22. - 24.04.2018: Volvo Ocean Race in Itajaí - Balneário Camboriú - Beto Carrero World in Penha

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Wir stehen bereits um 7.30 Uhr auf und trinken nur schnell eine Tasse Tee, denn wir wollen rechtzeitig in Itajaí zur Volvo Ocean Race Seglerparade sein und müssen vorher noch einen sicheren Parkplatz für Winnietwo finden.

Die Autobahn ist heute morgen frei und wir kommen ohne Probleme voran. Auf der Strecke sehen wir die beiden Unfallstellen von gestern. Bei der ersten sind nur noch die Bremsspuren und Glas am Straßenrand zu sehen, bei der zweiten ist der Seitenstreifen abgebrannt und kurz dahinter steht ein völlig ausgebrannter Laster. Mannomann, hoffentlich hat es hier keine Toten gegeben!

Itajaí ist eine große Hafenstadt und Jocemar hatte uns letzte Woche schon gesagt, dass es hier nicht immer sicher ist, obwohl wir eigentlich gar nicht diesen Eindruck hatten. Im Internet hatte ich einen gesicherten Parkplatz in der Nähe des Yachthafens gefunden, aber dort steht heute weder ein Auto drauf, noch gibt es Sicherheitsleute in den beiden Einfahrtsbuden. Hmmm ... wir versuchen es lieber mal woanders und fahren bis zum Ende der Hafenmole raus, da es hier noch einen weiteren sehr großen Parkplatz gibt.

Inzwischen ist es 10 Uhr morgens und der Parkplatz ist bereits gut gefüllt. Die Einwohner von Itajaí wissen natürlich alle, dass hier ab 13 Uhr die Volvo Ocean Race Boote vorbei kommen und sind ebenfalls entsprechend früh gekommen. Außerdem gibt es nebenan gleich einen sehr schönen Sandstrand und da heute Sonntag ist, tummeln sich die Sonnenhungrigen dort auch schon unter ihren Sonnenschirmen.

Heute gibt es auch Polizei auf dem Parkplatz und einige Fressbuden. Wir stellen Winnietwo direkt gegenüber von den Polizisten ab und freuen uns, dass er hier sicher stehen kann. Für ein Frühstück bleibt keine Zeit mehr, denn die Seglerparade um 11.30 Uhr findet im Yachthafen statt und wir müssen 3km zurücklaufen. Hetz, hetz!

Frühes Kommen sichert gute Plätze, sagt man ja so schön. Und wir wollen natürlich ganz nah an die Volvo Ocean Race Boote ran, um alles live und in Farbe mitzubekommen. Im Yachthafen ist aber schon der Teufel los und die Leute stehen in Doppelreihen auf dem Besuchersteg vor den Booten. Wir mogeln uns durch die Menge und Helen ergattert einen Platz ganz vorne - das Boot von AkzoNobel liegt direkt vor uns.

Mein Magen fängt an zu knurren und so laufe ich los, um was zu essen zu finden. Draußen vor dem Gelände haben aber nur die Restaurants und eine Tankstelle auf. Ich hatte gehofft, es gibt eine offene Bäckerei in der Nähe, aber heute sind alle Geschäfte geschlossen und so muss eine Packung Schokokekse von der Tanke als Frühstück reichen.

Die Sonne knallt vom Himmel, wir haben aber zum Glück was zu trinken dabei. Das Warten auf die Segler ist aber Null ein Problem, denn es gibt viel zu gucken. Mancher Skipper und einige von der Bordbesatzung sind auch schon auf den 7 Booten zugange und laden die letzten Sachen aus, die nicht mit auf die lange Regatta nach Newport, USA gehen. Wir lernen später: je leichter die Boote sind, desto schneller sind sie auch. Also wird jeder unnötige Ballast vorher noch entsorgt oder an Land gelassen.

Bevor ich den Rest des weiteren Tages beschreibe, schiebe ich hier mal allgemeine Informationen zum Volvo Ocean Race in den Bericht, damit ihr lesen könnt, wie dramatisch und bedeutend dieses Rennen eigentlich ist. In der letzten Woche haben wir sehr viel darüber gelesen und wir sind geradezu zu Fans dieser Veranstaltung geworden und freuen uns riesig, dass wir live dabei sein können. Es ist schon was ganz besonderes!

