ein. Sie hat frittierte Bananen gemacht und dazu gibt es heiße Früchte vom Araukarienbaum. Es ist eine Art Nuss in einer dicken Schale. Sie nutzt den Schnellkochtopf, um die Dinger weich zu kriegen. Man beißt mit den Zähnen aufs Ende der Nuss und damit öffnet sie sich vorne, jetzt muss man nur noch mit den Fingern den Inhalt raus drücken. Interessant! Wir haben uns schon immer gewundert, was die Leute da am Straßenrand in den Netzen verkaufen. Man bekommt sie aber auch lose im Supermarkt.

Eigentlich wollten wir heute los, aber wir schnacken mit den beiden stundenlang. Um 15.30 Uhr fragt uns Jocemar, ob wir mit nach Itajaí kommen wollen, da findet eine Segelbootregatta statt. Normalerweise nicht unbedingt unser Ding, aber wenn wir schon mal bei jemand anderes mitfahren können ... warum nicht? Heute ist es eh schon zu spät zum Weiterfahren.

Jocemars Schwester Luciana und ihr Mann Francisco kommen auch mit, fahren aber mit ihrem Motorrad dort hin. Itajaí liegt etwas über eine halbe Stunde von Brusque entfernt. Wir kommen kurz vor 17 Uhr dort an und am Hafen ist der Teufel los. Wir finden nur mit Mühe einen Parkplatz in der Nähe. Adriana hatte sich im Januar den Mittelfuß am Pool gebrochen und läuft immer noch mit einem Spezialschuh rum, insofern kann sie nicht so weit laufen.

Massenhaft Besucher sind unterwegs. Wir sehen überall große Werbeschilder zum Volvo Ocean Race. Was ist das denn? Nie gehört! Tja, da kann man mal wieder sehen, das Reisen bildet, denn das Volvo Ocean Race wird auch das Formel 1 Rennen unter den Seglern genannt. Vormals unter dem Namen The Whitbread Round the World Race ist es eine seit 1973 durchgeführte Segelregatta, die einmal um die ganze Welt verläuft. Aufgrund der Wind- und Wetterverhältnisse, vor allem im Südpazifik (Wellenhöhen von 30m und Windgeschwindigkeiten von 110km/h), gilt die Regatta als eine der härtesten Herausforderungen im Segelsport.

Wir sind also per Zufall mal wieder bei einem sportlichen Weltereignis dabei. Itajaí ist der einzige Hafen in ganz Südamerika, bei dem die Volvo Boote einen Zwischenstopp einlegen. Was für ein Zufall, dass wir ausgerechnet zu dieser Zeit hier sind, denn das Rennen findet nur alle drei Jahre statt. Ohne Jocemar und Adriana hätten wir davon auch gar nichts gewusst! Lustigerweise hatten die beiden vorab auch gar keine Ahnung, welche Bedeutung diese Regatta eigentlich hat. Insofern laufen wir vier mit großen, staunenden Augen über die Anlage.

Heute ist aber erst der 14. April und wir erfahren, dass die nächste Etappe nach Newport, USA erst in einer Woche am 22. April startet. Zur Zeit sind 5 der 7 Boote im Hafen und werden überholt. Den Seglern gibt das Zeit zu einer Ruhepause. Die letzte Etappe von Auckland nach Itajaí durch den eiskalten Südpazifik war enorm anstrengend und hat leider auch erneut ein Todesopfer gekostet, was wir aber bei unserem jetzigen Besuch noch gar nicht wissen. Ich schreibe dazu mehr in unserem übernächsten Bericht.

Im Hafengelände ist eine große Eingangs/Messehalle, die wir aber nur schnell durchlaufen, denn wir wollen uns die Boote im Außengelände anschauen. Die Sonne ist schon untergegangen und mir geht langsam das Licht zum Fotografieren weg. Der Eintritt ist hier übrigens kostenlos und auf einem Samstagabend tobt natürlich heute der Bär. Jedes der teilnehmenden Seglerteams hat seinen eigenen Präsentationsstand, hinzu kommen Pavillons, die sich dem Motto des Rennens (Rettet die Weltmeere vor dem vielen Müll), widmen. Es gibt außerdem einen großen Volvo Pavillon, eine große Halle mit Live-Musik, Restaurants und Esstischen, ein Rundkino und eine Halle, in der sich ein halb aufgeschnittenes Volvo Boot befindet, damit wir alle mal sehen können, wie wenig Platz die 8-10 Segler an Bord eigentlich haben.

Das Veranstaltungsgelände ist bereits seit dem 5. April geöffnet und es sollen bis zum Ende am 22. April fast eine halbe Million Besucher kommen. Die ersten fünf Boote sind aber erst seit ein paar Tagen hier. Die beiden anderen werden für morgen oder übermorgen erwartet. Helen sammelt fleißig Informationsbroschüren zu der Veranstaltung und liest diese, während ich Fotos und Videos mache. Uns wird schnell bewusst, dass es sich hier im ein großes Ereignis handelt. Natürlich würden wir diese Boote gerne auch im Wasser unter Segel mal sehen wollen, und so beschließen wir schon heute, dass wir am 22. April noch einmal zum Start der nächsten Etappe hierher kommen.

