16. - 25.05.2018: Porto Alegre - Rio Grande - Quaraí

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Wir fahren weiter in Richtung Süden und parken für ein paar Stunden vor dem Visitor Center in Porto Alegre. Mehrfach hat man uns davor gewarnt hier vorsichtig zu sein. Es gibt angeblich viel Kriminalität in der Stadt. Auf den ersten Blick empfinden wir das eigentlich nicht so, aber Helen bleibt vorsichtshalber beim Fahrzeug, während ich mir für ein paar Stunden das Stadtzentrum anschaue. Richtig spannend ist es nicht - ein paar schöne Kirchen, der interessante Markt ... und schon fahren wir weiter.

45km östlich finden wir einen Parkplatz vor einem Supermarkt in Morro Grande. Wir kommen im Dunkeln dort an, der Supermarkt ist zum Glück aber noch offen und so gibt es wenigstens was Nettes zu essen. Die Nacht ist ruhig und wir fühlen uns sicher. Gegen 3 Uhr morgens fängt es dann an zu regnen - Badewannen von Wasser kommen von oben! Gut, dass der Parkplatz teilweise asphaltiert ist, denn der Boden wird immer weicher und die Schlaglöcher vor Winnietwo füllen sich und werden zu gigantischen Pfützen. Der Himmel ist auch am nächsten Morgen dunkelgrau, es regnet weiterhin in Strömen ... was solls, wir bleiben einfach hier stehen und verbringen noch eine weitere Nacht hier.

Immerhin empfangen wir rattenschnelles Internet. Super, denn in England steht die Königliche Hochzeit von Prinz Harry und seiner Meghan Markle an. Für uns findet das Ganze wegen der Zeitverschiebung früh morgens statt. Helen schnappt sich zunächst das Smartphone und guckt dort die BBC Übertragung, ich drehe mich im Bett noch mal um und schlafe weiter. Die Vorberichterstattung muss ich mir nicht reinziehen. Das Wetter in Windsor ist im Gegensatz zu unserem (immer noch Regen!) fantastisch sonnig und die Hochzeitsstimmung ist hervorragend. Helen ist ganz in ihrem Englischen Element! Wir machen den Laptop an, um ein größeres Bild zu haben, als die Hochzeit beginnt.

Da wir uns über Facebook ins Internet einloggen müssen, ist alle halbe Stunde die Verbindung weg und wir müssen uns erst einmal wieder einloggen. Grrrrr ... wie ich das hasse! Und so verpassen wir doch tatsächlich in diesen kurzen Unterbrechungen die Ankunft der Queen (Helen is sooooo not amused!). Die lange Rede des farbigen Priesters aus Chicago bekommen wir in voller Länge mit (gääääähhhnn!) und dann ist es endlich soweit ... Shit! Die Verbindung ist erneut weg und wir verpassen doch tatsächlich das Ja-Wort von Harry. Helen can't believe it! Aber alle schlechten Dinge sind Drei ... und so verpassen wir den königlichen Hochzeitskuss vor der Kirche auch noch!

Da weder die Sonne schien und wir seit vorgestern nicht mehr gefahren sind, ist die Bordbatterie auch leer. Wir hatten gerade noch genug Saft auf dem Laptop, um das Ende der Hochzeitsübertragung zu sehen. Wir beschließen weiter zu fahren. Der Himmel ist zwar immer noch grau, aber der Regen hat etwas nachgelassen. Die Straßenränder sind total aufgeweicht und schlammig und es herrscht wenig Verkehr auf den Straßen.

Zwischen dem Atlantik und einem sehr großen See verläuft ein Küstenstreifen, der im Süden bei Rio Grande endet. Bei schönstem Wetter könnte man sicherlich hier und da mal die Stichstraßen zum Meer oder zum See fahren, aber es ist alles total aufgeweicht und wir haben ein wenig Schiss, im weichen Sand stecken zu bleiben. Und so rollen wir auf der langen Asphaltstraße gen Süden und sehen nicht sehr viel. Immerhin ist die Straße deutlich besser, als wir dachten. Von vielen anderen Reisenden hatten wir gehört, dass sich ein Schlagloch an das andere reiht, aber wir müssen zur richtigen Zeit hier sein, denn der Asphalt wurde bis auf ganz wenige Abschnitte gerade erneuert.