Volvo Ocean Race:

Das Volvo Ocean Race (vormals The Whitbread Round the World Race) ist eine seit 1973 alle vier und seit 2006 alle drei Jahre durchgeführte Segelregatta, die einmal um die ganze Welt verläuft. Die Regatta startet im Herbst in Europa, die weitere Route führt durch den Atlantik, umrundet Afrika am Kap der Guten Hoffnung, führt durch den Indischen Ozean über den Südpazifik und rund um Kap Horn nach Süd- und Nordamerika und von dort wieder zurück nach Europa. Aufgrund der Wind- und Wetterverhältnisse, vor allem im Südpazifik (Wellenhöhen von 30m und Windgeschwindigkeiten von 110km/h), gilt die Regatta als eine der härtesten Herausforderungen im Segelsport.

Die erste Regatta startete in Portsmouth am 8. September 1973 und ging über Kapstadt - Sydney - Rio de Janeiro wieder zurück nach Portsmouth. Siebzehn Yachten der unterschiedlichsten Größen und Formen nahmen daran teil. Während der Regatta ertranken drei Segler. Bei der zweiten Regatta 77/78 wurden deshalb Lifebelts vorgeschrieben, um Todesfälle wie in der ersten Durchführung der Regatta zu verhindern. Außerdem nahm mit Clare Francis die erste Frau als Skipper eines Bootes teil.

Bei der Regatta 89/90 trat auch erstmals ein reines Frauenteam an, auf der von Tracy Edwards' gesteuerten Maiden. Obwohl die Frauenmannschaft in einem kleineren Boot als ihre männlichen Konkurrenten fuhr, konnten sie in ihrer Klasse zwei Etappensiege erringen. Insgesamt hat es in der Geschichte dieser Regatta bis dato 4 reine Frauenteams gegeben. Beim gleichen Rennen gab es erneut einen Todesfall auf der Etappe von Punta del Este (Uruguay) nach Fremantle (Australien).

97/98 nahmen zum ersten Mal an der Regatta nur Yachten einer Klasse, der W60, teil, und die Wertung erfolgte nach einem Punktesystem, um auch die kürzeren Etappen aufzuwerten. Um die mediale Verwertung zu verbessern, wurden insgesamt neun Etappen veranstaltet. Volvo trat zum ersten Mal als Sponsor der Trophäe und der Fernsehübertragungen auf. Die Regatta hieß Whitbread round the world race for the Volvo Trophy.

2001/02 übernahm Volvo die Rolle des Titelsponsors, und die Regatta wurde in Volvo Ocean Race umbenannt. Zwischenstopps waren in Volvos wichtigsten europäischen Märkten, Deutschland, Frankreich und Schweden, vorgesehen. Das Punktesystem wurde überarbeitet, um die Regatta bis zum Schluss spannend zu halten. Der Amerikaner John Kostecki gewann auf der Illbruck unter deutscher Flagge zum ersten Mal das Volvo Ocean Race als Skipper, nachdem er bereits 1997/98 als Co-Skipper mit George Collins auf der Chessie Racing erfolgreich war. Die dritte Etappe wurde gemeinsam mit der legendären Sydney-Hobart-Regatta durchgeführt. Der endgültige Zielort war Kiel.

2005/06 gab es einige Neuerungen. Zum ersten Mal wurde nicht in Großbritannien gestartet. Die Regatta startete am 5. November 2005 in Sanxenxo (Galicien) in Spanien und endete am 17. Juni 2006 in Göteborg (Schweden), dem Hauptsitz vom Sponsor Volvo. Außerdem wurde die Regatta mit einem neuen Bootstyp, dem Volvo Open 70, durchgeführt. Dieses Boot ist rund 1000 kg leichter als der Typ W60, hat eine größere Segelfläche sowie einen Schwenkkiel. Auf der letzten langen Etappe von New York nach Portsmouth ging der Niederländer Hans Horrevoets vom Team ABN AMRO Two nachts über Bord und kam dabei trotz sofort eingeleitetem Mann-über-Bord-Manöver ums Leben. Auf der gleichen Etappe musste die Movistar aufgegeben werden, da Beschädigungen an der Kielschwenkmechanik auftraten, die zu einem starken Wassereintritt führten. Das Team Movistar wurde durch ABN AMRO Two, kurz nachdem diese ihren Mitsegler verloren hatten, erfolgreich geborgen.

2008/09 kam auf der vierten Etappe die Flotte in einen Taifun. Es kam zum Teil zu schweren Schäden, die einige Boote zwangen, das Rennen zu unterbrechen. Zwei Teilnehmer verpassten so die nächste Etappe. Dieses Mal ist nicht eine Frau mit dabei.