Es wird dunkel und fängt leicht an zu nieseln. Wir gucken uns das große Essenszelt an und hören eine Weile der Live-Band zu. Helen muss mal zum Klo. Das befindet sich hinter ihr. Sie dreht sich um und fliegt voll auf die Nase! Whoa! Unbemerkt hatte sie direkt vor einer Stufe gestanden und ist an dieser mit dem ersten Schritt hängen geblieben. Die Stufe war einfach zu dicht dran und Null in Helens Blickfeld. Sie knallt erst mit voller Wucht auf die Knie und rutscht dann mit den Händen über den künstlichen Rasen, der hier ausgelegt ist, um den Aufprall zu mildern. Erschrocken bücke ich mich runter, um ihr hoch zu helfen. Helen liegt flach auf dem Bauch und ich denke schon, ihre Bandscheibe ist wieder draußen und sie kann nicht aufstehen. Aber zum Glück ist das dann nicht der Fall. Hände und Knie haben brennende Schürfwunden, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Puh!


Volvo Ocean Race in Itajaí

Wir haben alle Hunger, aber die Fressstände auf dem Gelände sagen uns allen nicht zu. Stattdessen versuchen wir es draußen auf der Straße. Nicht weit entfernt gibt es eine Pizzeria. Für umgerechnet 10€ pro Person gibt es All-You-Can-Eat-Pizza bis sie einem aus den Ohren wieder raus kommt. Das Ganze nennt sich hier in Brasilien Pizza Rodizio und ist eine geniale Sache, finden wir.

Man sucht sich einfach einen freien Tisch. Auf diesem gibt es einen Ständer mit der Tischnummer und einem Drehrad. Drauf steht 'Herzhaft', 'Herzhaft/Süß', 'Süß' und 'Fertig! Danke!'. Francisco stellt sie auf 'Herzhaft' (Salgado) und ehe wir richtig Platz genommen haben, kommt schon der erste Kellner mit einer Pizzaplatte angerast. Er sagt kurz, mit was die Pizza belegt ist und man sagt entweder 'Ja' oder 'Nein'. Ehe wir das Ganze Prinzip verstanden haben, liegen schon zwei Stücke auf unserem Teller und wir haben noch nicht einmal das Besteck ausgepackt. Die Getränke (Cola, Sprite, Wasser) sind ebenfalls im Preis mit drin und kommen in Glaskrügen.

Alle 2 Minuten kommt einer der vielen Kellner mit einer anderen Pizza an den Tisch. So schnell können wir gar nicht essen! Wir probieren bestimmt 10 verschiedene Varianten, wenn nicht mehr. Der Teig ist super dünn und der Belag ist immer anders. Francisco kann ganz gut Englisch und übersetzt für uns die Zutaten. Wir fressen und fressen.

Ich muss irgendwann eine Pause machen und schnappe mir die Kamera, um mal in den offenen Küchenbereich zu gehen. Wow! Ein einziger Mann bereitet all diese Pizzen zu. Es sind mindestens 80 bis 100 Gäste in der Pizzeria und er ist dauerbeschäftigt. Man merkt, dass er das schon eine Weile macht - das Belegen geht wie am Schnürchen und die Kellner sagen ihm Bescheid, welche Art von Pizza in den Ofen soll. Dieser ist doppelstöckig und so geht das Pizzabacken sehr zackig vonstatten. Eine tolle Idee! Keine Ahnung, ob es so etwas inzwischen auch in Deutschland gibt, wenn nicht ... das wäre eine prima Geschäftsidee!


Pizza Rodizio in Itajaí

Pappsatt fahren wir gegen 21 Uhr zurück nach Brusque. Wie haben uns überfressen und können nicht schlafen. Entsprechend spät liegen wir morgens noch im Tiefschlaf, als Adriana vorsichtig um 10 Uhr an unsere Tür klopft. Die beiden haben ein Frühstück mit typisch Brasilianischen Spezialitäten vorbereitet. Völlig verschlafen kommen wir 15 Minuten später dazu. Hunger haben wir noch überhaupt keinen, aber die Geste der beiden ist wieder einmal super nett.

Gegen 14 Uhr packen wir alles zusammen - Zeit weiter zu fahren. Spontan haben wir beschlossen die nächste Woche auf der Santa Catarina Insel zu verbringen, um dann anschließend wieder gen Norden nach Itajaí für das Volvo Ocean Race zu fahren. Auf der Insel gibt es viel zu sehen. Aber dazu alles mehr im nächsten Bericht.