Rio Grande erreicht man von der Küstenstraße nur über eine Autofähre. Die Überfahrt dauert gut 45 Minuten und kostet 33.50 R$ (8.40 EURO). Vor uns rollt ein 31 Jahre alter VW Bulli auf die Rampe. Die Besitzer sind ein Neuseeländer mit seiner Irischen Frau und ihrem 4 Jahre alten Sohn Charlie. Seine Eltern haben sich 2004 auf einem Oasis Overland Truck (von London nach Kapstadt) getroffen. Sie haben sich in Sao Paulo den Bulli gekauft und wollen 4 Monate damit durch den Süden von Südamerika reisen. Wir verstehen uns auf Anhieb und geben den beiden beste Tipps.

Rio Grande ist ziemlich heruntergekommen. Wir fahren nach einer Kaffeepause durch die Altstadt - eigentlich wollte ich ein paar Fotos machen, aber wir finden keinen einzigen Parkplatz. Stattdessen fahren wir weiter bis Cassino und stellen uns in eine ruhige Nebenstraße am Strand. Dies ist unsere letzte Gelegenheit, den Atlantischen Ozean zu genießen und wir machen noch ein paar ausgedehnte Strandläufe.

Ich gehe am nächsten Morgen noch schnell zum Friseur und dann fahren wir weiter nach Pelotas. Im iOverlander ist das Tourist Parque Hotel erwähnt - eine schöne und ruhige Anlage etwas außerhalb der Stadt. Wir verbringen eine ruhige Nacht hier und haben sogar eine gute Internetverbindung.

Ein Hotelgast spricht uns auf portugiesisch an und fragt, ob wir heute tanken müssen. Ähm ... ja! ... warum? Er rattert seinen Satz runter und Helen glaubt zu verstehen, dass keine der Tankstellen im Ort Benzin hat. Aha! Irgend etwas mit einem Streik, oder so. Um die Ecke vom Hotel befindet sich eine Tankstelle und wir sehen sofort, dass nicht ein Auto vor den Zapfsäulen steht. Wir fragen einen der Mitarbeiter, ob er uns Diesel geben kann. Ja, Diesel ist okay, aber Benzin gibt es nicht mehr. Schon seit ein paar Tagen in der ganzen Region. Haben wir gar nicht mitbekommen!

Wir füllen vorsichtshalber auf, denn vor uns liegen 450km bis zur Grenze nach Uruguay in Quaraí. Wir hatten vor ein paar Tagen beschlossen, einen Abstecher zur den Thermen von Arapey zu machen. Claudia, Uwe und Mia sind zur Zeit dort und es soll sehr schön ruhig und entspannt sein.

Die Straßen sind total leer ... hier und da begegnen uns Fahrradfahrer oder auch mal ein Pferdegespann. Da wir Diesel im Tank haben, finden wir das eigentlich mal richtig toll ... bis wir zur ersten Straßenblockade kommen. Rechts am Straßenrand brennt ein Autoreifen, links von der Fahrbahn rennt ein Brasilianer auf uns zu und macht eine Haltebewegung mit seinem Arm. Wir sind verwirrt! Vor uns parkt ein Laster auf der Fahrbahn, ein anderer steht rechts am Straßenrand. Eine Gruppe junger Menschen steht neben ein paar Bannern, die mit handgeschriebenen Parolen versehen sind.