2011/12 ist Itajaí zum ersten Mal einer der Zwischenstopps für eine Etappe. Die Etappe von Kapstadt nach Abu Dhabi sorgte im Vorfeld für Schlagzeilen, da sie durch eines der gefährlichsten Seegebiete der Welt verlief. Um der Piraterie vor der Küste Somalias zu entgehen, wurde sie in zwei Abschnitte unterteilt. Der erste führte bis zu einem damals geheim gehaltenen Hafen auf den Malediven im Indischen Ozean, wo die Yachten in einen Frachter verladen wurden und unter Waffenschutz bis kurz vor die Küste von Abu Dhabi transportiert wurde, während die Crew-Mitglieder gesondert anreisten und schließlich die Regatta mit einem kurzen Sprint nach Abu Dhabi beendeten. Während des Aufenthalts in besonders gefährlichen Seebereichen wurde zudem die Live-Übertragung unterbrochen. Erneut ist keine Frau mit dabei.

2014/15 starteten am 11. Oktober 2014 in Alicante sieben Einheitsjachten der neuen Klasse Volvo Ocean 65 zur ersten Etappe, darunter nach 12 Jahren wieder ein rein weibliches Team. Die Route führte über Kapstadt, Abu Dhabi, Sanya, Auckland, Itajaí, Newport, Lissabon, Lorient und Den Haag schließlich zum Zielhafen Göteborg. Team Vestas Wind lief auf der zweiten Etappe etwa 200 Seemeilen von Mauritius entfernt im Indischen Ozean auf ein Riff und musste das Boot aufgeben. Es gelang, das Wrack zu bergen, wieder instand zu setzen und zur vorletzten Etappe an den Start zu bringen. Die Frauenmannschaft gewann drei In-Port-Wettfahrten in Serie und die achte Etappe, wurde aber insgesamt nur vorletzte.

An den ersten 12 Rennen haben insgesamt 167 Boote und Segler aus 43 verschiedenen Ländern teilgenommen. Zu gewinnen gibt es lediglich eine Trophäe - ein Siegergeld oder ähnliches gibt es nicht. Die Teams werden nicht nur von Volvo, sondern auch von anderen großen Unternehmen gesponsert.

Das 2017-18 Volvo Ocean Race:

Dieses Mal startete am 22. Oktober 2017 in Alicante das dreizehnte Volvo Ocean Race. Die Regatta führt von dort über Lissabon, Kapstadt, Melbourne, Hongkong, Guangzhou (nur In-Port-Wettfahrt), Auckland, Itajaí, Newport, Cardiff, Göteborg nach Den Haag. Mit etwa 45.000 Seemeilen (83.000km) ist sie um 6.000 Seemeilen länger als je zuvor.

Neben dem eigentlichen Rennen, will man vor allem ein Augenmerk auf die Vermüllung unserer Weltmeere legen. Entsprechend ist der Spruch "Turn the tide on Plastic" auf allen Booten zu sehen und eines nimmt auch unter diesem Namen teil. Bei allen Zwischenstopps gibt es Aufräumaktionen, bei denen Hunderte von Menschen den Müll an den Stränden einsammeln. Das Rundkino im Veranstaltungsgelände widmet sich ausführlich dieser Problematik. Die Segler berichten über Videos von ihren Etappen und weisen immer wieder auf die sichtlichen Umweltschäden in den verschiedenen Meeren, die sie durchqueren, hin.

Sieben Boote wurden für das Rennen gemeldet: Brunel (Niederlande), dessen Skipper Bouwe Bekking damit sein achtes Volvo Ocean Race bestreitet, Dongfeng Race Team (China), Mapfre (Spanien), Sun Hung Kai/Scallywag (Hong Kong), Team AkzoNobel (Niederlande), Turn the Tide on Plastic mit der weiblichen Skipperin Dee Caffari aus England und Vestas 11th Hour Racing (USA/Dänemark). Bis auf das Team AkzoNobel segeln alle Teams Yachten, die schon an der 12. Austragung der Regatta teilnahmen, da die Boote der Klasse Volvo Ocean 65 von Anfang an auf zwei Wettbewerbe ausgelegt waren.

In der Geschichte des Rennens hat es also schon mehrere Todesopfer gegeben und leider ist es auch bei diesem Rennen wieder der Fall gewesen. Auf der letzten Etappe von Auckland, Neuseeland nach Itajaí, Brasilien gab das Team Sun Hung Kai/Scallywag am 26. März 2018 1.400 Seemeilen westlich von Kap Horn einen Notruf an die Rennleitung durch. 15 Minuten vor Sonnenuntergang war John Fisher auf dem Weg nach vorne, um eines der Segel zusammen zulegen. Das Boot befand sich in schwerer See mit Orkanartigen Windböen und ritt gerade eine hohe Welle runter.

John Fisher hatte kurz seine Sicherheitsleine abgemacht, um nach vorne zu laufen und wurde vom weit schwingenden Baum getroffen und über Bord geschleudert. Vermutlich war er da schon bewusstlos. Er trug einen Überlebensanzug, eine Neoprenkaputze, Handschuhe und eine Sicherheitsweste. Die Mannschaft hat sofort zwei Bojen zur Sicherung der Position vom Heck des Bootes geworfen, aber das Wenden in schwerer See dauerte seine Zeit. Man fand weder die Bojen noch John Fisher wieder und da sich das Wetter noch weiter verschlechterte, musste zur Sicherheit der Crew die Suche nach einigen Stunden aufgeben werden.

Das Boot wurde anschließend mit Hilfe der Rennleitung in einen Hafen in Chile gesegelt. Dort ging die Besatzung von Bord und ein Ersatzteam segelte die Yacht weiter nach Itajaí. Sie kam erst vor wenigen Tagen hier an. Der Schock über den Tod von John Fisher - einem sehr erfahrenen Segler aus England, der zum ersten Mal an diesem Rennen teilnahm - war unter allen Teams sehr groß. Alle Segler tragen bei der Seglerparade ein Schwarzes Band am Arm mit der Aufschrift "Forever Fish", der Spitzname von John Fisher.

Wir hatten von diesem Todesfall erst nach unserem ersten Besuch vor einer Woche hier gelesen und uns wurde dadurch erst die Dramatik und auch die Gefährlichkeit des Volvo Ocean Races bewusst. Aber nicht nur das Team Sun Hung Kai/Scallywag hatte einen schweren Vorfall.

Vier Tage nach dem tragischen Unfall mit John Fisher, gab es auf dem Vestas 11th Hour Racing Boot einen Mastbruch. Man hatte gerade das Kap Horn umsegelt und war südlich von den Falkland Inseln unterwegs, da krachte der Mast zusammen - 1500 Seemeilen von Itajaí entfernt. Die Crew steuerte Port Stanley auf den Falkland Inseln per Motor an und fand dort eine Straßenlaterne aus Aluminium in einem Feld. Mit Hilfe der Ausstattung von einem kleinen Segelboot wurde ein Notmast gebaut, damit die restlichen Seemeilen nach Itajaí zurückgelegt werden konnten, bevor es auf die nächste Etappe nach Newport, USA geht. Statt eines 30m hohen Mastes, segelte das Boot nun mit einer 8m hohen Straßenlaterne.

Dieses Boot lag ebenfalls noch nicht im Hafen, als wir letzte Woche da waren, aber es kam 4 Tage vor dem heutigen Rennen dort an und man hat es tatsächlich noch geschafft rechtzeitig einen neuen Mast einzubauen.

Das MAPFRE Boot hatte ebenfalls in der Nähe von Kap Horn Probleme mit einem großen Riss im Großsegel. Man musste nahe Kap Horn an Land gehen und hat es notdürftig wieder repariert. MAPFRE war seit der zweiten Etappe das führende Boot in der Gesamtwertung gewesen, lief wegen des Zwischenfalls aber 5 Tage nach den 4 anderen Booten erst in Itajaí ein und befindet sich deswegen nur noch auf dem zweiten Platz, einen Punkt hinter dem Dongfeng Team aus China. Das Brunel Team ist jetzt bereits Dritter mit 36 Punkten in der Wertung, da es für die letzte Etappe nicht nur eine doppelte Punktzahl für den Sieg (14 Punkte statt 7), sondern auch noch einen Sonderpunkt für die erste Platzierung am Kap Horn bekam.

Bei solchen Unglücken ist der Nasenbruch eines Seglers auf dem AkzoNobel Boot ja schon eine Kleinigkeit. Das Boot wurde von einer großen Welle erwischt, Wasser überflutete das Deck und der Segler verlor den Stand und knallte mit der Nase irgendwo gegen. Ein anderes Teammitglied hat die Nase an Bord noch gerichtet und es ging weiter.

Die beiden erstplatzierten Boote Brunel und Dongfeng waren die einzigen, die keine Probleme auf der 12.500 Seemeilen (23.000km) langen Strecke hatten. Sie trennte am Ende in Itajaí ganze 2 Seemeilen - und das nach 16 Tagen segeln durch einen der schwierigsten Ozeane der Welt. Wahnsinn!