Wir fragen was los ist und der junge Mann erklärt uns, dass er den Verkehr stoppt ... aber nur für etwa 10 Minuten oder so. Okay, das hört sich nicht bedrohlich an und so machen wir den Motor aus. Die Stimmung ist entspannt und ich steige aus und mache ein paar Bilder. Hinter uns stellen ein paar weitere Autos ihren Motor ab und wir warten 10 Minuten. Dann bedankt sich der junge Mann bei uns und lässt alle weiterfahren.

Eine Stunde später sehen wir von weitem schon die nächste Straßenblockade. Hier brennen gleich mehrere Autoreifen am Straßenrand und die Lage sieht bedrohlich aus. Dieses Mal halten wir nicht, denn wir haben a) keine Lust in den giftigen Gasen der Autoreifen zu stehen und b) es sind nur Männer am Straßenrand - da gehen uns beiden die Nackenhaare hoch. Helen geht zwar vom Gas runter, bleibt aber nicht stehen. Sie rollt das Fenster ein wenig runter und einer der Männer sieht, dass wir zwei ausländische Frauen sind. Er winkt uns durch die Blockade ... puh!

An der dritten Blockade müssen wir notgedrungen halten, denn ein paar Traktoren versperren den Weg. Es handelt sich um eine größere Kreuzung und keine 100m weiter ist die Straße in unsere Fahrtrichtung schon wieder blockiert. Das kann dauern! Ich steige erneut aus und mache Fotos. Die Lage ist entspannt und ruhig, denn ein paar Polizisten sind vor Ort und beobachten die Situation.

Ich komme mit einem anderen Autofahrer ins Gespräch. Er kommt aus Uruguay und so kann ich mich auf Spanisch mit ihm unterhalten. Jetzt erfahre ich auch, dass ganz Brasilien im Streik ist - nicht nur diese Region. Seit Tagen blockieren Lastwagenfahrer sämtliche Straßen im Land und protestieren gegen die hohen Benzin- und Dieselpreise. Die Preise haben sich dieses Jahr verdoppelt. Lasterfahrer sind hier überwiegend Selbstständige, die auch den Treibstoff selbst bezahlen müssen. Ihr Profit (und der war vorher schon gering) ist nun so klein, dass sie davon nicht mehr leben können. Mit dem Streik will man die Regierung zwingen, den Benzin- und Dieselpreis wieder drastisch zu senken.

Seit 2 Tagen streiken sie und wir erfahren später, dass es noch weitere 8 Tage lang im ganzen Land so geht, bis der Präsident ein Teilzugeständnis macht. Ganz Brasilien steht still! Die Waren verderben in den stehenden Lastern, es gibt keine Frischwaren mehr in den Läden, Flughäfen müssen geschlossen werden, die Industrie kann kaum noch produzieren, die Stimmung wird immer gereizter.

Gut, dass wir auf dem Weg nach Uruguay sind! Bis zur Grenze schaffen wir es nicht mehr ganz und so stellen wir uns mitten in die Walachei. Nachts gehen die Temperaturen auf 0.6°C runter! Brrrr! So kalt hatten wir es schon lange nicht mehr. Geht unsere Gasheizung überhaupt noch? Yep!

Für den Grenzübergang in Quaraí brauchen wir nur ganze 35 Minuten. Die Stadt Artigas liegt auf der Uruguayischen Seite und wir müssen erst einmal einkaufen gehen. Shit, ist das teuer hier! Obst und Gemüse kosten locker das Doppelte wie in Brasilien. Und an der Grenze haben sie unser Auto nicht einmal kontrolliert. Wir hätten drüben noch einkaufen gehen sollen!

Bis zu den Thermen von Arapey sind es jetzt noch etwa 225km. Wir fahren Richtung Westen auf Landstraßen, die mehr oder weniger geteert sind. Weit und breit ist kaum eine Menschenseele zu sehen. Die Landschaft ist flach und von Kuhweiden bedeckt ... mit anderen Worten: Langweilig! Für die Nacht stellen wir uns in eine ruhige Seitenstraße neben dem Fußballplatz in Tomás Gomensoro. Am nächsten Morgen fahren wir die letzten 110km bis Arapey.