Wir haben all das und vieles mehr auf der folgenden Webseite gefunden: www.volvooceanrace.com. Sie ist nicht nur super gemacht, sondern zeigt live im Race Tracker die aktuelle Position aller Boote. Tägliche und wöchentliche Videoberichte zeigen das Leben an Bord inklusiver der ganzen Dramatik, aber auch die schönen Seiten des Segelns. Es lohnt sich da mal rein zu schauen, auch wenn man mit Segeln sonst nichts am Hut hat. Wir sind jedenfalls zu echten Fans dieses Rennen geworden und gucken häufig rein.

Wenn man bedenkt, dass wir vor einer Woche noch gar keine Ahnung hatten, was das Volvo Ocean Race eigentlich ist, dann ist es schon erstaunlich, dass all diese Informationen uns heute das Gefühl geben, wir kennen die Segler persönlich. Auch ein Grund warum wir heute hier sind, denn wer 8 Monate unter zum Teil lebensbedrohlichen Bedingungen um die Welt segelt, verdient einfach Respekt.

Insofern stehen um 11.30 Uhr zur Sailors Parade die Zuschauer Spalier und beklatschen die sieben Teams auf dem Weg zu ihren Booten. Besonders großen Applaus gibt es für das Team Sun Hung Kai/Scallywag. Man merkt den Seglern an, dass ihnen immer noch der Schock über John Fishers Tod in den Knochen sitzt. Die Teams laufen in der umgekehrten Reihenfolge nach dem Stand der Gesamtwertung auf.

Ich habe mich inzwischen neben Helen geschummelt - die Leute stehen in einer Dreierreihe hinter uns! - und wir beobachten, wie die Teams für ihre Konkurrenten unten auf dem Bootssteg ebenfalls Spalier stehen. Überall sieht man herzliche Umarmungen, auch zwischen den Teams. Wer so ein sportliches Ereignis mitmacht, der gehört zu einer großen Familie dazu.

Eine der Seglerinnen (es sind dieses Mal 22 Frauen mit an Bord) steht dennoch im absoluten Mittelpunkt hier in Itajaí. Sie heißt Martine Grael und gewann bereits eine Olympische Medaille. Sie ist die einzige Brasilianerin unter all den Seglern dieser Regatta. Ihr Vater hatte bereits 2008/09 das Volvo Ocean Race gewonnen. Sie gehört dem Team AkzoNobel an und wir beobachten, wie sie sich von ihren Eltern direkt unter uns verabschiedet.

Was uns aber am meisten an ihr fasziniert, ist die Tatsache, dass sie genauso aussieht wie eine gute Freundin und ehemalige Volleyballkollegin von mir aus Hamburg. Ich gucke mir am Nachmittag noch einmal die Bilder und Videos von Martine an und schicke Bine spontan eine Email mit den Fotos. Der Hammer ist aber, dass es der 22. April ist und Bine heute 50 wird. Ich bekomme bei solchen Zufällen immer eine Gänsehaut! Ob da nicht doch irgendwo jemand an unserem Leben rum dreht? Ist es vielleicht doch kein Zufall und hat eine höhere Bedeutung? Bine schreibt am nächsten Tag zurück und freut sich, dass sie so eine hübsche, wenn auch deutlich jüngere Doppelgängerin hat. :-)

Nach und nach verlassen die Boote den Yachthafen und fahren durch den Fluss zum offenen Meer raus. Um 14 Uhr soll dann der Start für das nächste Rennen nach Newport sein. Es liegen 5.700 Seemeilen (10.488km) vor ihnen. Die Etappe wird etwa 18 Tage lang dauern.


Volvo Ocean Race in Itajaí - Parade und Abschied aller Segler

Wir müssen uns sputen und wieder die 3km zur Hafenmole laufen, um rechtzeitig für das Rennen vor Ort zu sein, und legen im Stechschritt den zweiten Gang ein. Nur wenige Minuten später werden wir aber auf der Uferpromenade von einer Herde Capybaras gestoppt. Das Wasserschwein ist eine Säugetierart aus der Familie der Meerschweinchen und ist das größte heute lebende Nagetier der Welt.

Wo kommen die denn jetzt her? Es sind wilde Tiere. Eines davon ist noch ein Baby. Während ich Video mache, streichelt einer der Eisverkäufer das Kleine, was diesem sichtlich gefällt ... ahhhh, ja genau da am Rücken ... kratz mal schön ... ooooh! Wie die sich wohl anfühlen, frage ich mich. Eine Mutter mit Kleinkind fragt nach, ob man die wirklich streicheln sollte. Der Eisverkäufer warnt vor den erwachsenen Tieren, aber das Kleine ist okay. Die Wasserschwein-Mutter scheint auch keine Gefahr für ihr Junges zu wittern und frisst ganz genüsslich das Gras weiter.

Helen macht Fotos von mir, wie ich das Baby streichle. Die Haare sind leicht borstig und die Haut darunter fühlt sich nach dickem Leder an. Eine tolle Erfahrung, die man wohl sonst in der Natur nicht geboten bekommt. Obwohl man das bei mir nie so genau weiß, denn ich war ja auch schon mal Guanako-Mama in Patagonien.

Wir haben gerade noch Zeit uns bei einem der Fressstände auf dem Parkplatz der Hafenmole einen leckeren Hot Dog zu kaufen. Die paar Schokokekse zum "Frühstück" waren nicht so das wahre, wir hatten jetzt echt Hunger. Winnietwo ist kochend heiß von drinnen und wir schnappen uns nur schnell ein kaltes Getränk bevor wir zum Ende der Hafenmole laufen - immerhin noch einmal 900m Fußmarsch!

Die sieben Volvo Boote sind alle schon unter Segel auf dem Meer und fahren in engen Kurven umeinander herum, um sich dann für das Rennen die beste Startposition zu sichern. Über uns kreist der Fernseh-Hubschrauber, der live das Ereignis überträgt. Leider haben wir keinen direkten Blick auf die Boote, denn die Hafenmole ist von großen Betonblöcken umgeben, auf denen schon etwa 500 Besucher sitzen, stehen oder noch in die richtige Position kraxeln.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als das gleiche zu tun. Ganz schön gefährlich, denn zwischen den Betonblöcken klaffen tiefe Spalten. Ein Fehltritt, ein Abrutschen ... und schon hat man sich im besten Falle nur was gebrochen. Das hätten die Veranstalter besser machen können. Eine erhöhte Besuchertribüne wäre sicherer gewesen.

Mit etwas Mühe und der Hilfe sehr netter Brasilianer klettern wir über die Betonblöcke und bekommen am Ende auch einen sehr guten Platz mit relativ freier Sicht auf die Boote. Ohne Fernglas können wir gut die harte Arbeit an Bord beobachten.

Um 14 Uhr ist der Startschuss, es geht in einem festgelegten Kurs zweimal um drei Gelbe Bojen herum und dann fahren die sieben Boote ostwärts aufs offene Meer hinaus. MAPFRE liegt in Führung, die anderen folgen dicht dahinter.


Volvo Ocean Race in Itajaí - die Regatta bevor es nach Newport, USA geht

Wir wünschen allen Teams eine gute Reise ohne Zwischenfälle. Der Beste möge gewinnen! Aber es ist auch eine ganze Menge Glück mit im Spiel, wie wir in den folgenden Tagen über die Webseite mitbekommen. Es hängt sehr viel von der Taktik der Bordnavigatoren ab. Winde müssen richtig kalkuliert und antizipiert werden. Wann wechselt man den Kurs? Ist der Wind weiter östlich oder weiter westlich besser?

MAPFRE hat nach ein paar Tagen große Probleme mit der Bordelektronik und liegt nach anfänglicher Führung weit zurück. Die anderen Teams kommen gut voran. Wir werden den Verlauf weiter verfolgen! Wirklich ein spannender Wettbewerb! Wir sind froh, live dabei gewesen zu sein!

Nachmittags reißen wir erst einmal alle Fenster und Türen in Winnietwo auf und schmeißen den Ventilator an. Boah, ist das heiß hier drinnen. Wir sehen aus wie Lobster - knall rotes Gesicht mit weißen Falten! In der ganzen Hektik haben wir total die Sonnencreme vergessen und nach Stunden in der sengenden Sonne sind wir natürlich total verbrannt.

Während ich am Laptop die Fotos und Videos bearbeite, geht Helen noch mal los und kommt ein paar Minuten später mit einem großen Açaí-Eisbecher wieder. Açaíbeeren sind die Früchte einer Palme im Amazonas und extrem gesund. Sie enthalten 10 Mal so viele Antioxidantien wie Blaubeeren und haben einen sehr hohen Vitamin C Gehalt. Das kalten Eis tot richtig gut!

Wir hatten erst überlegt die Nacht hier an der Hafenmole zu verbringen, aber abends rollen Autos mit lauter Musik an und die Polizei ist auch schon lange weg. Wir nutzen noch schnell die kalten Strandduschen und fahren dann nur wenige Kilometer weiter in ein kleines Dorf und parken da in einer der ruhigen Seitenstraßen für die Nacht.

Am nächsten Tag fahren wir weiter südlich nach Balneário Camboriú, um dort im Parque Unipraias die Gondelfahrt auf den Berg zu machen. Auf einem Montag ist hier nicht viel los und der gesicherte Parkplatz beim Eingangsgebäude ist halb leer. Die Gondelfahrt kostet für Erwachsene 42 R$ (umgerechnet 10.50€) und gilt für eine Hin- und eine Rückfahrt, wobei man jeweils bei der Mittelstation aussteigen kann.

Wir gehen an die Kasse und ich sage auf Spanisch "Dos personas, por favor!". Zur Sicherheit halte ich noch zwei Finger hoch. Der junge Mann hinter der Scheibe brabbelt was auf Portugiesisch zurück. Häh? Wir verstehen kein Wort und gucken ihn entsprechend dumm und ratlos an. Er rollt mit den Augen und gibt mir auf meinen 100 Reais-Schein 58R$ Wechselgeld zurück. Ich zähle etwas erstaunt nach. Hat der uns jetzt nur den halben Preis berechnet? Ein Blick auf die Tafel mit den Eintrittsgeldern zeigt, dass Senioren, Studenten oder Kleinkinder zum halben Preis rein kommen.

Ich bin mir nicht so sicher, ob wir nun den Rentner- oder den Behindertenpreis bekommen haben. Aber egal! Wir nehmen das natürlich gerne an! Vermutlich waren es die vielen weißen Falten auf unseren Sonnenverbrannten Gesichtern, die ihn im Glauben ließen, dass wir beide über 60 sind. Helen freut sich sichtlich, dass wir dieses Mal BEIDE in diese Kategorie fallen. Graue Haare (die konnte er unter unseren roten Baseballkappen aber gar nicht sehen!) haben schon so ihre Vorteile!

Helen hält mich anschließend zurück, denn zwei junge Männer betreten gerade vor uns eine der Gondeln. Es passen 6 Passagiere in jede rein, aber natürlich wollen wir unsere eigene haben. Wir setzen uns mit dem Rücken voran in Fahrtrichtung, denn der Blick aus der Gondel auf Balneário Camboriú ist gigantisch! Auf den gesamten Länge vom gut 6km langen Sichelmondstrand stehen Hochhäuser - man könnte meinen, wir wären in Miami.

Wir sehen später Bilder vom Bau der Gondelbahn und auch von der Stadt. Die Gondel wurde 2000 gebaut, zu dem Zeitpunkt gab es kaum Hochhäuser in der Stadt. Erst in den letzten 5 Jahren setzte der Bauboom ein und es gibt fast keinen freien Meter Platz mehr. Mindestens 30 neue Häuser werden alleine zur Zeit gebaut mit mindestens 20 Stockwerken. Die Appartements sehen edel aus und kosten wahrscheinlich ein Vermögen. Wer kann sich so was leisten? Es können nicht alles nur Ferienwohnungen sein. Der Süden von Brasilien ist vor allem bei den Brasilianern selbst sehr beliebt, denn hier ist die Kriminalität deutlich geringer und der Lebensstandard höher, als im Rest des Landes. Wer Kohle hat, zieht mit seiner Familie hierher.

Die Fahrt zur Mittelstation dauert etwa 8 Minuten - es geht 400m hoch. Wir steigen dort aus und laufen durch den Regenwald zu den verschiedenen Aussichtspunkten. Auf der einen Seite vom Berg liegt Balneário Camboriú, auf der anderen der schöne Sandstrand Praia de Laranjeiras, zu dem wir anschließend runter fahren.

Auf dem kurzen Rundgang kaufe ich mir noch einen neuen Badeshort in einem der kleinen Läden und dann fahren wir wieder hoch zur Mittelstation. Hier könnte man für Extrageld ein paar Abenteueraktivitäten wie z.B. Ziplining machen. Wir wollten eigentlich zu zweit noch auf die Rodelbahn, die in engen Kurven durch den Urwald schießt, aber Kameras sind auf der Fahrt nicht erlaubt. Außerdem waren die Sitze aus hartem Plastik ohne Polsterung - nicht gerade ideal für jemanden mit Bandscheibenproblemen. Also lassen wir das für heute mal weg und fahren - nachdem wir noch einen letzten Blick auf die tolle Kulisse von Balneário Camboriú geworfen haben - wieder runter.


Gondelfahrt beim Parque Unipraias in Balneário Camboriú

Zum Fotografieren ist die Gondelfahrt morgens eigentlich besser, dann liegt die Sonne hinter einem. Wir sind aber wie immer erst später losgekommen - der Tag gestern war ja super anstrengend gewesen - und bei unserer Rückkehr zu Winnietwo geht schon langsam die Sonne unter.

Eigentlich wollten wir im Hellen noch bis nach Penha fahren, das nur 40km weiter nördlich liegt, aber die Ausfahrt aus Balneário Camboriú dauert schon eine Weile und dann leitet uns das GPS über Itajaí zur Autobahn. Es soll die kürzeste Strecke sein, was sich aber als absolute Fehleinschätzung herausstellt, denn die "Abkürzung" beinhaltet gleich zwei Autofähren, was wir aber gar nicht wussten.

Wir fahren also wieder durch Itajaí am Yachthafen entlang - auf dem Volvo Ocean Race Gelände werden noch die Stände abgebaut. Hinter der nächsten Biegung steht der Verkehr still. Wir können die Kurve allerdings nicht einsehen und warten und warten und warten. Wieso bewegt sich denn da nichts? Andere Autos überholen uns auf der linken Spur und jetzt erst schnallen wir, dass wir auf einer Einbahnstraße unterwegs sind. Helen fährt auf die andere Spur, wir kommen um die Kurve und dann sehen wir auch, warum die Autos in der Schlange stehen - sie warten auf die nächste Fähre! Das dauert uns zu lange, es ist bereits dunkel draußen. Das GPS programmiert sich neu, wir folgen den Anweisungen und landen bei der nächsten Fähre. Wieder eine Schlange - wir fahren dran vorbei, machen einen etwas größeren Umweg und stehen kurz vor der Autobahnauffahrt im Stau. Feierabendverkehr ohne Ende! Na, super!

Zum Glück ist anschließend die Autobahn gen Norden frei und wir beschließen bis zur nächsten Tankstelle zu fahren. Das reicht für heute. Die Tanke hat auch ein großes Parkgelände und wir stellen uns etwas entfernt von den Zapfsäulen hin. Es ist immer noch wahnsinnig heiß, wir reißen die Türen und Fenster auf ... was stinkt denn hier so? Es riecht gewaltig nach Kloake und kommt von draußen. Ich laufe mit der Taschenlampe los und suche einen besser riechenden Platz auf dem Gelände, aber es stinkt überall gleich. Scheiße! Wir sind zu müde zum Weiterfahren und müssen da jetzt durch.

Am nächsten Morgen sehen wir, dass sich die Tanke direkt neben einem Feuchtgebiet mit Mangroven befindet. Kein Wunder, dass es hier so stinkt! Und unser GPS streikt heute auch! Ich will die neuen Tageskoordinaten vom Laptop übertragen, aber nichts geht. Seit Tagen ist das Teil schon etwas langsam in der Routenberechnung ... vielleicht sollte ich mal die Speicher auf dem GPS entleeren, habe ich lange schon nicht mehr gemacht. Und siehe da, anschließend läuft alles muy rapida ohne Probleme. Problem erkannt, Problem gebannt!

Wir fahren weiter nach Penha. Hier gibt es den Vergnügungspark Beto Carrero World - dem größten in ganz Lateinamerika, benannt nach dem Entertainer und Geschäftsmann Beto Carrero. Der Park wurde 1991 eröffnet und schloss 2012 eine Partnerschaft mit DreamWorks Animation und den Universal Studios ab. Á la Disney World sind hier auf 14 Quadratkilometern Achterbahnen und Themenparks aufgebaut, die Tausende von Besucher pro Jahr anlocken. In der Nachsaison ist der Park aber nur von Freitag bis Sonntag geöffnet. Der Eintritt liegt bei R$ 115 für 2 volle Tage - eigentlich gar nicht mal so teuer für das, was hier geboten wird.

Heute ist aber erst Dienstag und wir wussten schon vorab, dass der Park geschlossen ist. Warum kommen wir also trotzdem hierher? Weil ich im Internet ein Foto vom Castelo das Nações gesehen habe. Das bunte Eingangsgebäude ist absolut sehenswert und kann auch an "geschlossenen" Tagen von draußen und drinnen bewundert werden - kostenlos! Wir parken Winnietwo draußen vor der Parkplatzschranke - heute ist total tote Hose hier und wir machen uns keine Sorgen um Winnietwo.

Auch Helen ist vom Eingang begeistert. Ich frage drinnen eine Sicherheitsbeamtin, ob ich mal kurz einen Blick auf das Gelände hinter dem Eingang werfen darf "nur für ein klitze-kleines-Foto, bitte?" Aber nein, Betreten streng verboten! Auch mein zweites Betteln wird bestimmt, aber freundlich verneint. Schade!

Trotzdem hat sich der kurze Abstecher nach Norden noch einmal gelohnt. Wir fahren anschließend wieder weiter nach Süden, denn in Torres findet das Ballonfestival in drei Tagen statt und es gibt noch viel auf der Strecke zu sehen.